Wenn es um die Frage geht, wie man einem Hund Zuneigung zeigt – oder wie eben nicht –, scheiden sich die Geister unter den Hundehaltern. Experten aber geben Entwarnung: «Es gibt eigentlich nichts, was man auf gar keinen Fall tun darf. Das ist von Hund zu Hund anders», sagt etwa Hundepsychologin Brigitte Bärtschi aus Zuzgen AG. Julika Fitzi-Rathgen vom Schweizer Tierschutz STS stimmt ihr zu: «Ich denke, dass die Palette der individuellen Vorlieben auch bei Hunden riesig ist, sicher in Abhängigkeit von ihrem Sozialisierungsgrad.» 

Verhaltenstherapeutin Sonja Doll Hadorn aus Winterthur ZH fügt an, dass die meisten Hunde keine stark einengenden Berührungen mögen wie etwa Umarmungen oder wie ein Baby in den Armen gewogen zu werden. «Aber dabei gibt es grosse individuelle Unterschiede und rassebedingte Trends in der Toleranz und dem Bedürfnis nach körperlicher Nähe.» So seien etwa Golden und Labrador Retriever meist tolerant, ebenso die Schweizer Sennenhunderassen, allerdings nur gegenüber echten Vertrauenspersonen. 

Es gibt eigentlich nichts, was man auf gar keinen Fall tun darf.

Brigitte Bärtschi
Hundepsychologin

Es kommt auf die Umstände an
Damit spricht die Zoologin einen entscheidenden Punkt an: Es kommt drauf an, von wem das Verhalten ausgeht. Sucht der Hund selbst die Nähe oder wird er dazu genötigt? Ist es ein stürmisches, vielleicht fremdes Kind, das ihn betätschelt oder das vertraute Frauchen? «Ist der Hund selber in Stimmung, erträgt er natürlich mehr und geniesst vermutlich auch, dass er bekommt, was er gesucht hat», sagt Doll Hadorn. 

Relevant ist auch der Kontext. Während die wenigsten Hunde körperliche Nähe auf dem heimischen Sofa ablehnen, mögen sie Berührungen beim Gassigehen mitunter gar nicht. Sie weichen zurück, ducken sich, knurren oder schnappen gar. Dies, weil sie sich in einem ungeschützten Umfeld befinden. So kann der Hund eine als Belohnung gedachte Streicheleinheit als unangenehm empfinden.

Wer seinem eigenen Hund seine Liebe beweisen will, macht mit Körperkontakt zuhause und in beiderseitigem Einverständnis also wenig falsch. Sei es auf dem Sofa oder im Bett. Wer letzteres nicht mag, stellt einfach ein Körbchen neben dem Bett auf, dann ist das hündische Bedürfnis, seinem Menschen nahe zu sein, meistens auch gedeckt. So oder so lässt das Nahe-beieinander-Liegen, die sogenannte Rudelliege, laut Julika Fitzi-Rathgen mit dem Alter oftmals nach und gehört nicht mehr per se zu den Grundbedürfnissen. 

Der Hund muss ausweichen können
Ein Hund, der sich gerne direkt vor die Tür legt, also so, dass man unmöglich unbemerkt an ihm vorbeikommt, hat übrigens ein anderes Motiv, sagt die Tierärztin: «Er will nicht verpassen, wenn der Tierhalter weggeht.» Schliesslich sei er ein soziales Rudeltier, das überallhin mitgenommen werden möchte. «Hier geht es also nicht darum, dass der Hund körperliche Nähe sucht, sondern darum, den Anschluss an das Rudel nicht zu verlieren.»

Was bedeutet all das aber nun in Bezug auf die vom Zweibeiner so geliebten Umarmungen? Auch wenn eine tiefe Bindung zwischen Hund und Herrchen herrscht, ist dies nicht automatisch eine gern gesehene Geste. Autor und Psychologe Stanley Coren publizierte 2016 dazu eine Studie, in der er 250 private Fotos auswertete, die er im Internet gefunden hatte. Sein Ergebnis: Mehr als vier von fünf Hunden empfanden die Umarmung als stressig. Sie drehten entweder ihren Kopf weg, leckten sich die Lippen, gähnten oder zeigten andere Stresssignale. 

Fitzi-Rathgen hält dagegen und bringt als Beispiel Familienhunde wie den Retriever, die solche Gesten durchaus zu schätzen wüssten – sofern sie positiv bei ihnen verknüpft seien. Allerdings hänge es auch von der Rangordnung ab. Probleme mit Umarmungen hätten vor allem kleinere Hunde, «wenn sie auf Augenhöhe ihrer Herrchen platziert werden und bei den Umarmungen nicht ausweichen können, wie es die Unterordnung aber verlangen würde». Als Folge verfielen sie dann oft in den Beschwichtigungsmodus. 

Ist der Hund in Stimmung, erträgt er mehr und geniesst, dass er bekommt, was er gesucht hat.

Sonja Doll Hadorn
Verhaltenstherapeutin

Die Fachfrau spricht aus Erfahrung. Ist sie doch selbst Halterin einer Französischen Bulldogge, die gerne fest geknuddelt wird, aber sofort einen Vorderarm ausstreckt, um Umarmer auf Abstand zu halten. «Und wenn dieser Abstand mit Druck verkleinert wird, dann kann es sein, dass unsere Bulldogge auch mal schnappt – allerdings nur bei rang-niedrigeren oder ranggleichen Personen.» Es scheint tatsächlich sehr individuell zu sein. Wie Hundepyschologin Brigitte Bärtschi sagt: «Ich habe zwei Hunde. Der eine hasst es, und der andere liebt es stundenlang auf meinen Armen zu sein und geknuddelt zu werden.» 

Blickkontakt kann bindend wirken 
Ein unumstrittener Weg, seinem Liebling Zuneigung zu schenken, scheint das Reden zu sein. Am besten mit einer hohen, kindlichen Stimme, die dazu noch etwas Relevantes zu sagen hat, so zumindest die aktuelle Forschung. Demnach verstehen Hunde nämlich durchaus den Zusammenhang zwischen Worten und Tonfall. Und nicht nur das: Japanische Wissenschaftler wiesen 2015 in einer Studie nach, dass bei Hunden das Bindungshormon Oxytocin freigesetzt wird, wenn sie den Blick ihres Menschen einfangen. Blickkontakt stärkt also die Bindung zum Hund.

Das echte Leben ist aber nicht so eindeutig, weiss Hundetrainerin Bärtschi: «Einer meiner Hunde hat damit keine Probleme und könnte einem stundenlang in die Augen schauen. Beim anderen geht das nicht. Er geht weg, wenn man es zu lange macht.» Auch hier gilt also: Nichts erzwingen!