Seit ihrem Umzug wird die allmorgendliche Pipi-Runde für Nicole Müller* und ihren Chico zum Spiessrutenlauf. Eigentlich will sie ihren Rüden nur kurz versäubern, bevor er sein Frühstück erhält. «Schliesslich möchten auch wir Menschen erst auf die Toilette gehen, bevor wir unser Müsli essen», sagt Müller. «Ausserdem droht dem Hund mit vollem Magen auf dem Spaziergang eine Magendrehung.»

Dabei hat sie die Rechnung ohne die Anwohnerschaft gemacht. «Die eine Nachbarin möchte keinen Hunde-Urin an ihrer Hecke», sagt Müller. «Der andere Nachbar wiederum hat die Wiese gegenüber zur Tabuzone erklärt, obwohl ich den Kot immer aufnehme.» Also muss die 34-Jährige ihren Chico zuerst Hunderte Meter an Hecken und Wiesen vorbeilotsen, bevor er endlich sein Bein heben und sein grosses Geschäft erledigen kann. Ob er das dort, beim Baum an der Strasse, auch wirklich darf, weiss Müller nicht. «Zumindest hat hier noch nie jemand reklamiert.» Dass am Zaun zur Wiese neben dem Baum ein Schild dem Hund unmissverständlich das Verrichten des grossen Geschäfts verbietet, trägt nicht unbedingt zur Klärung bei. «Langsam weiss ich echt nicht mehr, wo ich Chico versäubern darf», sagt die Hundehalterin. 

In Hundegesetzen und ZGB geregelt
Wo darf der Hund, wenn er mal muss? Und ist die Hundeversäuberung gesetzlich geregelt? Mit diesen Fragen konfrontiert, verweist Rechts- und Hundeanwalt Daniel Jung auf die kantonalen Gesetze über die Hundehaltung. «Die sehen jeweils eine im Detail manchmal etwas unterschiedlich ausgestaltete Kotaufnahmepflicht vor», sagt Jung. Das Zürcher Hundegesetz aus dem Jahr 2010 etwa hält unter dem Titel «Beseitigung von Hundekot» fest, dass ein Hund beim Ausführen so beaufsichtigt werden muss, «dass Kulturland und Freizeitflächen nicht durch Kot verschmutzt werden». Kot in Siedlungs- und Landwirtschaftsgebieten sowie auf Strassen und Wegen seien «korrekt zu beseitigen». Im Hundegesetz des Kantons Thurgau steht, dass Trottoirs und Fusswege, Park-, Schul-, Spiel- und Sportanlagen, Gärten, Futterwiesen und Gemüsefelder nicht verunreinigt werden dürfen und der Kot korrekt beseitig werden muss. Im Berner Hundegesetz wiederum heisst es kurz und knapp: «Wer einen Hund ausführt, hat dessen Kot zu beseitigen.» 

Diese öffentlich-rechtliche Aufnahmepflicht bei der Hundeversäuberung betreffe lediglich den Kot des Hundes, sagt Jung. «Dies, weil Urin kaum aufgenommen werden kann und mit gewissen Ausnahmen auch weniger stört, wenn er nicht gerade massenweise auftritt.» Das bestätigt auch Antoine Goetschel, Rechts- und früher Zürcher Tieranwalt sowie Präsident des Vereins Global Animal Law (GAL). Er weist ausserdem auf den Grundsatz der Verhältnismäs­sigkeit und die rechtlich geschützte «Würde der Kreatur» hin. «Wenn ein Hund morgens früh nach dem Herausgehen aus dem Wohnblock kurz an einem angrenzenden Gebüsch Wasser löst – und er in der Nacht dazu offensichtlich keine Möglichkeit hatte –, entspricht dies einem ‹tierlichen› Bedürfnis, das es mit Blick auf seine Würde und den rechtsstaatlichen Verhältnismässigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen gilt.» 

Neben den kantonalen Hundegesetzen gelte in Sachen Hundeversäuberung der zivilrechtliche Grundsatz, dass man niemanden schädigen darf. «Darunter würde etwa das Anpinkeln empfindlicher Objekte wie Fahrzeuge, Einkaufstaschen oder Badekörbe fallen», erklärt Daniel Jung. Dies müsste dann primär zivilrechtlich mit Schadenersatzansprüchen durchgesetzt werden. 

Verbindliche Schilder sind teuer
Die Verbotsschilder «Hier kein Hundeklo!», die online oder im Baumarkt erhältlich sind, seien rechtlich nur teilweise verbindlich, sagt Jung. «Wenn ein Hund trotz Schild auf die Wiese kotet und dieser Kot restlos und ohne Schaden zu hinterlassen weggeräumt wird, drohen dem Hundehalter keine Nachteile.» Bussen verteilen darf der Grundstückseigentümer aufgrund privat aufgestellter Tafeln nicht, wie auch Antoine Goetschel bestätigt.

Wer sein Grundstück rechtlich verbindlich vor Hundeversäuberungen schützen will, braucht gemäss Jung eine sogenannte zivilrechtliche einzelrichterliche Verfügung, die Unberechtigten das Befahren und Betreten der Liegenschaft verbietet bei Androhung einer Busse bis 2000 Franken. «Ein solches Verbot muss in der Regel im Amtsblatt publiziert werden und vor Ort mit deutlich erkennbaren Grenzen und Schildern markiert werden», sagt Daniel Jung. «Dies ist mit einigen Kosten verbunden, bewirkt jedoch, dass weder Personen noch Hunde das Grundstück betreten dürfen.» 

Geht es nach Jung, darf Chico – falls das kantonale Hundegesetz nichts anderes vorschreibt – auf der nicht eingezäunten Wiese im Quartier sein Geschäft verrichten, wenn Müller den Haufen beseitigt und kein richterliches Verbot vorliegt. Dies, auch wenn die Wiese in Privatbesitz ist und ein Baumarkt-Schild Hunden das Koten ver­bietet. 

Antoine Goetschel sieht dies ähnlich: Fühlt sich ein Grundstückeigentümer von kotenden Hunden und deren Haltern belästigt, kann er dem entgegenwirken, indem er sein Grundstück einfriedet oder ein generelles Verbot erlässt. Überdies könne er gegen unliebsame Halter auch dann gerichtlich vorgehen, wenn er im Wiederholungsfalle auf die sogenannte «Eigentumsfreiheit» plädiert und auf Unterlassen klagt. «Auch dieser Weg ist nicht ganz billig und risikolos, gilt es den Wiederholungsfall zu beweisen», sagt Goetschel. 

Ob sich ein Grundstückeigentümer auf solche Rechtshändel einlassen will? Sicherlich weniger, wenn er sich vom Hundehalter nicht provoziert fühlt, sagt Goetschel. «Und wegen eines einmal hier, einmal dort an die Hecke urinierenden Hundes vor Gericht zu ziehen, ist unwahrscheinlich.» Schliesslich müsste bewiesen werden, dass sich der Grundstückeigentümer tatsächlich belästigt fühlt, wofür objektive Massstäbe des vernünftigen und korrekten Menschen anzulegen seien, erklärt Goetschel. «In strafrechtlicher Hinsicht müssten schon ganz besondere Umstände vorliegen, dass Halter von auf dem Nachbargrundstück kotenden Hunden alleine deshalb wegen Hausfriedensbruchs oder Sachbeschädigung auf Antrag des Grundeigentümers verurteilt würden.»

Im Wald gilt Kotaufnahmepflicht
Das alles gelte im übrigen auch für den Wald, sagt Goetschel. Der gehört in der Schweiz 250 000 verschiedenen Eigentümern, mit rund 244 000 ein Grossteil davon privaten. Hier gelte grundsätzlich die Kotaufnahmepflicht. Schliesslich brauchen die Grundeigentümer aber auch im Wald den nicht aufgenommenen Hundekot nicht zu dulden, gibt Goetschel zu bedenken. Bei Wiederholungstätern könnten sie auch hier eine Eigentumsfreiheitsklage prüfen. 

Nicole Müller ist beruhigt. Ein klärendes Gespräch mit den Nachbarn ist zwar gescheitert. «Wir reden aneinander vorbei.» Immerhin weiss sie nun, wie viel es braucht, bis sie sich als Hundehalterin strafbar macht. «Solange ich den Kot stets aufnehme und Chico nicht in eingezäunte Gärten lasse, gibt es keinen Ärger.» Bleibt zu hoffen, dass ihre Nachbarn das Sprichwort kennen, das An­toine Goetschel zu Verfahren vor Behörden und Gerichten in Erinnerung ruft: «Wer mit einem Dreck rammelt, er gewinne oder verliere, so geht er beschissen davon.» 

*Name geändert