Ein Labrador und ein Weisser Schäferhund treffen sich auf der Hundewiese. Sie beschnuppern sich gegenseitig an ihren Hinterteilen, drehen sich dabei mehrmals im Kreis. Dann ergreift der Schäferhund die Chance: Mit einem Satz springt er auf den Labrador auf, fixiert ihn zwischen den Vorderbeinen und beginnt mit stossartigen Beckenbewegungen. Der Labrador windet sich, kann der Umklammerung aber nicht entkommen. Die beiden Hundebesitzer stehen abseits und nehmen die Sache gelassen. «Die Hunde», so ist zu hören, «machen das untereinander aus.» Wirklich?

Obwohl das Aufreiten ein beinahe alltägliches Verhalten im Repertoire von Hunden ist, ist im Grunde wenig darüber bekannt. Manche Hunde stürzen sich auf alles, was ihnen gerade in die Quere kommt: Kopfkissen, Teddybären, menschliche Beine oder andere Hunde. Weil das Rammeln vielen Besitzern peinlich ist, schauen sie am liebsten weg und geben vor, von der Sache gerade nichts zu bemerken. Doch Ignorieren nützt wenig, um der Ursache des Aufreitens auf die Spur zu kommen.

Nicht immer sexuell motiviert

Bekannt ist bislang, dass es verschiedene Motivationen für das Rammeln gibt. Hauptmotivation ist der sexuelle Trieb. Auffallend oft besteigen unkastrierte Rüden ihre kastrierten Geschlechtsgenossen. Ein Grund dafür ist wohl, dass es an unkastrierten Hündinnen in ihrer Umgebung mangelt. Forscher vermuten aber, dass der Geruch des kastrierten Rüden durchaus eine anziehende Wirkung auf den intakten Rüden hat. Sexuell motiviertes Aufreiten erfolgt meist von hinten und ist mit Hüftbewegungen verbunden. Die Erregung ist dem rammelnden Hund am ganzen Körper anzusehen. Wieso die Vierbeiner auch Plüschtiere oder Kissen besteigen, ist in der Forschung weitgehend unklar; man geht in diesen Fällen jedoch von einer Art Masturbation aus.

Abseits sexueller Absichten gibt es ein Aufreiten, das als Imponiergehabe dient. Der rammelnde Hund schränkt dabei die Bewegungsfreiheit des Untergebenen deutlich ein. Damit zeigt er unmissverständlich, wer hier der Stärkere ist. Diese Art des Aufreitens muss nicht von hinten erfolgen, es kann auch seitlich oder von vorn stattfinden. Forscher vermuten, dass gelegentlich auch als Übersprunghandlung gerammelt wird. Das bedeutet: Befindet sich ein Hund in einem inneren Konflikt, weil er beispielsweise nicht weiss, ob er flüchten, sich unterwerfen oder sich verteidigen soll, kann es passieren, dass er zunächst einmal aufreitet.

Dieses Verhalten eröffnet ihm ein Zeitfenster, in dem er überlegen kann, wie er sich nun verhalten soll. Selbst Langeweile kann ein Auslöser sein. Wahrscheinlich ist, dass die verschiedenen Motivationen sich immer wieder überschneiden.

Weil schon Welpen das Aufreiten im Spiel praktizieren, muss grundsätzlich von einem ganz natürlichen Verhalten ausgegangen werden. Dennoch: Es kann zwanghaft werden. Manche Hunde sind so sehr darauf fixiert, dass sie weder etwas anderes hören noch sehen. Grundsätzlich gilt: Dauert das Aufreiten länger als 20 bis 30 Sekunden und befindet sich der Hund in einem tranceähnlichen Zustand, hat er ein Problem. Es kann unter Umständen auf Hypersexualität beruhen, aber auch andere Ursachen wie übersteigertes Imponieren unter Rivalen kommen in Betracht.

Zwanghaftes Verhalten unterbinden

Bei diesen Hunden ist es empfehlenswert, wenn der Besitzer das Aufreiten konsequent unterbricht. In der konkreten Situation bedeutet das: Zum Hund gehen, ihn beim Halsband nehmen, ihn vom unterlegenen Hund wegziehen und dann weggehen. Im besten Fall lässt sich der Hund bereits im Vorfeld ablenken. Zusammenfassend kann folgendes Fazit gezogen werden: Rammelt der Hund nur selten und kurz, darf er das. Kennt er aber kein Halten mehr, ist es sicherer, in der jeweiligen Situation einzuschreiten.

Auch das Aufreiten auf Menschen sollte unterbrochen werden. Wenn es mit dem Lösen der Vorderpfoten nicht getan ist und der Hund immer wieder aufs Neue ansetzt, kann eine kurze Auszeit helfen: Der Hund muss zum Beispiel für ein bis drei Minuten allein im Raum bleiben. Danach hat er sich wahrscheinlich wieder beruhigt. Wenn nicht, wird das Prozedere einfach wiederholt.

Bei zwanghaftem Aufreiten eines nicht kastrierten Rüden sollte ausserdem über eine Kastration nachgedacht werden. Der starke Drang zum Rammeln verursacht einerseits, dass mit dem Hund unter Artgenossen kaum etwas anzufangen ist, andererseits kann es mitunter auch böse ausgehen. Zwischen dem eingangs erwähnten Labrador und dem Weissen Schäferhund etwa endete es in einem blutigen Kampf. Der Labrador hatte genug, konnte nicht entkommen, drehte sich deshalb um und biss den Schäferhund in die Kehle. Ein Einzelfall – trotzdem ist zwanghaftes Aufreiten für Hunde und ihre Besitzer stressig und gefährlich.