Im Mai und Juni wächst es wie wild auf der Wiese. In dieser Zeit sind die Kaninchenbestände aber nicht so weit, den riesigen Futterberg abzuräumen. Die Jungtiere erhalten meist nur wenig Grünfutter – im Auslaufgehege oder im Stall. Eine gute Grünlandbewirtschaftung besteht darin, dass Kleintierhalter beste Verhältnisse für Pflanzen und Tiere schaffen. Wie ist das möglich?  

In der Schweiz folgt auf eine wüchsige Periode der Wiesen- und Weidenpflanzen im Frühling eine Depression im Sommer, verursacht durch hohe Temperaturen und ungenügende Niederschläge. Eine weitere, wüchsige Periode folgt im Spätsommer oder Frühherbst. Je nach Düngung, Pflanzenzusammensetzung, Schnittzeitpunkt und Höhenlage über Meer kann mit einem Ertrag von einem halben Kilo Dürrfutter pro Jahr und pro Quadratmeter gerechnet werden. Das scheint auf den ersten Blick sehr wenig. Doch wer erntet nur auf einem Quadratmeter?

Wenig gedüngte Weiden und Wiesen eignen sich hervorragend für Kleintiere. Magerwiesen beispielsweise bringen – ausser gutem Gras – auch ein sehr gutes Dürrfutter für Kaninchen hervor. Häufig werden solche Wiesen von Margeritenbeständen geprägt; sie zeigen an, dass hier nicht gedüngt wird.

Bei der natürlichen Weidehaltung gibt es die verschiedensten Strategien: Von wenigen Minuten Auslauf pro Tag bis hin zur Tages- oder gar Standweide. Die Weidezeiten bestimmen so auch die Stallfütterung. Junges Gras ist sehr eiweisshaltig und müsste entsprechend mit rohfaserhaltigen Komponenten ergänzt werden wie etwa mit gutem Heu oder Stroh. Bleiben die Tiere immer im Gehege, so ist ein guter Zaun ein Muss; er hält Ausbrecher und Eindringlinge von ihren Vorhaben ab.

In ihrem Auslauf bauen sich Kaninchen gern unterirdische Wohnungen
Kaninchen, die sich immer auf der gleichen Fläche herumtummeln, verändern den Bestand. Es gibt Gräserarten, die ihre Wachstumsreserven nicht nur in den Wurzeln speichern, sondern auch an der Halmbasis. Diese werden durch ständiges Beweiden so geschwächt, dass sie eingehen. Deshalb wird empfohlen, beim Weiden alle sechs bis acht Tage eine Ruhepause von vier Tagen einzuschalten. Eine weitere Parzelle sollte also zur Verfügung stehen.

Jede abgestorbene Pflanze, egal ob Gräser, Kleearten oder Kräuter, schafft eine Lücke, die sogleich von einer anderen Art beansprucht wird. Dramatisch ist es, wenn solche Lücken von giftigen Pflanzen wie etwa dem Jakobskreuzkraut besetzt werden.

Eine Beweidungsruhe kann auch dazu genutzt werden, allfällige Ausbesserungen an den Grabarbeiten der Kaninchen vorzunehmen. Die Eigenart der Langohren ist es, Weiden oder auch Wiesen nicht nur als Tummel- und Futterplatz zu benutzen, sondern sich tüchtig mit Graben zu beschäftigen. Dieses Verhalten ist zu akzeptieren und kann nicht verhindert werden. Kaninchen planen und wissen sehr schnell, wie eine unterirdische Wohnung einzurichten ist.

Auch Gruppen dürfen zusammengesetzt werden; dabei ist auf die Charaktere Rücksicht zu nehmen. Täuscht sich ein Halter bei der Bestimmung der Geschlechter, kann es auch vorkommen, dass Gänge als Aufzuchtort für weiteren ungeplanten Nachwuchs benutzt werden, und der Züchter plötzlich von seinem nicht geplanten Glück überrascht wird.

Es empfiehlt sich, sichtbare Pflanzenlücken sofort zu übersäen. Dies geschieht am besten im Frühling oder Spätsommer. Wenn nicht eigens dafür bestimmte Saatmischungen für Kleintierweiden gefunden werden, eignen sich auch Grassamenmischungen für Pferde. Während Rinder das Gras mit der Zunge abreissen, fressen Pferde ähnlich wie Kaninchen das Grünfutter mit den Zähnen ab. Am sogenannten Wachstumspunkt beginnt das Gras erneut zu wachsen. Diese zentrale Stelle liegt tief am Stängel, wo die Grashalme herauswachsen. Ist dieser abgefressen, wächst das Gras verzögert nach.

Auf einer optimalen Wiese wachsen viele verschiedene Kräuter und Gräser
Bei einer guten Wiesensaatmischung für Kleintiere liegt der Wachstumspunkt der einzelnen Gräser tief am Boden, damit das Gras wieder erneut bestocken (mehr Triebe ausbilden) und nachwachsen kann.

Auf dem Markt werden auch mehrjährige mineralstoffreiche Kräuter- und Klee-Grasmischung für Kaninchenwiesen angeboten. Das nachfolgende Beispiel zeigt, wie vielfältig eine solche Saat zusammengesetzt ist: Über 50 Prozent sind Kräuterarten wie etwa Basilikum, Borretsch, Dill, Kamille, Kümmel, Liebstöckel, Majoran, Gemeiner Pastinak, Petersilie, Ringelblume, Salbei, Schafgarbe, Sellerie, Spitzwegerich, Thymian, Kleiner Wiesenknopf und Wilde Möhre. Etwa ein Drittel sind Kleearten wie Luzerne, Esparsette, Bockshorn-, Horn-, Inkarnat-, Perser-, ­Rot-, Schweden- und Weissklee. Mit etwas über 10 Prozent sind Gräser wie Weidelgras, Goldhafer, Lieschgras, Rot- und Wiesenschwingel zugemischt. In geringen Mengen sind noch Blattstammkohl und Winterraps enthalten.

Diese Mischung zeigt auch auf, welche Pflanzenarten überhaupt in der Kaninchenfütterung eingesetzt werden können. Die breite Palette belegt die grosse Vorliebe der Kaninchen für Kräuter. Diese sind zwar mineralstoffreicher als Gräser, dafür fehlt die für eine optimale Verdauung geschätzte Rohfaser. Kleearten zeichnen sich immer durch einen sehr hohen Eiweissgehalt aus. Es lohnt sich, die Weide etwas genauer zu betrachten und sich Fragen zu stellen. Gibt es noch Klee- und Kräuterarten oder haben die Gräser überhandgenommen? Wie ist die Grasnarbe? Wie hoch ist der Grad der Verunkrautung?

Bei Zäunen gilt es darauf zu achten, dass Kaninchen nicht verletzt werden können
Das Mähen für Dürrfuttergewinnung in Abwechslung mit Weiden ist das Beste für eine bestehende, langjährige Nutzung einer Kleintierweide. Eine Stickstoffdüngung fördert die Gräser- und hemmt die Kleearten in der Entwicklung. Unkräuter müssen sogleich per Hand entfernt werden und dürfen niemals absamen können. Von einem Chemieeinsatz in einer Kleintierweide ist eher abzuraten, da sich wieder Lücken bilden, auf denen sich verschiedenste andere Pflanzen auszubreiten versuchen. Es darf im Herbst auch Mist auf der Weide verteilt werden.

Zäune müssen regelmässig überprüft werden. Herausstehende Drahtteile können bei den Tieren zu Verletzungen führen. Manchmal kommt es sogar vor, dass Narben bleiben und die wertvollen Zuchttiere im Herbst und Winter nicht mehr ausgestellt werden können.