Am Grünfutter scheiden sich die Geister; der eine Züchter schwört auf die gesundheitsfördernde Wirkung von frischen Kräutern, der andere winkt ab aus Angst vor Durchfall und Trommelsucht. So wird oft bei Verdauungsproblemen als Erstes das Grünfutter weggelassen. Doch gerade in dieser Situation könnten gut gewählte Kräuter schnelle und zuverlässige Hilfe bieten.

Kaninchen sind Pflanzenfresser mit einer Vorliebe für blattreiches, gehaltvolles Grün, benötigen aber gleichzeitig genügend Rohfasern, damit der Nahrungsbrei problemlos durch den Darm transportiert wird. Ähnlich wie bei Wiederkäuern übernehmen Mikroorganismen das Aufschliessen der schwer verdaulichen Pflanzennahrung. Bei Wiederkäuern geschieht dies im Pansen, bei Kaninchen im Blinddarm. Dieser Darmabschnitt fasst zehnmal so viel wie der Magen; vierzig Prozent des gesamten Verdauungstraktes gehen auf sein Konto. Damit ist der Blinddarm des Kaninchens, bezogen auf die Körpergrösse, der grösste im ganzen Tierreich. Die Blinddarmflora ist einzigartig und lässt sich mit keinem anderen Pflanzenfresser unter unseren Haus- und Heimtieren vergleichen.

Die körpereigene Darmflora kann weit mehr als nur bei der Verdauung helfen
Was steckt dahinter, dass die einen Kaninchen problemlos Grünzeug futtern können, während andere davon Durchfall bekommen? Die Zusammensetzung der Blinddarmflora hängt von der Nahrung ab. Frisst das Langohr regelmässig frisches Gras, überwiegen andere Mikroorganismen, als wenn es nur Pellets gibt. Das ist der Grund, weshalb abrupte Nahrungsumstellungen zu Problemen führen können; die neue Nahrung kann nicht richtig aufgeschlossen werden, weil die dafür zuständigen kleinen Helfer nicht in genügender Zahl vorhanden sind. Gibt man dem Organismus aber Zeit, sich langsam auf die neue Kost einzustellen, wird Grünfutter problemlos verdaut.

Eine gute Darmflora ist nicht nur für die Verdauung wichtig, sondern auch für das Immunsystem. Ein bedeutender Teil davon ist im Darm lokalisiert. Doch neueste Studien zeigen gar, dass die Darmflora das Immunsystem im gesamten Organismus stimulieren kann. Die Bakterien sind nämlich in der Lage, bestimmten Zellen des Immunsystems, den dendritischen Zellen, Signale zu senden. Die dendritischen Zellen bilden ein Netz in allen Körpergeweben, die Kontakt mit der Umwelt haben. Sie sind die erste Verteidigungslinie des Körpers, packen Eindringlinge und präsentieren sie im nächsten Lymphknoten den T-Zellen, damit diese nun den Feind erkennen und spezifisch gegen ihn vorgehen können.

Doch der Einfluss der Darmbakterien geht noch weiter. Ihre Zusammensetzung wirkt sich sogar auf das Verhalten des Tieres aus. Versuche mit Mäusen haben gezeigt, dass Individuen mit gesunder Darmflora in Gefahrensituationen weniger Stresshormone freisetzten und dadurch ruhiger blieben als die Tiere der Kontrollgruppe. Man darf gespannt sein, welche Geheimnisse rund um die Darmflora die Forschung noch aufdeckt. Jedenfalls lohnt es sich, dieser Bakteriengesellschaft Sorge zu tragen, denn sie sind nicht nur für das Einzeltier wichtig, sondern für den gesamten Zuchtbestand. Denn Zibben geben ihre Darmbakterien an die Jungen weiter.

Verschiedene Kräuter stärken die Darmbakterien und das Immunsystem
Eine gute Darmflora basiert auf einer gesunden Ernährung. Dazu gehört im Fall der Kaninchen täglich eine gute Portion Frischfutter als Ergänzung zum Kraftfutter. Gerade in Problembeständen können ausgesuchte Kräuter zur Gesundung der Tiere beitragen, denn viele Futterpflanzen sind gleichzeitig Heilpflanzen. Sie sind auch für Jungtiere geeignet und verhelfen ihnen zu einer robusteren Gesundheit. Sobald die Kleinen aus dem Nest kommen, dürfen sie an Spitzwegerich, Nelkenwurz, Melisse, Dost, Brombeerblättern und Weidenzweigen naschen. Diese Pflanzen enthalten Gerbstoffe, die den Verdauungstrakt stärken, und verdauungsanregende Bitterstoffe. Wichtig für die Jungen ist auch die tägliche Handvoll Heu. So sind keine Verdauungsprobleme zu befürchten. Langsam kann die Menge des Grünfutters gesteigert werden. Löwenzahn kann als Nächstes zum Futter dazugenommen werden. Er enthält Bitterstoffe, ist verdauungsanregend und leberstärkend.

Auch kranke Tiere, sogar mit Durchfall und Blähungen, profitieren von Kräutern. Bei Kaninchen hat sich in dieser Situation der Beifuss oder Wilde Wermut (Artemisia vulgaris) bewährt. Sein breites Spektrum an Inhaltsstoffen verschafft dem Tier rasch Linderung und normalisiert auf längere Sicht das Geschehen im Darm. Die wichtige Darmflora wird geschont, unerwünschten Darmbewohnern aber das Leben schwer gemacht. Eine etwas schwächere Wirkung hat die Schafgarbe (Achillea millefolium). Auch sie ist ein aromatisches Bittermittel, regt die Verdauung an und wirkt Entzündungen entgegen. Blähungshemmend sind auch Fenchel-, Anis- oder Kümmelsamen, von denen man eine Prise übers Futter streuen kann. Melisse (Melissa officinalis) hilft ebenfalls bei Verdauungsproblemen. Sie lindert Krämpfe und beruhigt. Gegen Schmerzen helfen auch ein paar Blättchen Gänsefingerkraut (Potentilla anserina) oder ein Weidenzweiglein. Ergänzt wird die Behandlung durch Nelkenwurz (Geum urbanum), die Kokzidien entgegenwirkt, den Kreislauf stärkt und die Verdauung wieder ins Lot bringt.

Bei starkem Durchfall ist Eiche angebracht, am besten junge Zweige. Ihre Rinde ist besonders reich an Gerbstoff, der Durchfall rasch stoppt. Kaninchen sind im Allgemeinen gute Patienten und fressen die gereichten Heilpflanzen problemlos. Für bereits geschwächte Tiere kann es jedoch nötig sein, einen Tee zu brauen. Im Fall von Eichenrinde ist eine Kochzeit von rund 20 Minuten nötig, um die Gerbstoffe herauszulösen.

Fütterungsplan für Junge mit Verdauungsproblemen

Alle Kaninchen im betroffenen Bestand erhalten ein- bis zweimal pro Woche ein Blatt Nelkenwurz. Während der Tragzeit gibt man den Zibben täglich ein bisschen Grünfutter wie Löwenzahn, Spitzwegerich, Breitwegerich, Dost, Haselzweige. Auch nach der Geburt fährt man damit weiter.

Sobald die Jungen aus dem Nest kommen und mitfressen, reicht man täglich etwas Grünfutter in Form von Spitz- und Breitwegerich, Dost, Hasel- und Weidenzweigen, Birkenzweigen, Nelkenwurz, Johanniskraut, Gänseblümchen, Echtem Eibisch. Die letzten vier sind in Problembeständen besonders wichtig. Eibisch gibt es in Drogerien zu kaufen. Davon streut man etwa einen Esslöffel pro Kaninchenfamilie übers Futter. Eibisch kann aber auch im Garten angepflanzt werden, sodass man ihn frisch zur Verfügung hat.

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