Alte Landwirtschaftsbücher wälzen ist unterhaltsam und lehrreich. Sie zeigen uns, wie Landwirtschaft vor 100 Jahren betrieben wurde, aber auch, wie man schwierige Zeiten überstehen kann. Der Sommer 2018 gehört zweifellos zu den schwierigen Zeiten, denn Hitze und Trockenheit verminderten die Heuernte dramatisch. Was raten also die alten Bücher, wenn der Heustock nur mager gefüllt ist? 

Um das Wiesenheu zu strecken, setzte man früher auf Laubheu. Das Sammeln von Futter­laub dürfte dabei bis in die Steinzeit zurückgehen. Später pflanzten die Bauern Bäume, die einzig der Gewinnung von Futterlaub dienten. Dazu kam das anfallende Schnittgut von Obstbäumen, wie etwa Wasserreiser. Die jungen Zweige von Obst- und Futterbäumen wurden bündelweise getrocknet. Im Winter erhielten Ziegen und Schafe diese Bündel als Zusatzfutter. Eine andere Art der Laubheugewinnung war, die Blätter abzustreifen und lose auf dem Heustock zu trocknen. Dabei waren die milchfördernden Eschenblätter Ziegen und Kühen vorenthalten, denn «jedes Blättchen gibt einen Tropfen Milch».

Fermentieren verbessert Aroma
Geerntet wurden einjährige Ruten entweder im Frühsommer oder im September. Das Sommerlaub war zwar gehaltreicher als das Herbstlaub, dieses machte das jedoch mit dem grösseren Ertrag wett. Die Herbsternte ist auf jeden Fall schonender für die Bäume. Erntet man gegen Abend, ist der Stärkegehalt höher, die Futterblätter aromatischer. Auf jeden Fall musste das Laub bei der Ernte noch grün sein. Oft wurde auch der Mondstand berücksichtigt: Bei abnehmendem Mond sollten die Blätter beim Trocknen weniger schnell abfallen.

Was man beim Heu nicht besonders schätzt, nämlich Feuchtigkeit, ist beim Fut­terlaub kein Problem – ganz im Gegenteil: Mehrmaliges Befeuchten und Trocknen durch Regen oder Tau sind willkommen, das lässt die Blätter fermentieren, ähnlich wie bei der Herstellung von Schwarztee. Dadurch gewinnen die Blätter an Aroma.  

Frisch geerntete Blätter (Futterlaub) sind überraschend nährstoffreich (siehe Tabelle). Das Bodenlaub enthält nicht mehr so viele Nährstoffe, jedoch wurden früher selbst die Herbstblätter gesammelt und verfüttert. Man liess sie «durch die Raufe gehen», das heisst, man legte sie als Futter vor und verwendete das nicht gefressene als Einstreu. Die Blätter in der Streu verbesserten zusätzlich die Mistqualität. Das war wichtig in einer Zeit, da es noch kaum mineralische Dünger zu kaufen gab. Not macht offensichtlich erfinderisch. 

Kanichen mögen Blätter gern, seien sie frisch, als getrocknetes Laubheu oder gar zusammengerechte Herbstblätter. Man mischt sie unter das Heu, wobei die Langohren meist zuerst die Blätter heraussuchen. Laubheu enthält einiges an Nährstoffen, aber auch an sekundären Pflanzenstoffen, die direkt auf die Gesundheit der Tiere wirken. So hemmen Edelkastanienblätter Bakterien, stärken das Lymphsystem und stoppen Durchfall. Sie verhelfen den Kaninchen zu einer gesunden Darmflora. Rebenblätter wirken kühlend bei fieberhaften Erkrankungen und Entzündungen. Esche und Birke sind gesund für die Nieren, harntreibend und entgiftend. Die Birke regt darüber hinaus den Stoffwechsel und das Immunsystem an. 

Ein Näschen für Heilkräuter
Haselblätter stärken das Lungengewebe. Rotbuche kühlt bei fieberhaften Erkrankungen, spült die Harnwege durch und vermindert so die Gefahr von Nierengriess. Erle stoppt den Durchfall und stärkt den Magen-Darm-Trakt. Pappel- und Weidenblätter sind bei Kaninchen besonders beliebt; sie regen Niere und Blase an, wirken auch fiebersenkend, schmerzlindernd und entzündungshemmend. Lindenblätter hingegen sind auf der Beliebtheitsskala eher gegen Schluss zu finden. Dennoch lohnt es sich, ein paar Blätter der Mischung beizufügen, denn sie wirken beruhigend und krampflösend. Bei Bedarf werden sie gefressen, denn Kaninchen haben noch ein gutes Gespür für Heilkräuter. 

Auch Weissbuche ist nicht besonders beliebt, sollte aber nicht fehlen, denn sie hat eine Schutzwirkung auf die oberen Atemwege, beugt damit Schnupfen vor und ist darüber hinaus fruchtbarkeitsfördernd für Häsinnen. Eichenblätter hemmen Durchfall und lindern Entzündungen des Verdauungstraktes. Weissdornblätter sind herzstärkend. Wer eine Olive als Kübelpflanze hat, kann auch ihr ein paar Blätter abzupfen, denn diese stärken ältere Tiere und haben ebenfalls einen günstigen Einfluss auf Herz und Kreislauf.

Eine Besonderheit sind die Walnussblätter. Es lohnt sich, davon einen separaten Vorrat anzulegen, denn Walnuss hilft nicht nur bei Verdauungsstörungen mit Blähungen und Durchfall, sondern ist eine gute Einstreu für Kaninchen mit Neigung zu wunden Läufen. Als wichtiges Hautmittel hilft die Walnuss bei Ekzemen, Entzündungen und Geschwüren. Über die Stroheinstreu gibt man eine Schicht Walnussblätter, die mit ihren Wirkstoffen die empfindlichen Hinterläufe schützen. Bei bereits offenen Stellen ergänzt die Blattstreu die konventionelle Behandlung. Eine Einschränkung gibt es jedoch: Walnussblätter färben stark, sie sind für helle Ausstellungs­tiere also nicht geeignet.