Wenn Minusch damit beginnt, hektisch ihre Hand abzulecken weiss Ursula Vogt: Jetzt wirds gefährlich. Dann versteckt die Katzenfreundin aus Aarau rasch ihre Hände unter dem Pulli, bevor die ansonsten so liebe und brave Katze heftig zubeisst. «Sie steigert sich jeweils richtig in etwas hinein, beisst und rennt weg», erzählt Vogt. Arme und Hände in Sicherheit bringen muss auch Pascal Läubler aus Zürich. Seine Katze sucht regelmässig nahen Körperkontakt, indem sie sich auf seine Brust kuschelt, um ihm dann wie aus dem Nichts Arme oder Hände blutig zu beissen. «Die bringt mich noch ins Grab», sagt Läubler über seine geliebe Katze –und meint seine drastische Aussage durchaus ernst. Bereits einmal hat sich ein Biss entzündet – glücklicherweise ohne dramatischere Folgen. 

Sobald die Katze sich selber oder ihr Umfeld mit ihrem Verhalten gefährdet, sollte eine Tierärztin oder Verhaltensexpertin kontaktiert werden, rät Maya Bräm, Tierärztin und Verhaltensmedizinerin am Tierspital der Universität Zürich. In weniger drastischen Fällen könne zudem das Führen eines stichwortartigen Tagebuchs helfen, mögliche Auslöser und Muster zu identifizieren. Ein solches Tagebuch kann auch dazu genutzt werden, einen doch noch herbeigezogenen Spezialisten bei der Spurensuche zu unterstützen.

Tritt ein Verhaltensproblem plötzlich, unregelmässig oder ohne einen offensichtlichen Grund auf, sollte ein Tierarzt abklären, ob ein körperliches Problem vorliegt. Beisst eine Katze regelmässig bei bestimmten Berührungen ihrer Menschen zu, sind Schmerzen an dieser Stelle wahrscheinlich. 

Konnte bei der klinischen Untersuchung hingegen keine körperliche Ursache festgestellt werden oder dauert das Verhaltensproblem trotz erfolgter Behandlung fort, geht auch die Suche nach möglichen Auslösern für die Beissattacken weiter. Gemäss Bräm können unterfüllte Grundbedürfnisse (Hunger, Durst, Rückzugsmöglichkeiten) oder zu viel oder zu wenig Reize bei der Katze Stress auslösen und zu Aggressivität führen. Weitere mögliche Stressoren sind Veränderungen wie ein Umzug, Familienzuwachs oder der Einzug einer Zweitkatze. 

Erlerntes Fehlverhalten
Als weitere mögliche und häufige Ursache nennt die Verhaltensexpertin Kommunikationsprobleme zwischen Mensch und Tier. Gemäss Bräm erkennt der Mensch womöglich die feinen Signale nicht, mit denen die Katze anzeigt, dass sie nicht mehr gestreichelt werden will. Oder aber es stimmt genau das Gegenteil, nämlich dass die Katze vom Aufhören des Streichelns frustriert ist und gerne mehr davon gehabt hätte. Möglich sei auch, dass die Katze von Anfang an nicht gestreichelt werden wollte, sondern einfach den Körperkontakt suchte, was der Mensch wiederum falsch interpretierte. 

Einige Katzen hätten zudem schlicht nie gelernt, «richtig zu kommunizieren», hält die Verhaltensexpertin weiter fest. Möglicherweise handle es sich bei den Beissattacken auch um ein erlerntes Verhalten. Nicht zuletzt könnten die Bisse im Zusammenhang mit sogenannten «umgeleiteten Aggressionen» auftreten. Dabei wird die betreffende Katze durch einen anderen Reiz – etwa eine Zweitkatze – irritiert und richtet die Aggression quasi irrtümlich gegen ihren Besitzer. Je nachdem wie häufig die Attacken vorkommen und wie sich die Katze verhält, kann gemäss Bräm auch ein psychisches Problem vorliegen.

Den eingangs erwähnten geplagten Katzenbesitzern rät Bräm, einmal früher als gewohnt mit dem Streicheln aufzuhören und zu schauen, wie die Katze darauf reagiere. Der Weg zum Verhaltensspezialisten scheint aber unvermeidbar. Schliesslich gehören Katzenbisse zu den gefährlichsten Bissen überhaupt.