Eigentlich sollte der grüngelbe Wellensittich in sicherer Höhe sitzen und die Katze argwöhnisch beäugen. Stattdessen hüpft er auf dem grau getigerten Büsi herum, das verschlafen auf einem Tisch liegt und den flauschigen Bauch in die Luft streckt. Zwei Minuten dauert das Video auf der Internetplattform Youtube. Zwischendurch nagt der Vogel an den Pfoten der Katze, geht mit seinem Schnäbelchen sogar an ihren Mund. Die Katze blinzelt nur und wälzt sich genüsslich. 100 000 Mal wurde das Video schon angeklickt. 

Ein anderer Kurzfilm hat gar 10 Millionen Aufrufe: Er zeigt die Freundschaft zwischen zwei weissen Ratten und einem roten Kater. Dieser schleckt die Ratten liebevoll ab und lässt sie auf seinem Bauch herumklettern. 

Eine rote Katze und zwei weisse Ratten als beste Freunde:

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Früh übt sich
Videos von solch ungewöhnlichen Freundschaften sind im Internet sehr beliebt. Und sie entfachen den Wunsch, dass sich die eigenen Haustiere miteinander anfreunden. Doch ist das nicht wider die Natur? Isabelle Rohner ist ausgebildete Tierpsychologin der Akademie für Tiernaturheilkunde. Sie sagt: «Schädlich sind solche Beziehungen sicher nicht.» Alle Tiere interagierten in irgendeiner Weise mit artfremden Geschöpfen. «In freier Wildbahn gibt es Eisbären und Huskys, die miteinander befreundet sind. Auch Jaguare und Affenbabys wurden schon zusammen beobachtet.» Wissenschaftler konnten den Grund dafür noch nicht erklären. Voraussetzung für eine solche Beziehung sei eine «gewisse Sympathie und Zuneigung» von beiden Seiten, zumindest aber ein Interesse am Gegenüber, sagt Rohner. 

Katzen und Vögel – das scheint manchmal tatsächlich zu funktionieren:

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Auch Katrin Schuster ist Tierpsychologin. Sie hat schon eine Katze und einen Chinchilla erlebt, «die zusammen grossen Spass hatten». Sie sagt, am besten funktioniere das Anfreunden mit Jungtieren. «Wachsen junge Katzen mit Mäusen oder Vögeln auf, können sich Freundschaften entwickeln.» Auch Mutterkatzen würden andere junge Tiere oft ohne Probleme mit ihrem eigenen Nachwuchs aufziehen – seien es Eichhörnchen, Mäuse oder Ratten. Aber: «Sind die Katzen bereits erfahrene Jäger, rate ich davon ab. Das wäre für das Kleintier zu gefährlich.» Aus diesem Grund eigneten sich Katzen besser, die nicht sehr verspielt, sondern eher träge seien. «Das kann bei den Rassen Ragdoll und Perser der Fall sein», sagt Schuster. 

Gewöhnt man die Tiere früh aneinander, sind die Chancen am grössten, dass es klappt:

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Nachhelfen, auch bei erwachsenen Tieren, kann der Mensch durch die sogenannte klassische Konditionierung. «Dabei belohnt der Katzenhalter wünschenswertes Verhalten und ignoriert solches, das er nicht fördern möchte», erklärt Rohner. Bestraft wird nicht. Zur Belohnung füttert man die Katze mit einem Leckerli, spielt mit ihr oder streichelt sie. Weil sie erneut belohnt werden möchte, wird sie das gewünschte Verhalten wiederholen. Die Trainingseinheiten sollten besonders am Anfang nur wenige Minuten dauern. Hilfreich ist ein sogenannter Klicker. Das ist ein kleines Gerät, das ein Geräusch macht, wenn man daraufdrückt. Damit markiert der Katzenhalter ein erwünschtes Verhalten der Katze, bevor er sie belohnt. So lernt das Tier genau, welches Verhalten zu einem Leckerli oder einer Streicheleinheit führt. 

«Du riechst nach Familie»
Schuster rät, das Klickertraining mit dem Austausch von Gerüchen zu ergänzen. «Dazu kann man die Tiere zum Beispiel abwechselnd streicheln, sodass der Geruch des anderen Tieres noch an den Händen haftet.» Man könne auch Streu oder Sand des Kleintieres ins Katzenklo geben oder benutzte Utensilien wie Spielsachen austauschen. Vermischen sich die Gerüche, entsteht ein Gruppengeruch. «Daran können sich Katzen orientieren. Alles, was so riecht, gehört für sie zur Familie oder zum Inventar», sagt Schuster. Ziel ist, dass die Katze das Kleintier als Mitglied der Gruppe akzeptiert.

Hat die Katze einmal gelernt, den Vogel oder die Maus nicht anzugreifen, kann man ihr auch beibringen, mit dem Mitbewohner zu spielen. Rohner sagt: «Miteinander schmusen zu lernen, sollte man aber den Tieren überlassen. Das hat sehr viel mit Vertrauen und dem Überwinden von Distanz zu tun.» 

Schuster warnt zudem: «Ausserhalb des Trainings sollten die Katzen keinen Sichtkontakt zu den Kleintieren haben.» Denn dann könnten sie dem «Fernsehen frönen» und damit Lust aufs Jagen kriegen. Weil dies tief in der Katze verankert ist, sei es auch hilfreich, wenn das Kleintier eher neugierig sei und keine Angst vor der Katze habe. «Verstecken sich Mäuse oder Hamster in Schlupflöchern oder flitzen davon, weckt dies das Jagdverhalten», sagt Schuster. «Dem Kleintier solche Verstecke zu verwehren, könnte aber zu starkem Stress führen.» 

Nie ohne Schiedsrichter
Wichtig ist auch, dass die Freundschaft von beiden Seiten ausgeht: «Oft sehe ich Videos, in denen die Katzen sehr irritiert sind über das aufdringliche, freche Verhalten der Kleintiere», sagt Schuster. «Nur, weil sich die Tiere nicht verletzen und die Nähe des anderen tolerieren, ist das noch keine Freundschaft.» Diese entstehe erst dann, wenn beide Tiere den Kontakt zueinander suchen, ihr Verhalten dem Gegenüber anpassen und auch Konflikte lösen können. Schuster: «Wird die Katze zum Beispiel mal zu grob, kann die Maus quieken oder zwicken. Vögel schimpfen in der Regel lautstark oder picken.» Akzeptiert die Katze das und nimmt sich daraufhin zurück, sei das ein gutes Zeichen. Genauso sollten aber auch Maus oder Vogel ihr Verhalten ändern, wenn es der Katze zu viel wird. Gleiches gilt übrigens bei der Zusammenführung von Katze und Hund, bei der die Katze das Beutetier ist.

Eine absolute Sicherheit gibt es aber nie. Schuster: «Es bleibt ein Spiel mit dem Feuer.» Deshalb sollte der Kontakt zwischen den Tieren über Monate, vielleicht sogar für immer, nur unter Aufsicht stattfinden. So kann der Mensch als Schiedsrichter eingreifen, sollte ein freundliches Spiel doch noch kippen.