Es ist zum Verzweifeln, an immer neuen Orten im Haus entdeckt Marianne Kocher Spritzspuren ihres Katers – kaum hat sie die an der Tür zum Garten weggeputzt, sieht sie eine neue kleine Pfütze neben dem Abfalleimer im Büro. Und sie weiss, dass er und nicht die andere Katze der Grüsel ist, sie hat ihn schon auf frischer Tat ertappt. Was sie hingegen nicht weiss, ist, was sie dagegen tun kann. Schimpfen bringt nichts, das hat sie schon versucht. Zudem tat es ihr nachher leid. 

Denn der Kater ist ohnehin – im Gegensatz zu seiner äusserst selbstbewusst auftretenden kätzischen Mitbewohnerin – ein Sensibelchen. Alles Ungewohnte erschreckt ihn, laute Geräusche sowieso, aber auch Besuch. Dann verkriecht er sich irgendwo und taucht erst wieder auf, wenn die Fremden gegangen sind. Oft findet Kocher später eine neue Markierung in der Wohnung.

Grundsätzlich könne man davon ausgehen, dass eine Katze, die in der Wohnung markiert, verunsichert sei, sagt die Zoologin und Tierpsychologin Eva Waiblinger. So weit, so einfach. Schwierig ist hingegen, die Ursache dieser Verunsicherung herauszufinden. «Weil die sehr individuell ist.»

Ein Ereignis, wie etwa ein neues Familienmitglied, ein neues Möbel, ein Umbau oder eine Züglete könne das Fehlverhalten ausgelöst haben. Oder aber die Katze fühlt sich generell unwohl – vielleicht lebt sie in einem Haushalt mit Kindern und hat zu wenig Ruhe, eventuell fühlt sie sich durch einen despotischen Artgenossen im gleichen Haushalt bedroht. «Es gibt viele mögliche Gründe», sagt die Tierpsychologin. Dementsprechend gibt es auch kein allgemeingültiges Rezept gegen das unliebsame Markieren. Kann der Tierarzt ein organisches Leiden – beispielsweise eine chronische Blasenentzündung – ausschliessen, ist eine Analyse der Lebensumstände der Katze unumgänglich.

Wichtig sind Rückzugsorte, wo sich die Katze entspannen kann
In ihrer tierpsychologischen Beratungspraxis, sagt Waiblinger, sei Unsauberkeit und Markieren im Haus das von Katzenhaltern am häufigsten angesprochene Problem. «Leider warten sie oft zu lange, bis sie es angehen.» Denn je länger es andauere, desto schwieriger gestalte sich die Suche nach der Ursache. Kaum jemand könne sich dann noch erinnern, wann es angefangen hat, auf welches Ereignis es zurückzuführen ist. «Zudem kann sich dieses Verhalten selber weiterentwickeln, spritzt die Katze zu Beginn noch an wenigen Stellen, kommt mit der Zeit diese und jene dazu.» Und dann sähen manche Halter nur noch einen Ausweg: «Sie wollen die Katze weggeben.» Das hingegen will die Tierpsychologin unbedingt verhindern, denn eine Lösung gibt es ihrer Meinung nach immer.

Es gebe Fälle, in denen schon nach dem Erstgespräch am Telefon eine Besserung eintrete, bei anderen ist zur genaueren Beurteilung der Situation ein Hausbesuch notwendig. «Wichtig ist, dass der Katzenhalter seinem Tier genügend Rückzugsorte zur Verfügung stellt, wo es sich sicher fühlt und entspannen kann.» Idealerweise mit Sichtschutz und wenn möglich auch solche, die in der Höhe gelegen sind. Auf dem Kleiderkasten beispielsweise oder in einem Regal. Mit einer Familie habe sie einmal vereinbart, dass die Kinder die Katze zu festgelegten Zeiten absolut in Ruhe lassen. Das habe genützt. «Wenn man dem Tier den Druck wegnehmen kann, hilft das meistens.» Das gleiche Prinzip gilt, wenn eine andere Katze im Haushalt der Grund für das Unwohlsein ist.

Mittel zur Beruhigung der Katze hält auch der Markt bereit. Für die Tierpsychologin ersetzen diese jedoch nicht die anderen Massnahmen. «Sie können allenfalls unterstützend wirken.» Wenn sie denn wirken. Denn bei einigen, wie den Sprays und Steckern mit dem künstlich hergestellten Gesichtspheromon der Katzen – auch Wohlfühlpheromon genannt – sei die wissenschaftliche Beweislage nicht befriedigend, sagt Waiblinger. Das Gleiche gilt für Bachblütenmischungen und andere alternative Heilmethoden. Belegt sei hingegen die beruhigende Wirkung von Zylkene, einem aus Milcheiweiss gewonnenen Pulver, das als Nahrungsmittelzusatz verwendet wird. «Damit hat man auch in der Humanpsychiatrie gute Erfahrungen gemacht.»

Adressen tierpsychologischer Beratungsstellen:
Berufsverband der diplomierten tierpsychologischen BeraterInnen I.E.T.

Schweizerische tierärztliche Vereinigung für Verhaltensmedizin