Es geht hier zwar spielerisch zu, hat aber einen ernsthaften Hintergrund: Im Katzenkindergarten lernen Jungtiere, was später für das Leben wichtig ist. Als Tierärztin erlebt Sabine Schroll in ihrer Praxis im österreichischen Krems oft genug unkooperative, verängstigte oder aggressive Tiere – und dementsprechend entnervte und hilflose Besitzer. 

Dass das nicht sein muss, hat sie mit ihrem eigenen Kater erlebt. «Skyboy» erkrankte im Alter von acht Monaten an einem malignen Lymphom (Lymphdrüsenkrebs). Glücklicherweise hatte die Katze zu diesem Zeitpunkt bereits den Katzenkindergarten durchlaufen. «Er hatte ein extrem grosses Repertoire an Begriffen, Wörtern, Handlungen und Übungen sowie eine grosse Toleranz gegenüber Manipulationen gelernt», erinnert sich Schroll: «Das war bei seiner Therapie äusserst hilfreich.»

Die österreichische Verhaltensmedizinerin, Katzenexpertin und Autorin zahlreicher Katzenbücher hat vor vier Jahren das Konzept für ihren Katzenkindergarten entwickelt. Dabei lernen Jungkatzen (und ihre Besitzer) was im späteren Katzenleben einmal von Bedeutung sein kann – wie etwa Verhaltensweisen, die für eine Untersuchung und Behandlung beim Tierarzt unerlässlich sind. «Erziehung soll einer Katze die Möglichkeit geben, mit den menschlichen Forderungen und Ansprüchen des Alltags, der Pflege, Fürsorge und medizinischen Versorgung umzugehen», sagt Schroll über ihr Konzept und betont, dass sie mit Erziehung keinen uneingeschränkten Gehorsam meint, sondern vielmehr «Lernen und Lehren, Informationsvermittlung und Sicherheit». Gerade in den ersten Lebenswochen lernten Katzen extrem leicht und schnell. Diese Zeit gelte es für das Training auszunutzen. 

Was die Tierärztin in ihrer Praxis für Jungkatzengruppen anbietet, können Tierhalter auch zu Hause üben. Es erfordert, anders als vielleicht befürchtet, «nicht mehr Zeit, als man ohnehin aufwendet, um sich mit dem Tier zu beschäftigen. Denn die Übungen werden selbstverständlich in den Alltag eingebaut.» 

Drei Target-Übungen als Grundlage
Trainiert wird beispielsweise, dass die Katze problemlos und ohne Stress in eine Transportbox steigt. Sich kämmen und bürsten oder einfach gründlich betrachten lassen gehört ebenso zum Übungsprogramm wie die Verabreichung von Medikamenten. 

Die Grundlage für das Training bilden drei Target-Übungen und zwar Nasentarget, Pfotentarget und Sitzplatztarget. Ein Target ist dabei ein Zielpunkt, den das Tier mit der Nase oder der Pfote berühren soll und dafür sofort mit einem Click und einer Leckerei belohnt wird. Sie nutze diese drei Target-Übungen, weil «sie so universell sind und Katzen sehr schnell generalisieren», erklärt Schroll: «Wenn die Katze das Prinzip einmal verstanden hat, versteht sie es auch in anderen Zusammenhängen an anderen Orten.» So wird die Katze einen ausgestreckten Finger mit der Nase oder die Handfläche mit der Pfote berühren – das kann der Mensch dazu nutzen, die Katze auf einen bestimmten Weg oder an einen Ort zu lenken.

Die dritte Target-Übung (Sitzplatztarget) baut darauf, dass Katzen gerne Schachteln oder Kartons oder andere definierte Unterlagen wie eine Zeitung oder eine Decke betreten. Mit Belohnung und Click verknüpft, wird der Karton zur «Wunschkiste». Hier werden bei «Sitzen» und «Warten» Wünsche erfüllt. Lernen passiert hier quasi als Nebeneffekt – spielerisch und angstfrei.

Hat die Katze die Grundübungen einmal erlickt, kann darauf aufgebaut werden. Ein sinnvolles Lernspiel ist beispielsweise die sogenannte Startbox: Wie Rennpferde vor dem Start lernen die jungen Katzen, die Transportbox als Auftakt für ein spannendes, vorbereitetes Spiel zu begreifen – und später ebenso entspannt in den Korb zu steigen, wenn es zum Tierarzt geht. 

Eine weitere wichtige Übung sei das «begrenzte Sitzen», sagt Schroll. Dieses könne später als Grundposition für jede Art von Untersuchung oder Behandlung genutzt werden. Dabei wird das Tier durch die Hände, eine Handtuchrolle oder die Umgebung begrenzt, aber nicht fixiert. Beispielsweise kann die Katze je durch eine Hand am Rücken (wenig oberhalb des Schwanzes) und an der Brust begrenzt werden. Das ist eine gute Ausgangsposition, um etwa die Zähne zu kontrollieren, Augentropfen oder Tabletten zu geben. 

Immer dasselbe Prinzip
Nicht zuletzt das Verabreichen von Tabletten versetzt viele Katzenbesitzer in Aufregung – auch weil Medizin für Tiere nur selten schmackhaft ist. Als Grundlage dient das erwähnte begrenzte Sitzen. Dann wird der Kopf von vorne umfasst und so nach hinten gekippt, dass die Nasenlöcher nach oben sehen. Dabei lässt die Kieferspannung nach und man kann einen kleinen Leckerbissen als Dummy-Tablette hineinfallen lassen (später wird hier die richtige Tablette verabreicht), dann das Köpfchen loslassen und umgehend einen weiteren Leckerbissen als Belohnung nachschieben. «Je nach Toleranz der Katze müssen die Teilschritte kleiner gemacht und belohnt werden, aber niemals sollte der Halter mit den Fingern in den Mund greifen», warnt Sabine Schroll. 

Auch das Hochheben ist für viele Katzen keine Selbstverständlichkeit – und sollte früh geübt werden. «Es funktioniert immer nach dem gleichen Prinzip», erklärt die Tierärztin. Die Übung wird in kleine Teilschritte zerlegt, die so aussehen könnten: Die Hand ans Brustbein legen, die Katze so weit hochheben, dass sich der Brustkorb hebt, aber die Pfoten am Boden bleiben, die Katze so weit hochheben, dass sich die Vorderpfoten ein wenig vom Boden abheben – und die Katze schliesslich ganz hochheben. Jeder Schritt wird so oft wiederholt und belohnt, bis die Katze entspannt bleibt. Grundsätzlich kündigt man alle Manipulationen und Handlungen mit einem Wort an – hier etwa «Tragen», oder was immer man sagen möchte. 

Auch wenn die Übungen Katze und Halter etwas Zeit und Geduld abverlangen – früher oder später zahlt sich die Investition aus. Dazu ist auch keine so gravierende Krankheit wie der Lymphdrüsenkrebs von «Skyboy» nötig. Ein ganz normaler Routine-Tierarztbesuch oder die fällige Wurmtablette genügen.