Sie sass neben mir auf dem Sofa und hat auf die Polster uriniert. Obwohl ich dabei war!» Das macht Katzenhalter in der Regel völlig fassungslos. Das geliebte Tier tut etwas, das aus menschlicher Sicht total tabu ist. Ausserdem ist es auch überhaupt nicht mit dem Bild von Katzen in Einklang zu bringen, das wir von diesen Tieren haben. Gerade Büsi gelten als reinliche Tiere, weil sie viel Aufwand mit der Fellpflege betreiben und in der Regel auch ohne grosses Training lernen, zuverlässig ihre Toiletten zu benutzen. Die Diagnose «Protest» ist schnell gestellt, aber leider falsch.

Die Zoologen nennen es anthropomorph, wenn der Mensch den Tieren menschliche Verhaltensweisen unterstellt und ihnen damit meist Unrecht tut. Auch Katzen protestieren nicht gegen ihren Menschen, indem sie urinieren. Denn dazu müssten sie zunächst verstehen, dass für uns Zweibeiner Ausscheidungsverhalten mit vielen Regeln und Tabus belegt ist. Dann müssten sie überlegen, womit sie uns ihren Protest am besten signalisieren können und schliesslich gezielt Sofa oder Bett, Badematten oder Wohnzimmerteppich, Küchenarbeitsplatte oder Wäschekorb benutzen.

Die Liste von Umständen, gegen die Katzen angeblich mit Unsauberkeit «protestieren», ist unendlich lang: neue Partner, Kinder, Umzüge, Katzen, zu viel oder zu wenig menschliche Anwesenheit – eigentlich gibt es nichts, was in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird. Der Zusammenhang mit den genannten Umständen mag stimmen, aber die Katze piselt nicht aus Protest, die Ursachen sind vielmehr in Angst, Stress oder Schmerzen zu suchen. So oder so: Eine Katze deswegen zu bestrafen, ist absolut kontraproduktiv, weil das ihre Angst und somit auch das unerwünschte Verhalten verstärkt.

Katzen zeigen keine Schmerzen
Organische Ursachen spielen bei der Unsauberkeit eine grosse Rolle. Sehr viele Katzen haben im Laufe ihres Lebens mit einer Blasenentzündung zu kämpfen, der sogenannten Zystitis. Sie kann einhergehen mit Harngriess, der sich extrem schmerzhaft bemerkbar macht. Die Tierärzte sprechen von «Feline Lower Urinary Tract Desease» (FLUTD). Da die Tiere Schmerzen meisterlich verbergen – ein Teil ihres wilden Erbes –, bleibt ihr Leiden oft lange unbemerkt. Die Katzen verhalten sich unauffällig, ausser sie meiden eben die Toilette, den Ort der Schmerzen, und suchen nach Alternativen.
Hier kann nur der Tierarzt mit einer gründlichen Untersuchung des Harns Aufschluss geben und feststellen, ob sich Blut, Eiweiss oder Kristalle darin befinden. Bei einem Befund helfen zunächst entzündungshemmende Medikamente und Mittel gegen die Bildung von Kristallen. Ob sich diese Steinchen durch Ansäuern auflösen lassen, hängt davon ab, ob es sich um Struvit- oder Calciumoxalat-Steine handelt. Beide Arten kommen bei beiden Geschlechtern und allen Rassen vor. Am häufigsten betroffen ist gemäss Erfahrungswerten in der klinischen Diagnostik das mittlere Lebensalter zwischen zwei und sieben Jahren.

Viele Halter reagieren so empört, weil ihr Liebling sich ausgerechnet Bett oder Sofa als Toilettenersatz aussucht. Um das zu verstehen, sollte der Mensch kätzisch denken: Beides ist weich und warm, saugt gut, steht erhöht und trägt den Familiengeruch, ist also aus Tiersicht einfach komfortabel. Und Katzen denken beim Urin- oder Kotabsatz ganz sicher nicht daran, wie sie ihren Menschen bestrafen können, sondern daran, wo es ihnen angenehm ist und sie sich wohl und sicher fühlen. Verschwinden die brennenden Schmerzen, nutzen die Miezen meist zuverlässig auch wieder das Katzenkistchen. Wichtig ist dabei, die verunreinigten Stellen gründlich zu desinfizieren und vorübergehend unzugänglich zu machen, damit sie nicht zu einem legalisierten Platz für Ausscheidungen werden.

Viele Katzenklos sind zu klein
Doch was ist, wenn es keinen organischen Befund gibt, die Katze aber dennoch nicht die Toilette benutzt? Dann ist weitere Ursachenforschung und genaue Beobachtung angesagt. Und es bietet sich an, zunächst mit dem zu beginnen, was unmittelbar mit dem Ausscheidungsverhalten zusammenhängt, mit der Toi­lette selbst und dem Inhalt, der Streu. Im Handel sind unzählige Varianten von Katzentoiletten zu kaufen. Aber während die Farbe und die Form den Tieren reichlich gleichgültig sein dürfte, ist es die Grösse nicht.

Die britische Katzenverhaltensexpertin Vicky Halls hat die Faustregel aufgestellt, dass ein Katzenklo mindestens immer anderthalbmal so gross sein sollte wie das Tier selbst. Die wenigsten Katzenkistchen erfüllen diesen Anspruch, auch wenn sie als «Mega-, Jumbo- oder XXL-Toilette» beworben werden.  Die Grösse ist deshalb so wichtig, weil die Tiere sich in der Schale mit der Streu drehen und wenden und dabei den Schwanz meist waagerecht halten. Dabei überall anzustossen, ist nicht angenehm. Und das wird durch eine Deckeltoilette zusätzlich verschlimmert, unter der sich ausserdem auch der Geruch staut.

Deckeltoilette ist nicht artgerecht
Deckel, womöglich noch mit Schwingtür, mögen aus Menschensicht angenehm sein, aus Katzensicht sind sie es nicht. Renate Jones, Tierärztin und Verhaltenstherapeutin, bringt es in ihrem Buch «Unsauberkeit bei Katzen» auf den Punkt: «Es ist ausserdem kein normales, artgerechtes Verhalten für eine Katze, Kot und Urin in einer Höhle abzusetzen. Als Fluchttiere brauchen Katzen immer einen guten Überblick über ihre Umgebung.»

Die Situation verschärft sich dann, wenn es in der Katzengruppe Spannungen gibt. Nichts ist einfacher, als die Revierkonkurrentin zu stellen, wenn diese gerade abgelenkt und beschäftigt ist – und noch dazu in einer Deckeltoilette in der Falle sitzt. Kluge Katzen setzen sich einfach vor den Ausgang und lassen die andere Katze nicht mehr heraus. Oder, ebenso wirksam: Sie legen sich oben auf den Deckel und langen mit den Pfoten hinein, wenn die andere die Toilette verlassen will. Oder sie bedrängen die Mitkatze, sobald sie das erste Scharren hören. Das ist Mobbing auf kätzisch, ebenso einfach wie effektiv und der sichere Weg zur Unsauberkeit.

Darum ist die beste Regel für einen Katzenhaushalt: Immer eine Toilette pro Katze plus eine mehr – das ist Komfort. Denn: Viele Tiere nutzen für den Kot- und Urinabsatz gerne getrennte Plätze. Statt herkömmlicher Katzentoiletten tun es aber auch alle Arten von Kunststoffboxen, die gross genug sind. Es gibt sie in vielen Ausführungen in Wohn- und Möbelhäusern. Bei der Streu gilt: Alles, was weich, warm und saugfähig ist, ist aus Tiersicht angenehm und komfortabel. Was stark duftet oder grob und unangenehm an den Pfoten ist, wird oft gemieden. Das Experimentieren, um die geeignete Streu zu finden, lohnt sich also. Generell bevorzugen die meisten Büsis sandiges, weiches Material – womöglich auch ein Erbe ihrer Vorfahren.

Tipps fürs Toilettentraining
Stellen Sie eine neue, zusätzliche Katzentoilette oder Kunststoffbox an einem ruhigen und geschützten Ort ohne «Durchgangsverkehr» auf und polstern Sie sie möglichst weich aus. Dazu eignen sich Vlies, alte Handtücher oder saugfähiges Papier. Statt Streu verwenden Sie Blumen­erde. Manche Katzen mögen auch Kleintiereinstreu aus Holz. Nach und nach geben Sie Streu dazu. Reinigen Sie die Toilette so oft wie möglich. Loben Sie die Katze unmittelbar nach Verlassen der Toilette.