Fast zehn Jahre lang lebte das Ehepaar Huber harmonisch mit ihrer Katze Garfield zusammen. Besonders Stephanie Huber (Name geändert) pflegte ein inniges Verhältnis zu ihrer Samtpfote. «Er war fast so etwas wie ein Kindersatz», erzählt sie. Doch dann wurde sie schwanger und bekam ein Baby. Von diesem Tag an änderte sich alles. Garfield, der stets die Nähe von Stephanie Huber suchte, um sich Streicheleinheiten abzuholen, zog sich plötzlich zurück. 

Zu allem Überfluss markierte er auch noch diverse Stellen in der Wohnung. «Wir wussten uns irgendwann keinen Rat mehr und mussten einen neuen Platz für Garfield suchen», erzählt die junge Frau mit trauriger Stimme. Sie bedauert, nicht mehr Zeit für ihren Kater gehabt zu haben, räumt aber ein, dass sie schlicht überfordert war, weil ihr Baby ihre komplette Aufmerksamkeit erforderte und ihr Mann, der beruflich stark ausgelastet war, sie kaum unterstützen konnte.

Ähnliche Erfahrungsberichte gibt es auch von Hundehaltern. Damit es nicht so weit kommt, sind ein paar wichtige Vorbereitungen zu treffen. Denn auch wenn der Charakter des Haustieres eine grosse Rolle spielt, haben seine Halter Möglichkeiten, das Zusammenleben zwischen Baby und Tier in eine positive Richtung zu lenken. Manche Verhaltenstherapeuten sind davon überzeugt, dass viele Tiere sehr bewusst die bevorstehenden Veränderungen schon während der Schwangerschaft wahrnehmen und einen Sinn dafür haben, dass bald ein wichtiges Ereignis ansteht. Sie empfehlen gerade deswegen, Hund und Katze an der neuen Situation, die nicht zu unterschätzen ist, teilnehmen zu lassen. 

Rückzugsmöglichkeiten schaffen
Das sieht auch die Tierärztin und Verhaltensmedizinerin Maya Bräm so. «Da sich der Tagesablauf stark verändert, sollte man Haustiere mit bestimmten Situationen vertraut machen.» Dazu gehört das Gewöhnen an weniger Aufmerksamkeit. Zum Beispiel indem man Hunden schon vor der Geburt beibringt, ruhig mit einem Kaustengel im Körbchen zu liegen, während das Baby gestillt wird. 

Ebenfalls während der Schwangerschaft können Familien ihrem Hund oder ihrer Katze ausserdem schrittweise und schonend beibringen, dass ein bestimmter Raum, der früher vom Tier genutzt wurde, nicht mehr zur Verfügung steht, weil daraus ein Kinderzimmer geworden ist. Aus Sicherheitsgründen braucht es nämlich Tabuzonen. «Umgekehrt sollte aber auch gewährleistet sein, dass sich die Tiere vor den Babys und Kindern zurückziehen können», sagt die Fachfrau von der Universität Zürich. Für Freigänger-Katzen ist es tendenziell einfacher, weil sie jederzeit nach draussen ausweichen können und unabhängiger sind. 

Hilfreich kann es zudem sein, den Vierbeiner ein paar getragene Babysachen vom Spitalaufenthalt vor dem Einzug des neuen Mitbewohners schnüffeln zu lassen. So ist die Überraschung über das Baby aufgrund des vertrauten Geruchs für das Tier nicht mehr so gross. 

Haustier und Baby – geht das gut?Pro

Stärkung der sozialen Kompetenzen und Verantwortung gegenüber anderen Lebewesen Verringerung des Risikos, Allergien zu entwickeln  Interaktionen für Haustiere mit Menschen unterschiedlichen Alters  gemeinsames Aufwachsen und dadurch starke BindungKontra

Haustiere können Babys gefährden (Kind nicht unbeaufsichtigt lassen!) und Krankheiten übertragen  weniger Zeit für das Haustier  Ressourcenproblem der Eltern  Stress, Angst und Leiden bei Tieren, die Veränderungen nicht verkraften

Gemeinsame Zeit mit Baby und Tier
Das Wichtigste ist jedoch erfahrungsgemäss, seinem Haustier weiterhin genügend Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist zwar eine gros­se Herausforderung, weil Babys Eltern trotz langer Schlafzeiten intensiv beanspruchen, aber es lässt sich meistern. Etwa, indem man seine Katze oder seinen Hund mit Baby auf dem Arm streichelt, ruhig mit ihm spielt oder – bei einem Hund – gemeinsame Spaziergänge macht. Den Nachwuchs dabei bewusst mit einzubeziehen, ist ein wesentlicher Faktor. Sonst wird dem Vierbeiner vermittelt, dass er nur dann Beachtung erhält, wenn das Baby nicht anwesend ist oder im Bettchen liegt, was das Zusammenwachsen blockiert.

Rassen, die sich besonders gut für Babys eignen, gibt es für Maya Bräm übrigens nicht. Für sie ist vielmehr die Persönlichkeit des Tieres entscheidend. Allerdings gebe es ein paar Aspekte, die nicht ausser Acht zu lassen sind. Etwa die Grösse des Hundes. Je imposanter sein Körperbau ist, desto grösser ist die Gefahr für das Baby – selbst beim gutmütigsten Tier. Auch die Felllänge spielt eine Rolle. Je länger sie ist, desto grösser ist die Versuchung daran zu ziehen. Hier sind allerdings die Eltern gefragt, solche nicht böse gemeinten Aktionen zu unterbinden. «Denn Kinder und Tiere sprechen nicht dieselbe Sprache», warnt Bräm.

Überhaupt hängt laut der Expertin vieles von den Eltern ab. Sie haben eine grosse Verantwortung gegenüber dem Kind und dem Haustier. Dessen müssen sie sich bewusst sein. Um beiden Parteien gerecht zu werden, brauche es gewisse Ressourcen. Sind diese vorhanden und die Eltern in der Lage, die Voraussetzungen für ein stressfreies Zusammenleben zu erfüllen, profitieren Mensch und Tier von der neuen Familienkonstellation.