Eines der fatalsten Missverständnisse in der Beziehung zwischen Mensch und Katze ist unsere Annahme, dass die Tiere Schmerzen durch lautes Miauen anzeigen. Vielleicht erinnert uns dieser Laut an das «Au», das wir unwillkürlich äussern, wenn uns etwas wehtut. Aber die Büsi leiden meistens still. Bei vielen Gemütszuständen – ob Freude, Ärger oder Angst – sprechen Katzen mit ihrem Körper. Diese Signale sind immer untrüglich und zeigen absolut zuverlässig an, was das Tier gerade fühlt. Nur sind sie manchmal so fein und wechseln auch so schnell, dass der Mensch sie nicht oder zu spät wahrnimmt oder falsch interpretiert.

Der Klassiker unter den Missverständnissen schlechthin ist das «Petting and biting».  Damit ist nichts anderes gemeint, als dass die Katze, scheinbar völlig grundlos, mitten im Streicheln in die Hand beisst oder kratzt. Das hat zwar den Ruf der Tiere gefestigt, unberechenbar und hinterhältig zu sein – aber letztlich hat es mit unserem fehlenden Verständnis für kätzische Körpersprache zu tun. Denn das Büsi zeigt uns nur, wann es genug ist. Nicht jedes Tier möchte überall berührt werden oder geniesst das zu jedem Moment. Dann sendet es Signale aus, die für Katzen deutlich, für Menschen aber oft zu subtil sind. Die Ohren drehen, der Schwanz schlägt, die Pupillen erweitern sich. Und wer die Aufforderung «Finger weg» nicht «hören» will oder kann, muss eben fühlen.

Schau mir in die Augen, Kleines
Ein anderes Beispiel: Katzen verstehen sehr gut, was es bedeutet, wenn zwei sich gegenübersitzen und sich wortlos ansehen. Oder besser gesagt, «anstarren». Was unter Zwei­beinern als offen, ehrlich und nichts als anständig gilt – dem Gegenüber in die Augen zu schauen – entspricht ganz und gar nicht der kätzischen Etikette für ein freundliches Zusammentreffen. Es ist eindeutig eine stille, aber nicht minder eindrucksvolle Drohung, ein wortloses Abtasten des möglichen Gegners und eine Demonstration der eigenen Stärke. Allerdings nur dann, wenn das Starren wirklich unverwandt erfolgt. Meist schlägt dabei noch der Schwanz und der Rücken ist angespannt. Noch können die Kontrahenten auseinandergehen, ohne dass Fell und Pfoten fliegen, und so das Gesicht wahren. Anstarren wird oft als Vorspiel einer Keilerei eingesetzt.

Katzenaugen sind immer eindrucksvoll, schon wegen ihrer intensiven Farbe. Und die Pupillen passen sich den Lichtverhältnissen an – eher oval bis geschlitzt bei hellem Licht, eher gross und rund im Dunkeln. Aber sie signalisieren auch, in welcher Laune sich das Büsi gerade befindet. Eher schmale Pupillen und halb geschlossene Augen deuten auf Entspannung hin. Auch das betonte Öffnen und Schliessen der Lider, das «Blinzeln», verbunden mit scheinbar gelangweiltem Umherschauen, ist ein Entspannungssignal. Die Katzenforscherin Mircea Pfleiderer hat es einmal als das «Lächeln der Feliden» bezeichnet, weil die Katzen es, wie wir Menschen übrigens auch, in Situationen einsetzen, in denen sie entweder unsicher sind oder freundliche Absichten bezeugen wollen.

Ohren zeigen die Stimmung an
Für Zweibeiner auch gut zu erkennen ist das Spiel der Ohren. Sie dienen nicht nur als extrem bewegliche Schalltrichter, die sich unabhängig voneinander in alle Richtungen drehen können. Sie zeigen, genauso wie die Augen, ausserdem immer sehr deutlich an, was das Tier gerade empfindet. Dabei können sie innerhalb von wenigen Sekunden die Stellung wechseln, was immer ein Spiegel des Widerstreits der Gefühle ist, in dem sich die Katze gerade befindet. Besonders deutlich zu sehen ist das, wenn die Gefühlslage zwischen Angst und Aggression schwankt.

Im entspannten Zustand sind die Ohren aufrecht, gespitzt und drehen sich manchmal in die Richtung, aus der ein Geräusch kommt, um es noch besser wahrzunehmen. Schlägt aber die Stimmung um auf Sturm, dann bewegen sich die Ohren seitlich nach hinten. Je aggressiver die Katze, umso mehr ist die Ohrrückseite und umso weniger die Ohrmuschel zu sehen. Werden die Angst und die Abwehr grösser, dann legen sich die Ohren ganz eng an den Kopf an. Sie werden abgeklappt und es sieht fast so aus, als ob das Tier keine Ohren hätte. Das ist dann auch der Moment, in dem die Pupillen kreisrund und schwarz sind, der Körper tief geduckt, das Maul weit aufgerissen. Denn solche Signale werden selten nur mit einem Körperteil ausgeführt. Meist spricht das Tier mit dem ganzen Körper gleichzeitig.

Ob Katzen täuschen und tricksen können? Ganz bestimmt, aber ihre Körpersprache verrät dennoch immer die Wahrheit und sagt sehr viel darüber aus, wie es in ihnen wirklich aussieht. Mag eine Mieze scheinbar noch so regungslos, gelangweilt oder unbeteiligt irgendwo sitzen – der Schwanz verrät, ob sie wirklich entspannt ist.

Bei jeder Art von Anspannung, ob es nun die Vorfreude auf das Futter ist oder eine Aggression, peitscht der Schwanz mehr oder weniger intensiv hin und her und zeigt wie ein Gefühlsbarometer an, ob im Innern des Tieres gerade ein Vulkan brodelt oder nicht. Geht es beispielsweise um eine Auseinandersetzung, dann versteift sich jetzt auch der Rücken, das Tier «nimmt Haltung an». Dann ist es für jedermann geraten, sich nun aus der Gefahrenzone zu bringen. Es kann aber auch sein, dass sich das Büsi in einem Konflikt befindet und überlegt, wie es sich aus dieser Situation befreien oder sie verändern kann: Auch dann «wedelt» der Schwanz schnell hin und her.

Friede, Freude, Eierkuchen
Bei den langhaarigen Rassen hat der Schwanz fast etwas von einer Fahne – es sieht daher besonders imposant aus, wenn eine Katze mit hoch erhobenem Schwanz auf ihren Menschen zugeht, etwa bei der Begrüssung. Das zeigt allemal Freude auf Katzenart, nur eben etwas subtiler als bei Hunden. Und wenn zwei Miezen sich besonders gut verstehen, kann es durchaus sein, dass die eine der anderen den Schwanz über den Rücken legt und sie beide so einträchtig nebeneinanderherlaufen.

Ebenfalls ein Entspannungssignal ist das Gähnen. Denn die Katze zeigt es längst nicht immer nur dann, wenn sie müde ist. Neben dem Blinzeln, dem betonten Öffnen und Schliessen der Augen und dem Umherschauen setzen die Katzen auch das Gähnen ein, um Freundlichkeit und friedliche Absichten zu demonstrieren. «Schau her, ich bin müde und will dir nichts tun», könnte es heissen. Und das Beste daran: Gähnen hat tatsächlich eine stimmungsübertragende Wirkung. Nicht selten gähnt das kätzische Gegenüber dann bald zurück.

Literaturtipps:
Gabriele Müller: «Miau, Katzensprache richtig deuten», Verlag: Müller-Rüschlikon, ISBN: 978-3-275-01782-9, ca. Fr. 15.–
Helga Hofmann: «Katzensprache, kätzisch für Zweibeiner», Verlag: Gräfe Unzer, ISBN: 978-3-8338-3635-0, ca. Fr. 13.–

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