Hält ein verantwortungsbewusster Tierhalter eine oder zwei Katzen? Die Frage ist höchst umstritten. Während die eine Seite eine Einzelhaltung als tierquälerisch und unnatürlich kritisiert, behauptet die andere genau das Gegenteil. Aber was ist denn nun richtig? Gibt es überhaupt die eine richtige Antwort? 

Nach den Kriterien der klassischen Verhaltensforschung sind Katzen ausgesprochen soziale Tiere. Dies erkennt man beispielsweise daran, dass Katzen in der Lage sind, sich individuell zu erkennen. Aus­serdem zeigen sie zahlreiche bindungsfördernde Verhaltensweisen wie Begrüssung, gegenseitiges Putzen und beisammen Liegen. Ausserdem warnen Katzen einander vor Gefahr und verteidigen sich gemeinsam gegen Feinde. Kätzinnen betreuen und erziehen sogar fremde Kitten in einem gemeinschaftlichen Nest wie ihre eigenen – was diesen im Übrigen guttut und die Entwicklung fördert.

Die einzige Aktivität, bei der Katzen so gut wie immer ausgesprochene Einzelgänger sind, ist die Jagd. Die kleinen Beutetiere benötigen schliesslich kein Team, um überwältigt zu werden. Und es besteht damit auch keine Notwendigkeit, sie anschliessend nach gewissen Regeln aufzuteilen.

Nicht jedes Büsi ist gleich sozial
Beobachtet wird zudem, dass das Zusammenleben mit dem Menschen Katzen sozialer zu machen scheint. Denn wo es von allen wichtige Ressourcen genug gibt, braucht es kein grosses Jagdrevier, um sicher überleben zu können. Unter solchen Umständen kann es sich die Katze leisten, sogar in grossen Kolonien zu leben. 

Und auch in der Katzenzucht dürfte es – zumindest unbewusst – eine gewisse Selektion auf soziales Verhalten geben. Denn «gruppenuntaugliche» Katzen werden viel eher als kastrierte Liebhabertiere abgegeben und können ihre «Asozialität» auf diese Weise nicht weitervererben. 

Nicht jede Katze ist allerdings gleich sozial – die individuelle Bandbreite reicht hier von überaus sozial und gesellig bis hin zur wenig bis gar nicht sozialen Katze, die viel mehr Wert auf ein eigenes exklusives Territorium als auf soziale Kontakte legt. Verantwortlich für diese Unterschiede sind neben genetischen Faktoren auch die frühe Entwicklung von Kitten.

Wie man sich anderen Katzen gegenüber höflich verhält und mit ihnen kommuniziert, muss nämlich gelernt werden – und zwar in den ersten Lebenswochen und -monaten. Dieser Lernprozess beginnt mit der Erziehung zu Selbstkontrolle und Frustrationstoleranz durch die Katzenmutter. Denn eine Voraussetzung für das Zusammenleben ist eine gewisse Toleranz im Umgang miteinander. Kitten lernen im Spiel, wie sich übertriebene Grobheit auswirkt, weil entweder zurück­gebissen wird oder der Spielpartner davonläuft. 

Sind neben der Katzenmutter noch andere erwachsene Katzen anwesend, erziehen auch diese die Kitten. Den korrekten sozialen Abstand einzuhalten, freundliche Gesten zur Annäherung und Signale zur Distanzierung wie einen Blickkontakt oder Fauchen zu verstehen und auch zu respektieren oder auch einmal beschwichtigende Freundlichkeiten, um an das heranzukommen, was man gerne haben möchte, sind Aktionen, die Kitten erst lernen müssen. Wichtig ist dabei, dass die erwachsenen Katzen eine gewisse erzieherische und soziale Kompetenz mitbringen. Nichts wäre schlimmer als unverständliche Aggression, Attacken oder chronischer sozialer Stress, der ein Kitten viel mehr traumatisiert als erzieht.

Obwohl die Sozialisation auf den Menschen mit sieben Wochen weitgehend abgeschlossen ist, brauchen Kitten noch einige Wochen länger, möglicherweise sogar bis zur Pubertät (um die 20. bis 24. Woche), bis sie das ganze Repertoire an flexibler Kommunikation gelernt und ausreichend geübt haben. 

Doch auch grundsätzlich soziale Katzen mögen nicht unbedingt mit jeder x-beliebigen anderen Katze zusammenleben. Wie beim Menschen auch gibt es Sympathien und Antipathien, Freundschaften oder einfach nur Ignoranz. Dies wird ganz besonders deutlich, wenn Katzenpartner verstorben sind und durch eine andere Katze «ersetzt» werden. Für die verbliebene Katze kommt zur Trauer auch noch der Stress einer unbekannten fremden Katze, mit der sie nichts am Hut hat, dazu.

Katzen tun nicht viel miteinander
Am besten harmonieren – wenn auch ohne Garantie – Katzen, die zusammen aufgewachsen sind oder sich zumindest in den ersten eineinhalb Jahren kennengelernt haben. Aber auch hier gilt: gleichgeschlechtlich passt besser zusammen als gemischte Paare. Das hat mit dem unterschiedlichen Spielverhalten zu tun und der Tatsache, dass selbst kastrierte Kater häufig noch sexuelle Elemente ins Spiel einbauen. Die Schieflage in einer solchen Beziehung wird umso ausgeprägter, je robuster, unhöflicher und übergriffiger die Macho-Kater und je weniger selbstbewusst, ängstlicher und zartbesaitet die Kätzinnen sind.

Bereits erwachsene Katzen können durchaus auch noch enge Freundschaften entwickeln, allerdings ist das ausgesprochen selten.In den weitaus meisten Fällen leben erwachsene Katzen in einer mehr oder weniger harmonischen Wohngemeinschaft.

Eine wichtige Motivation, mehr als eine Katze zu adoptieren oder eine Partnerkatze für die langjährige Einzelkatze zu nehmen, ist die etwas naive Vorstellung, Katzen würden miteinander spielen und sich beschäftigen. Und dazu kommt noch die Begründung, dass man so viel weg wäre und zu wenig Zeit für die Katze habe. 

Einmal abgesehen von der Tatsache, dass man als Mensch für die gut sozialisierte Katze ein ganz wichtiger Sozialpartner ist, finden es sehr viele Katzen gar nicht gut, als Unterhaltungsprogramm für eine aktive Partnerkatze zu dienen. Erwachsene Katzen, die in einer typischen WG leben, tun nicht sehr viel miteinander, sie sind miteinander. Das bedeutet, dass sie nicht mehr, wie man es von jungen Katzen gewohnt ist, herumtollen und spielen, sondern sich eher beobachten, begrüssen, vielleicht einmal gegenseitig putzen und ansonsten reicht es ihnen, zu wissen, dass es eine andere Katze gibt und wo sie ist. Für die wichtigste aktive Beschäftigung – nämlich Jagdspiele mit Beuteattrappen – ist immer noch der Mensch (oder Freilauf) und nicht die andere Katze zuständig.

Ressourcen, Ressourcen, Ressourcen
Katzen benötigen Platz – wie viel ist nicht ganz genau zu sagen, weil es tatsächlich nicht auf die Fläche, sondern vielmehr auf die Struktur im Raum ankommt. So kann eine mit vertikalen Elementen für Katzen angereicherte, dreidimensionale Wohnung von 50 Quadratmetern für die Katzen grösser sein als modernes karges Wohnen mit einem einzelnen raumhohen Kratzbaum auf 120 Quadratmetern. Neben der Vergrösserung des für die Katzen nutzbaren Raumes sollen auch alle anderen Ressourcen wie Katzentoilette, Futter- und Wasserplätze sowie Rückzugsräume vorhanden sein. Mit einem Überfluss an diesen Ressourcen bietet man den Katzen die Möglichkeit, sich aus dem Weg zu gehen, wenn sie gerade keinen Kontakt wollen.

Zwei Ressourcen sind jedoch so gut wie immer im Mangel vorhanden – soziale Interaktion mit dem Menschen und Beschäftigungsmöglichkeiten. Beides kann entscheidend dafür sein, ob Katzen zufrieden, ausgeglichen sind und sich gut verstehen oder ob es immer wieder Spannungen gibt, die sich nur allzu oft auf den Mangel an Beschäftigung und Langeweile zurückführen lassen.