Böse Zungen sprechen vom Dosenöffner – mehr sollen Katzen nicht in «ihrem Menschen» sehen. Enge Bindungen seien Fehlanzeige. Tatsächlich unterstützen einige Studien diese Sichtweise. Ein Gros der Forschung spricht aber eine andere Sprache. Nicht zuletzt die Anfang 2015 veröffentlichte italienische Untersuchung, welche die Bindungsfähigkeit von Katzen in einem für Hunde angelegten Standardversuch testete. Das Ergebnis war erstaunlich: Die Stubentiger haben ein feines Gespür für die menschlichen Emotionen und handeln sogar danach – ähnlich wie Hunde. Dabei orientieren sie sich an Stimme, Mimik und Bewegung. Dies in Kombination mit dem Aussehen und dem Geruch und die Katze erkennt ihre Lieblingsmenschen zweifelsfrei.

Für den Katzenexperten Dennis C. Turner ist das keine Überraschung. Für ihn gelten die Tiere längst als Menschenkenner – Bindung hin oder her. «Es könnte reichen, wenn die Katze genügend Erfahrung mit dem Aussehen, dem Geruch und dem Verhaltensmuster eines Menschen hat, auch ohne dass sie eine emotionale Bindung zu diesem Menschen hat», sagt der Biologe. Solche Erfahrungen lässt sie ihren Menschen auch auf grössere Entfernung erkennen, obwohl ihre Augen erst ab zwei Meter auf scharf stellen. Möglich wird dies durch Bewegungen des Zweibeiners, den Gang oder eine Geste mit der Hand. Steht er dagegen still, tappt das Büsi im Dunkeln. 

Ein Rundum-Scan
Befinden sich die Katzen in der Nähe des Menschen, begutachten sie das komplette Paket: Welche Kleider trägt er? Welche Statur hat er? Wie sieht er aus? Welche Stimme hat er? Ob sie auch Gesichtszüge begreifen, kann Turner nicht mit Gewissheit sagen, «doch ich vermute, dass ihr Sehvermögen gut genug ist, um Gesichter zu erkennen, wenn sie näher als zwei Meter sind». 

Ausschlaggebend ist auch die Stimme, schliesslich ist das kätzische Gehör drei Mal besser als unseres. Man geht davon aus, dass die Tiere einzelne Worte verstehen und die Stimme ihres Halters ganz genau kennen. Sie sollen ihn sogar bei Heiserkeit oder am Telefon identifizieren können.

Das aber wohl entscheidendste Kriterium, woran die Katze ihren Menschen erkennt, ist der Körperduft. Wer schon einmal frisch geborene Katzen beobachtet hat, den wundert das nicht. Katzen kommen blind und taub zur Welt und identifizieren ihre Mutter anfangs ausschliesslich anhand ihres Geruchs. Dazu kommt, dass Katzen ähnlich wie Hunde markieren. Das heisst nicht automatisch, dass sie urinieren. Stattdessen produzieren sie Pheromone, die sie über Duftdrüsen am Kinn, an den Wangen, am Schwanz, zwischen den Zehen sowie an den Ballen und Flanken auf ihre Umgebung übertragen. Auch Menschen werden so markiert, beispielsweise durch Köpfchen geben oder Flankenreiben. Die Katze nimmt diese Markierung in Verbindung mit dem Eigengeruch der Person wahr – und identifiziert «ihren Menschen». 

Die Katzenexpertin und Verhaltenstherapeutin Birga Dexel vom «Cat Institute» in Berlin ist sich daher sicher: «Veränderungen im Aussehen oder Geruch können bei schüchternen Exemplaren zu vorübergehenden Irritationen führen, wenn etwa der Halter mit einem grossen Hut daherkommt und die sensible Katze zusätzlich mit seinem Aftershave verwirrt.» Zu einem Bruch führt ein neuer Duft aber eher nicht, meint Turner: «Sicher wird ihre Neugierde bei einem neuen Parfüm geweckt, doch das reicht sicher nicht, um eine gute Beziehung kaputt zu machen!»