Das moderne Freizeit- oder Sportpferd verlässt den heimischen Stall regelmässig für Ausritte, Trainings, Kursbesuche oder Turniere. Solche Ortswechsel und Transporte verursachen beim Pferd ein gewisses Mass an Stress, der seine Immunabwehr schwächen kann. «Ausserdem ist das Risiko einer Ansteckung mit Krankheitserregern beim Kontakt mit fremden Pferden gross», sagt Franziska Remy-Wohlfender. 

Die Berner Fachtierärztin für Pferde ist Spezialistin für Populationsmedizin, Epidemiologie und Pferdeinfektionskrankheiten. Ausserdem ist sie verantwortlich für Equinella, die Schweizer Melde- und Informationsplattform für Pferdekrankheiten. Dieses Überwachungsinstrument wird immer wichtiger, denn je «mobiler» das Pferd ist, je mehr es in der Welt herumreist, desto schneller verbreiten sich Infektionskrankheiten – vor allem unter Tieren, die nicht oder nicht korrekt geimpft sind. 

Eine Nachahmung der Infektion
Impfungen sind eine der erfolgreichsten Errungenschaften der Medizin. Sie verhindern den Ausbruch bakterieller oder viraler Infektionskrankheiten oder mildern deren Verlauf und unterbinden deren Ausbreitung. «Schutzimpfungen sind auch für Pferde eine wichtige Massnahme zur Erhaltung der Gesundheit», sagt Remy-Wohlfender. 

Doch was passiert beim Impfen im Pferdekörper? Pferde haben wie alle Säugetiere ein Immunsystem, das sie vor Krankheitserregern schützt. Das geschieht einerseits durch die Bildung von Antikörpern und Abwehrzellen, anderseits kann sich das Immunsystem auch nach Jahren noch an bestimmte Erreger «erinnern» und diese erfolgreich bekämpfen. Darauf basiert die Idee der Schutzimpfung: Impfstoffe enthalten Krankheitserreger in einer toten oder abgeschwächten Form, die zusammen mit einem Hilfsstoff eine Immunreaktion auslösen. Der Organismus wird auf den Erreger vorbereitet, sodass die körpereigene Abwehr bei einem realen Kontakt schneller aktiviert wird. 

Impfstoffe gehören zu den Medikamenten mit den höchsten Sicherheitsstandards. Trotzdem gibt es Menschen, die dem Impfen kritisch gegenüberstehen. Ein Grund dafür ist die Angst vor Nebenwirkungen. «Auch bei Pferden kann das Impfen eine Reaktion verursachen wie Schwellungen an der Einstichstelle oder leichtes Fieber», sagt Remy-Wohlfender. Diese würden aber meist nach kurzer Zeit wieder verschwinden und seien für das Tier weniger schlimm, als wenn es ungeimpft eine Infektion durchmachen müsse.

Für die Equine Influenza, eine ansteckende Virus-Atemwegserkrankung, findet sich in der Equinella-Datenbank für die letzten Jahre kein einziger Eintrag. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass die Durchimpfungsrate in der Schweiz hoch ist: Für Pferde, die an offiziellen Veranstaltungen teilnehmen, egal ob an einem Springturnier oder einer Geschicklichkeitsübung, ist die Impfung gegen Pferdegrippe obligatorisch. Es wird stichprobenartig kontrolliert, ob die Grund- und die jährlichen Wiederholungsimpfung korrekt durchgeführt wurden. Pferde, die an internationalen Turnieren teilnehmen, müssen halbjährlich geimpft werden. 

Die Pferdegrippe tauchte wohl in den letzten Jahren auch deshalb nicht in der Datenbank auf, weil sie sich gut «versteckt» und sich erst nach einem Schleimhautabstrich im Labor zweifelsfrei als solche identifizieren lässt. Haben die Pferde Symptome wie Husten, Fieber oder Nasenausfluss, kommen Pferdebesitzer – und auch Tierärzte – bei einem milden Infektionsverlauf nicht gleich auf die Diagnose Equine Influenza. «Wir gehen deshalb davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt», sagt Remy-Wohlfender. Bei den erkrankten Pferden handelt es sich oft um nicht oder nicht korrekt geimpfte Tiere.  

Gegen Pferdegrippe hilft nur impfen
Bis heute kann eine Virusinfektion wie die Pferdegrippe nicht mit Medikamenten geheilt werden. Der Tierarzt kann nur versuchen, den Krankheitsverlauf zu mildern. Im schlimmsten Fall drohen ein langwieriger Verlauf mit Lungenentzündung und bleibenden Schäden. Gefürchtet ist die Pferdegrippe aber auch wegen ihrer raschen Verbreitung. Sie ist hochansteckend und kann nicht nur beim Kontakt zwischen Pferden übertragen werden, sondern auch indirekt über Transporter, Futterkrippen, Sattelzeug, Putzmaterialien oder Kleidung. 

In Australien, das bis dahin als frei von Pferdegrippe galt, legte 2007 ein Seuchenzug den Pferdesport während Monaten lahm. Und auch in unseren Nachbarländern gibt es immer wieder grössere Ausbrüche. «Eine Impfung ist der einzige wirksame Schutz vor Equiner Influenza», sagt Remy-Wohlfender und weist darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs kleiner wird, je besser eine Pferdepopulation durchgeimpft ist. Wer seinen Vierbeiner nicht impfen lasse, gefährde den gesamten Bestand.

Die zweite Impfung, die für das Pferd ein Muss ist, ist diejenige gegen Starrkrampf (Tetanus). Diese Schutzimpfung wird zwar nirgends vorgeschrieben, sollte aber schon aus tierschützerischen Überlegungen selbstverständlich sein. Starrkrampf ist die Infektion mit dem Bakterium Clostridium tetani, das insbesondere im Boden vorkommt und meistens über Wunden in den Organismus gelangt. «Pferde sind sehr empfänglich dafür und Tetanus kann zu einem qualvollen Tod führen», erklärt die Veterinärin. 

Dieses Schicksal kann man seinem Pferd mit einer Impfung ersparen, die einen sehr guten Schutz bietet. Aufgebaut wird dieser durch eine Grundimmunisierung mit zwei Injektionen innerhalb von drei Monaten und einer Wiederholung nach einem Jahr. Anschliessend ist alle zwei bis drei Jahre eine Wiederholung nötig, die gleichzeitig mit der Pferdegrippe-Impfung vorgenommen werden kann. 

Schonung nach der Impfung
Auch wenn die Impfstoffe heute besser verträglich sind als früher, gilt die alte Regel, dass ein Pferd nach der Impfung zwei, drei Tage nur leicht bewegt werden und nicht schwitzen sollte, heute noch. «Nach einer Impfung ist der Organismus des Pferdes mit dem Aufbau von Abwehrstoffen beschäftigt, da sollte er keine Höchstleistungen erbringen müssen», erklärt Remy-Wohlfender.  

Eine weitere mögliche Impfung für das Pferd ist diejenige gegen Herpesviren. In jüngster Zeit wurden etliche Infektionen registriert. Das Equine Herpesvirus 1 führt bei trächtigen Stuten zu seuchenhaftem Verwerfen oder in seiner neurologischen Form zu einer Erkrankung des zentralen Nervensystems. Das Equine Herpesvirus 4 ist vor allem bei jungen Pferden für Atemwegserkrankungen mit Fieber verantwortlich. Die Impfung ergibt deshalb besonders in Zucht- und Aufzuchtbetrieben Sinn, aber auch viele Rennställe impfen halbjährlich gegen Herpesviren. Das für den jeweiligen Betrieb sinnvollste Impfprogramm sollte mit dem betreuenden Tierarzt abgesprochen werden.

Wie jedes Säugetier kann auch das Pferd mit Tollwut angesteckt werden. Die Schweiz ist offiziell frei von dieser Krankheit, bei Reisen in Länder mit entsprechender Gefahr empfiehlt sich jedoch eine Tollwut-Impfung. Seit ein paar Jahren gibt es für Pferde auch einen Impfstoff gegen das West-Nile-Fieber, das von Stechmücken übertragenen wird. Das West-Nile-Virus ist nördlich der Alpen noch nicht aufgetaucht, in Südeuropa sind jedoch zahlreiche Fälle bekannt, sodass diese Impfung bei Tessiner Tierärzten bereits ein Thema ist. Intensiv geforscht wird aus­serdem an einer wirksamen Impfung gegen Druse, einer hochansteckenden bakteriellen Infektion der oberen Atemwege und der Lymphknoten.