Wenn ein Pferd hinkt, sitzt der Schrecken beim Besitzer tief. Eine Lahmheit kann ein kurzfristiges Ereignis von ein paar Tagen sein. Sie kann jedoch auch zu einem langfristigen Problem werden oder sogar dauerhaft bestehen bleiben. Ob Freizeit- oder Sportpartner – mit einer chronischen Lahmheit gilt das Pferd als unreitbar. 

Eine Lahmheit ist eine Gangveränderung aufgrund einer schmerzbedingten, funktionellen oder strukturellen Störung des Bewegungsapparates. Sie kann zahlreiche Gründe haben, was es oft sehr schwierig macht, die genaue Ursache herauszufinden. In Frage kommen Traumata, angeborene oder erworbene Anomalien, Infektionen, metabolische Störungen, Erkrankungen des Kreislaufapparats oder des Nervensystems, zudem jede Kombination dieser Faktoren.

Pferde simulieren nicht. Wenn sie unrund laufen, liegt etwas im Argen. Und das sollte möglichst frühzeitig bemerkt und behandelt werden. Erstens wird dem Tier Leid erspart, zweitens sind die Chancen auf Heilung besser. Verschiedene Studien haben, als Zufallsbefund, jedoch aufgedeckt, dass es hierbei hapert: Häufig gehen Reiter irrtümlich davon aus, ihr Pferd sei uneingeschränkt fit. Solange es nicht offensichtlich lahmt, werden unliebsame Dinge wie Taktstörungen, Stolpern oder Steifheit ignoriert.

Lahmheit ist nicht gleich Lahmheit
Die Lahmheitsarten:
> Stützbeinlahmheit: Wird deutlich während der Belastung der Gliedmasse
> Hangbeinlahmheit: Zeigt sich beim Vorführen der Gliedmasse
> Gemischte Lahmheit: Ist sowohl während der Hangbein- als auch der Stützbeinphase erkennbar
> Begleitende Lahmheit: Durch Schmerzen an einer Gliedmasse ergibt sich eine ungleiche Gewichtsverteilung, wodurch es zu einer Lahmheit auf einem vorher gesunden Bein kommen kann
> Wechselnde Lahmheit: Die Lahmheit springt von einem Bein zum anderen, etwa bei Borreliose

Die Lahmheitsgrade:
> Grad 1: Lahmheit ist nicht im Schritt, wohl aber im Trab zu beobachten
> Grad 2: Bewegungsstörung ist bereits im Schritt sichtbar
> Grad 3: Lahmheit ist im Schritt und im Trab offensichtlich
> Grad 4: Das Pferd belastet die betroffene Gliedmasse nicht
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Stehend zeigen sich erste Anzeichen
Dabei ist das Pferd darauf angewiesen, dass der Mensch Verantwortung wahrnimmt. Denn Pferde sind Meister darin, körperliche Schwachstellen zu kompensieren, sich möglichst lange nichts anmerken zu lassen. Insbesondere nordische Rassen wie Island- und Fjordpferde sowie robuste Ponys sind hart im Nehmen. Nach dem Motto «nur keine Schwäche zeigen, sonst frisst mich das Raubtier» machen sie so lange tapfer mit, bis sie irgendwann zu hinken beginnen.

Ein aufmerksamer Besitzer wird sein Pferd regelmässig beobachten. Auch im Stand, wo sich bereits Vorboten einer Lahmheit ausmachen lassen. Zum Beispiel, wenn das Pferd Schonhaltung zeigt, indem es ein Hinterbein besonders häufig entlastet oder auf einem Vorderbein, das es nach vorne, hinten oder seitwärts hinausstellt, weniger Gewicht aufnimmt. Wiederholtes Abtasten der Gliedmas­sen hilft, Schwellungen, Asymmetrien, vermehrte Füllung von Gelenken, Temperaturunterschiede und Überempfindlichkeiten aufzuspüren. Aussagekräftig ist auch, wie sich der Vierbeiner auf engem Raum dreht, etwa in der Box oder am Putzplatz. Zeigt er Wendeschmerz oder Unkoordiniertheit, sollte der Sache auf den Grund gegangen werden.

Besteht der Verdacht auf eine Lahmheit, lässt man sich das Pferd an der Hand vorführen, zuerst im Schritt, dann im Trab. Dabei sollte es von einer weiteren, erfahrenen Person beobachtet werden. Das Pferd wird gerade von einem weg- und wieder auf einen zugeführt, die Strecke sollte rund 30 Meter betragen. Danach lässt man es mehrere Minuten lang auf einer Volte schreiten und traben, links- und rechtsherum. An der Longe lässt sich eine Lahmheit gut beurteilen. Hier zeigt sich, ob sich das Pferd einläuft oder sich die Lahmheit verstärkt. Alle Ganganalysen sollten auf hartem und weichem Boden gemacht werden.

Typisch für Lahmheit auf einem Vorderbein ist das Senken des Kopfes beim Fussen der gesunden Gliedmasse und das Anheben des Kopfes auf normale Höhe, wenn das erkrankte Bein Last aufnimmt. Ist die Lahmheit auf einem Hinterbein, stellt der Betrachter eine Asymmetrie und eine kürzere Dauer bezüglich des Anhebens der Kruppe, also des Pferdekreuzes, fest. Im Galopp kann eine Lahmheit nicht erkannt werden, aufgrund seines Dreitakts mit Schwebephase. 

Die Stärke einer Lahmheit ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit der Tragweite des gesundheitlichen Problems. So kann ein relativ harmloser Hufabszess akut dramatische Lahmheit hervorrufen, während Arthrose in einem Zehengelenk unspezifische Symptome zeigen kann, die nur schleichend ausgeprägter werden. Der Grossteil der Lahmheiten betrifft die Vorderbeine. Von diesen haben wiederum 95 Prozent ihre Ursache im unteren Beinbereich, von einschliesslich des Karpalgelenks abwärts. 

Ruhepausen und Medikamente helfen 
Es lohnt sich, auch die Hufe genauer unter die Lupe zu nehmen. Eine bedeutende Anzahl der Lahmheiten wird verursacht durch unphysiologische Hufzustände. Werden Stellung und Beschlag optimiert, zudem die Ausschneide-Intervalle mit fünf bis sechs Wochen kurz gehalten, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gesundheit getan.

Die genaue Lokalisation der Lahmheitsursache ist dem Tierarzt vorbehalten. Nach Abtasten des Körpers und der Gliedmassen wird er eine ausführliche Ganganalyse vornehmen. Weiteren Aufschluss geben die Untersuchung mit der Hufzange, Beugeproben der Gelenke und diagnostische Leitungsanästhesien, die abschnittsweise von unten nach oben gemacht werden. Lahmt das Pferd nach Sedierung eines Bereichs nicht mehr, hat man einen Hinweis, dass sich das Problem an der betäubten Stelle befindet.

Weiterführende Untersuchungen gibt es zahlreiche: Im Röntgenbild werden Veränderungen der Knochen sichtbar, mit Ultraschall lässt sich die Struktur von Weichteilen wie Sehnen, Bänder und Muskeln darstellen. Für besonders anspruchsvolle Fälle gibt es in orthopädischen Spezialkliniken die Möglichkeit per Szintigrafie, Computertomografie und Magnetresonanztomografie auch kleinste Veränderungen an schwer zugänglichen Stellen aufzuspüren.

Erst die Gesamtheit der gestellten Befunde erlaubt eine sichere Diagnose. Zum Glück bessern sich viele Lahmheiten nach kurzer Zeit von selbst oder mit wenig Aufwand, nachdem das Pferd eine Ruhepause und entzündungshemmende Medikamente erhalten hat. Ein individuelles Bewegungsprogramm zum Wiederaufbau, eventuell die Anpassung des Trainings und die Verbesserung der Haltungsbedingungen erhöhen für das Pferd die Chancen auf nachhaltige Gesundung. 

Literaturtipp:
Ted S. Stashak: «Adam’s Lahmheit bei Pferden», Verlag: M. & H. Schaper, ISBN: 978-3-7944-0219-9, ca. Fr. 190.–