B ereits die keltischen Priester und die gallischen Druiden wussten von den Heilkräften der Mistel und verehrten sie deshalb als mystische Pflanze. Sie kletterten in die Bäume hoch, um die kugeligen Gewächse mit goldenen Sicheln abzuschneiden. In der anthroposophischen Medizin werden Mistelpräparate bereits seit den 1920er-Jahren zur Behandlung von an Krebs erkrankten Patienten eingesetzt. 

Vor rund 30 Jahren begann sich die Veterinärmedizin ebenfalls für die Misteltherapie zu interessieren. Es ist kein Zufall, dass das sogenannte Equine Sarkoid (siehe Kasten) in diesem Zusammenhang zu einem Forschungsschwerpunkt geworden ist. Denn derartige Hauttumore kommen bei Pferden relativ häufig vor. Nach lokaler medikamentöser Behandlung oder operativer Entfernung wachsen sie oft wieder nach. 

Die Misteltherapie zielt dagegen vor allem auf eine Stärkung des Immunsystems und damit einer besseren Eigenabwehr des Körpers ab. Die in den Mistelextrakten enthaltenen Lektine und Viscotoxine wirken zudem entzündungshemmend, zerstören die Tumorzellen und verhindern deren Neubildung. Je nach Wirtsbaum und auch Jahreszeit unterscheiden sich die Misteln in ihrem Gehalt der Wirkstoffsubstanzen. Mittlerweile sind etliche Mistelpräparate amtlich zugelassen und von verschiedenen Herstellern erhältlich.

Equines Sarkoid
oder Melanom?

Das Equine Sarkoid (ES) ist der am häufigsten vorkommende Haut-tumor bei Pferden und Eseln. Sarkoide sind zwar nicht lebens-bedrohlich, da sie nur an der Hautoberfläche liegen und keine Metastasen auf inneren Organen bilden. Je nach Position am Körper (Sattellage, Gurtbereich) können sie aber sehr hinderlich sein. Zwar sind die Ursachen für die Entstehung von ES nicht restlich geklärt, doch spielt die genetische Veranlagung eine grosse Rolle. Ferner gilt der Papilloma-Virus der Rinder als Auslöser. Auch der Immunstatus des Pferdes ist wichtig.

Es wird zwischen verschiedenen Erscheinungsformen von Sarkoiden unterschieden: okkult (raue, haarlose Hautbezirke), verrukös (wie Dornwarzen), nodulär (knötchenförmig), fibroblastisch (Bindehaut) und gemischt. Sie können oft einer Warze gleichen.

Im Unterschied zum ES ist das Equine Melanom ein bösartiger Hauttumor, der Metastasen bilden kann. Im Volksmund wird er oft als «Schimmelkrebs» bezeichnet. Melanome sind schwarze Knoten. Sie kommen vor allem im Schweif- und Afterbereich sowie am Kehlgang vor. Man geht bis jetzt von genetisch bedingten Ursachen aus und der Überproduktion von Melanin.

Nach «Goldstandard» bewiesen
Mit einer 2013 publizierten Studie konnte der wissenschaftliche Nachweis für die Wirksamkeit der Misteltherapie beim Equinen Sar-koid erbracht werden. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FibL) führte die Studie in Zusammenarbeit mit dem Nationalgestüt, der Pferdeklinik der Universität Bern sowie dem Verein für Krebsforschung zwischen 2004 und 2011 durch. 

Dafür wendeten die Forschenden den wissenschaftlichen «Goldstandard» an: An der Studie waren 53 Pferde beteiligt, die insgesamt 444 Equine Sarkoide aufwiesen. 32 Tiere davon wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und mit dem Mistelpräparat «Iscador P» (Kiefernmistel) behandelt. Während 15 Wochen erhielten sie jeweils wöchentlich drei Injektionen in steigenden Dosen in die Brustpartie. Die anderen Pferde wurden mit einem Placebo aus einer wirkungslosen Kochsalzlösung gespritzt. Dabei wussten weder die Pferdehalter noch die behandelnde Veterinärin, zu welcher Gruppe ein Pferd gehörte.

Ein Jahr später konnte bei 41 Prozent der Pferde, die mit dem Mistelpräparat behandelt wurden, zumindest eine gesundheitliche Verbesserung oder Heilung festgestellt werden. Bereits die Hälfte sämtlicher Sarkoide war verschwunden. Nach fünf Jahren wiesen sogar 63 Prozent der Pferde aus der Mistelgruppe keine Hauttumore mehr auf.

Gewiss: Pferdehalter müssen etwas Geduld aufbringen, da eine Behandlungsphase standardmässig über 15 Wochen dauert. Nicht immer reagiert der Patient sofort wie gewünscht auf die Misteltherapie. Manchmal muss sie nach einer Pause wiederholt werden. Dafür stehen die Heilungschancen verhältnismässig gut. Besonders erfolgreich sei die Behandlung bei Pferden unter zehn Jahren und bei Eseln, sagt Tierärztin Ophélie Christen-Clottu. Sie leitet am FibL die Forschung mit den Mistelpräparaten.

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  Bild: FibL / Ophélie Christen

Anamnese vor Behandlungsbeginn
Mistelpräparate können auch komplementär zu schulmedizinischen Behandlungsmethoden eingesetzt werden. Beim gefährlicheren Equinen Melanom könne laut Christen eine begleitende Misteltherapie immerhin zu einem Wachstumsstopp des Tumors führen. Positive Erfahrungen gibt es ebenfalls mit Gesäugetumoren bei Hunden und Fibrosarkomen bei Katzen.

Die Kosten für die Arzneimittel mit einer Serientherapie bei einem Pferd belaufen sich auf ungefähr 300 bis 400 Franken. Wer es sich zutraut, kann nach Anleitung des behandelnden Tierarztes seinem Pferd die Ampullen mit je bloss einem Milliliter enthaltenem Mistelextrakt selber verabreichen, da das Arzneimittel nur unter die Haut gespritzt werden muss. Wichtig ist in jedem Fall, vor Behandlungsbeginn die Ursache und Art der Tumorerkrankung veterinärmedizinisch abklären zu lassen. Entsprechend wird der Tierarzt das passende Mistelpräparat und die Dosierung verordnen.

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