Als sie das Islandpferd ihrer Mutter am Sommerekzem leiden sah, beschloss Antonia Gabriel im Alter von etwa zwölf Jahren eine Therapie dafür zu finden. «Ich habe mir damals ein Buch über diese Erkrankung gekauft, aber nicht viel verstanden», sagt sie. Das Buch hat sie immer noch. Inzwischen aber weiss die mittlerweile 35-Jährige weit mehr, als darin steht.

«Früher mussten von den etwa 50 Pferden bei uns auf dem Hof rund ein Fünftel den Sommer über Ekzemdecken tragen. Letztes Jahr hat kein Einziges einen solchen Schutz gebraucht», sagt Catherine Mynn vom Islandpferdehof Lieburg in Esslingen ZH. Mynn führt das auf die Spritzenbehandlung zurück, die Gabriel entwickelt hat. Seit vier Jahren beteiligen sich Mynn und weitere Pferdehalter auf dem Hof an Gabriels Studien. An ihren Pferden werden die Wirksamkeit und etwaige Nebenwirkungen getestet. Die Tierbesitzer zur Studienteilnahme zu bewegen, sei nicht schwierig gewesen, sagt Mynn. «Der offensichtliche Erfolg hat sie überzeugt.»

Stechinsekten sind schuld
Ende März veröffentlichte Gabriel zusammen mit Forscherkollegen der Universitäten Bern und Zürich die Ergebnisse der ersten Studie über die neue Behandlungsmethode in einem renommierten Fachblatt. An dem Versuch hatten 34 Islandpferde teilgenommen. Seither sei die Zahl der Anfragen von Pferdehaltern «explodiert». Wer jemals Pferde mit Sommerekzem gesehen hat, erahnt, was sie jeden Sommer durchmachen: Ständiger Juckreiz, trockene Haut, abgescheuerte Mähnen, wund geriebene Schweife. «Diese Pferde sind richtig gestresst. Man sieht ihnen an, wie unwohl ihnen ist. Ihr Fell ist matt. Manche magern sogar ab», sagt Mynn. In schlimmen Fällen ist die Schweifrübe «nackt». Blutverkrustete, teils infizierte Stellen übersäen den Bauch, das Gesicht, die Mähne und die Schweifrübe.

Grund dafür ist eine allergische Reaktion auf Insektenstiche. Meist verursachen Gnitzen der Gattung Culicoides das Sommerekzem, aber auch Mücken, Fliegen oder andere Stechinsekten können im Einzelfall schuld sein. «Wir haben zum Beispiel ein Pferd auf dem Hof, das bekam sein Sommerekzem immer erst im August», sagt Mynn. «Dank der Forschung von Antonia Gabriel wissen wir jetzt, wieso: Diese Stute reagiert allergisch auf Bremsen. Sie fliegen erst dann.» 

Bei manchen Pferden kann es genügen, die allergieauslösenden Substanzen einzuatmen. Selbst Mehlmilben im getrockneten Brot könnten die allergische Reaktion verursachen, ergänzt Gabriel. Verfüttere man dieses, reagiere das betroffene Pferd allergisch.

Beim Stechen geben die weiblichen Insekten mit ihrem Speichel viele Substanzen in die Haut des Opfers ab. Betroffene Pferde reagieren auf einzelne mit einer übertriebenen Immunreaktion. Im Gegensatz zu gesunden Pferden bilden sie den «falschen» Typ von Abwehrstoffen (sogenannte IgE-Antikörper) gegen Bestandteile im Mückenspeichel. Kommen sie bei weiteren Stichen erneut damit in Kontakt, heften sich die IgE-Antikörper an die allergieauslösenden Stoffe. Weil sie sich zudem an bestimmte Abwehrzellen binden, schütten diese Zellen den Botenstoff Histamin aus, der starken Juckreiz verursacht. 

Anregung des Immunsystems
Eine Therapie, die das Übel an der Wurzel packt, gibt es bisher nicht. «Ich wollte einen neuen Behandlungsansatz verfolgen. Wenn ein Professor schon 20 Jahre auf diesem Gebiet forscht, kann ich als Neuling nicht mithalten», rechnete Gabriel sich aus. Mit drei bis vier Spritzen regt sie das Immunsystem der Pferde nun an, das Problem quasi selbst zu erledigen. Mittlerweile würden 100 Pferde in mehreren Studien mitmachen. Gabriel kennt jedes persönlich, weil sie alle im Monatsrhythmus besucht, um festzuhalten, wie schlimm das Ekzem ist.

Im ersten Behandlungsjahr erhalten die Pferde im Januar, im Februar und im Juni eine Spritze mit 300 bis 400 Mikrogramm Wirkstoff. Danach gibt es einmal jährlich vor Beginn der Insektensaison eine weitere, «um das Immungedächtnis wieder aufzufrischen». 

Die Spritzen enthalten erstens: Virus-ähnliche Teilchen von einem Virus, der Gurken befällt. Diese für das Pferd harmlosen Partikel dienen als Transportvehikel. Zweitens: Einen ungefährlichen, winzigen Teil vom Tetanus-Gift. Weil fast alle Pferde gegen Tetanus (Wundstarrkrampf) geimpft werden, erkennt ihr Immunsystem dieses Molekül. Das fördert die Immunreaktion auf die Spritze. Drittens: «Interleukin-5» (IL-5), das von genetisch veränderten Coli-Bakterien produziert wird. Dieser körpereigene Botenstoff ist ein entscheidender Faktor, dass bei den «Ekzemern» die Reaktionskette in Gang kommt, fand Gabriel heraus. 

Jedes Jahr eine bessere Wirkung
Die von ihr entwickelte Impfung lässt das Immunsystem der Pferde Abwehrstoffe gegen IL-5 bilden. Diese machen IL-5 unschädlich – und wo kein IL-5 mehr ist, da findet kaum noch eine allergische Reaktion statt. Das Resultat: Im ersten Behandlungsjahr ging das Sommerekzem laut den im März veröffentlichten Ergebnissen bei etwa der Hälfte der Pferde um 50 Prozent zurück, bei jedem fünften Pferd sogar um mindestens 75 Prozent. Als Vergleich dienten Pferde, denen nur Placebo gespritzt worden war. Bei ihnen verringerte sich das Ekzem nur bei 13 Prozent um die Hälfte. Um zu vermeiden, dass Gabriel oder die Pferdehalter in ihrer Wahrnehmung beeinflusst werden, erfahren sie erst nach Studienende, welches Pferd Placebo bekam und welches den Wirkstoff.

Bis jetzt kann die Immunologin auf vier Versuchsjahre zurückblicken. «Die Wirkung wird von Jahr zu Jahr besser», so ihre Erfahrung. Nebenwirkungen seien bisher keine aufgetreten, wobei ihr bewusst ist, dass es weit mehr als 100 Versuchspferde braucht, um sicherzugehen. Da IL-5 zum Beispiel Darmwürmer in Schach hält, werden die Pferde regelmässig auf Wurmbefall getestet – bisher ohne negative Anzeichen. 

Inzwischen hat Gabriel noch eine zweite Vakzine in Erprobung. Beide Impfstoffe sind noch im Versuchsstadium, deshalb können interessierte Pferdehalter ihr Pferd nur im Rahmen der Studien behandeln lassen. Die Forscherin rechnet damit, dass die Spritzenbehandlung frühestens 2021 zugelassen werden könnte – vorausgesetzt, es läuft alles weiter so gut wie bisher. Sie sei gespannt, wie es nun weitergehe, sagt Catherine Mynn. «Den Pferden geht’s jedenfalls viel besser.» 

Tipps gegen das Sommerekzem   
Medikamentöse Behandlung kann das Sommerekzem bisher bestenfalls lindern, nicht aber die Erkrankung beseitigen. Zum Einsatz kommt zum Beispiel Kortison. Es bremst das Immunsystem. Sein Nachteil: Es kann bei langer Behandlung Hufrehe verursachen, Infektionen, Muskelschwund und Osteoporose. Die momentan beste Methode gegen das Sommerekzem ist, die Pferde so gut als möglich gegen Stechinsekten zu schützen.

  • Zweimal täglich langwirksames Insektenschutzmittel anwenden, vor allem in den frühen Morgenstunden und am Abend. Sie können auch auf Pferdedecken gesprüht werden.

  • In den USA werden langwirksame «Spot on» für Hunde als Insektenschutz für Pferde empfohlen. Ein Beispiel ist «Vectra 3D», das in der EU, nicht aber in der Schweiz für Hunde zugelassen ist. Dosierung: Drei Tropfapplikatoren von «Vectra 3D» für Hunde von über 40 Kilo verwenden; einer für Mähne und Kopf, einer für Rücken und Rumpf, einer für den Bauch. «Vectra 3D» enthält unter anderem ein Neonicotinoid. Diese Substanzen bringen Umweltschützer mit dem Bienensterben in Zusammenhang.

  • Nach Behandlung mit konzentrierten Permethrin-haltigen Produkten können beim Pferd dort, wo das Mittel aufgetragen wurde, die Haare ausfallen oder Gefühlsstörungen auftreten. Vorheriges Auftragen von Vitamin E Öl kann diese Nebenwirkungen reduzieren.

  • In der Mähne, am Schweif und am Schopf mit Permethrin-imprägnierte Anhänger befestigen.

  • Mit Insektiziden imprägnierte Fliegendecken, zum Beispiel «Amigo Bug Blaster Fliegendecke», sind mehrfach waschbar ohne ihre Wirkung zu verlieren.

  • Fliegendecke, Fliegenmaske und Fliegenschutz an den Beinen anziehen.

  • Viele Stechinsekten sind schlechte Flieger. Ein Ventilator erschwert ihnen das Leben.

  • Produkte wie der «Mosquito Magnet» reduzieren die Anzahl verschiedener Plagegeister.

  • Pferd zu den Zeiten im Stall behalten, wenn die Stechinsekten sehr aktiv sind.

  • Jede Insektenart hat ihre bevorzugten Zeiten und Stellen zum Stechen. Die «Kleine Stechfliege» etwa ist tagaktiv und sticht gern in der Nähe des Nabels, manche Culicoides-Arten fliegen an Mähne, Schweif und Rücken, andere dagegen stechen im Gesicht, in die Ohren, die Kruppe und die Beine. Culicoides sind nachts aktiver.

  • Pferde möglichst nicht in der Nähe von Misthaufen, Rindern und Wasserreservoiren ins Freie lassen. Dort sind viele Stechinsekten.

  • Feuchte Stellen um den Stall wenn möglich trocken legen, Wasserbehälter regelmässig putzen.

  • An Stellen wo oft Rossbollen liegen, Raubwespen aussetzen, die Fliegen fressen.

  • Leinsamen im Futter kann bei Pferden allergische Reaktionen vermindern.

  • Fütterung von DHA und Omega-3-Fettsäuren (in Leinsamen oder speziellen Ölen), die entzündungshemmend wirken.

  • Das Füttern von Antioxidantien soll einen positiven Effekt haben (Vitamin C, MSM etc.).
  • Auftragen von Lotionen und Waschen mit Shampoos kann ebenfalls lindern.

Quellen:
Dr. med. vet. K. Birkmann  
A.M. Rashmir-Raven, «Disorders of the Skin». In: S.M. Reed, W.M. Bayly, D.C. Sellon: «Equine Internal Medicine», Elsevier Verlag 2018
R. Marsella, «Equine Allergy Therapy. Update on the Treatment of Environmental, Insect  Bite Hypersensitivity, and Food Allergies». Veterinary Clinics of North America: Equine 29 (2013) 551–557