Es gibt ein paar untrügliche Anzeichen dafür, dass der geliebte Vierbeiner langsam aber sicher älter wird: Rund um die Augen und auf der Stirn tauchen die ersten weissen Haare auf. Beim Reiten ist das Pferd schneller müde und sein Atem kürzer. Nach Ruhezeiten sind seine Gelenke steif und einigen Pferden fällt das Kauen schwerer. Wie beim Menschen, ist das Altern auch bei Tieren ein schleichender Prozess und es lässt sich nicht in einer Jahreszahl ausdrücken, wann ein Pferd «alt» ist.

Ponys und robuste Kleinpferderassen haben eine Lebenserwartung, die 30 und sogar 40 Jahre überschreiten kann. Warmblüter beginnen mit etwa 15 Jahren zu altern, wenn sie einmal 25 Jahre alt sind, gelten sie bereits als sehr alt. Kaltblutrassen dagegen haben mit 17, 18 Jahren eine relativ niedrige Lebenserwartung. Der züchterische und medizinische Fortschritt sowie das verbesserte Wissen um Ernährung und Haltung sorgen dafür, dass die Vierbeiner länger belastbar bleiben als früher. Krankheiten werden heute früher diagnostiziert und besser therapiert, sodass Pferde länger einsetzbar sind. Sogar im Leistungssport: Warmblüter, die mit 20 Jahren noch an Turnieren teilnehmen, sind keine Seltenheit mehr.

Doch genauso wie Junioren stellen auch Senioren spezielle Ansprüche an ihren Besitzer. Kann er optimale Bedingungen für das ältere Pferd schaffen, hat es die besten Voraussetzungen für einen glücklichen Lebensabend. So trägt eine artgerechte Haltung mit Sozialkontakt zu Artgenossen und viel freier Bewegung auf der Weide in jedem Alter zum Wohlbefinden des Pferdes bei.

«Wer rastet, der rostet» – das gilt sowohl für zwei- als auch für vierbeinige Senioren. Mit dem Alter bilden sich die Muskeln des Pferdes zurück und zwar umso schneller, je weniger es bewegt wird. Die verkraftbare Belastung muss vom Reiter mit viel Fingerspitzengefühl ständig neu eingeschätzt werden – manchmal sogar Tag für Tag. Doch auch wenn das Tier nicht mehr über hohe Hürden springt oder schwere Dressurlektionen geht, kann es noch jahrelang geritten werden.

Dem Gesundheitszustand angepasste gymnastizierende Arbeit hilft Muskelschwund vorzubeugen und erhält die Beweglichkeit. Ist das Reiten mit fortschreitendem Alter nicht mehr möglich, sind Weidegang und lange Spaziergänge an der Hand immer noch besser als gar keine Bewegung.

Ernährung dem Alter anpassen
Funktionsstörungen am Bewegungsapparat gehören zu den häufigsten Gründen für das Ausscheiden eines Pferdes aus seiner aktiven Laufbahn. Knochen werden mit dem Alter spröder, Muskeln abgebaut, Sehnen und Gelenke verlieren an Elastizität. Typische erste Anzeichen sind steife Gelenke oder ein leichtes Lahmen, das nach ein paar Minuten Bewegung wieder verschwindet: Das Pferd «läuft sich ein». In der kalten Jahreszeit sind die Symptome meist stärker ausgeprägt als im Sommer. Wer sie bei seinem Pferd feststellt, sollte sich mit seinem Tierarzt beraten: Degenerationen lassen sich zwar nicht rückgängig machen und eine Arthrose nicht heilen, aber mit einer entsprechenden Behandlung sind sie gut zu kontrollieren.

Mit zunehmendem Alter finden im Innern des Pferdes  Veränderungen statt: Organe wie Herz, Leber, Nieren und das Immunsystem arbeiten nicht mehr so effizient wie in jungen Jahren. Auch der Verdauungsapparat ist weniger leistungsfähig. Das führt zusammen mit einem veränderten Stoffwechsel und Hormonhaushalt dazu, dass Futter schlechter aufgenommen und verdaut wird und ein erhöhter  Energie- und Nährstoffbedarf entsteht. Die Ernährung spielt deshalb eine wichtige Rolle beim älter werdenden Pferd. Das ideale Futter für Senioren weist folgende Merkmale auf: Es sollte schmackhaft sein, leicht zu kauen und schlucken, staubfrei sowie einen hohen Energiegehalt bei einem hohen Protein- und Faseranteil haben. Mit Kraftfutter in Form von Getreide oder Müeslis sollte man wesentlich zurückhaltender sein als beim aktiven Sportpferd.

Ist das Korn gequetscht, gewalzt oder hydrothermisch aufgeschlossen («gepoppt»), ist es für das alte Pferd besser verwertbar. Etwas Sojaschrot kann die Eiweissaufnahme verbessern. Mash (ein Ergänzungsfutter mit Leinsamen, Weizenkleie und Hafer) wird sehr gerne gefressen, nicht nur von Pferden mit Kauproblemen. Die Grundversorgung sollte jedoch mit gut verdaulichem, nicht zu spät geschnittenem Heu sichergestellt werden. Hartes Heu und Stroh kann von vielen älteren Tieren nur noch schlecht zerkleinert werden. Nehmen alte Pferde zu wenig Rohfasern über das Raufutter auf oder wandern Heu und Stroh schlecht zerkaut in den empfindlichen Magen-Darm-Trakt, drohen Verdauungsprobleme bis hin zur Kolik.

Vielen Krankheiten beim älteren Pferd liegt ein erhöhter – und durch das Grundfutter meist nicht gedeckter – Bedarf an essenziellen Aminosäuren (Eiweiss), Mineralien, Spurenelementen (vor allem Zink, Magnesium, Selen) und Vitaminen (vor allem A, B, E) zugrunde. Deshalb kann die Verabreichung eines entsprechenden Nahrungsergänzungsmittels sinnvoll sein. Das Pferd muss ausserdem den ganzen Tag über Zugang zu frischem Wasser haben. Trinkt es zu wenig, kann das zu Austrocknung und Koliken führen.

Zähne und Hufe brauchen stets Pflege
Wenn ältere Pferde «schlecht fressen», liegt das Problem oft an den Zähnen. Dass ein Pferd Probleme beim Kauen hat, erkennt man daran, dass es sehr langsam frisst, hartes Futter wie Rüebli oder Brot nicht mehr zerkleinern kann und oft kleine Knäuel von unzerkautem Futter aus dem Maul fallen lässt. Damit Zahnprobleme gar nicht erst entstehen, sollte bereits in jungen Jahren ein Pferdezahnarzt oder spezialisierter Tierarzt den Patienten regelmässig kontrollieren und behandeln.

Im Alter des Pferdes wird der Tierarzt für den Pferdebesitzer zu einem noch wichtigeren Partner, der ihm hilft, die Gesundheit des Seniors möglichst lange zu bewahren. Pferde müssen auch im höheren Alter regelmässig geimpft und entwurmt werden. Auch die Hufpflege bleibt unverändert wichtig, selbst wenn das Tier weniger intensiv bewegt wird. Alle sechs bis acht Wochen sollte es vom Hufschmied neu beschlagen werden. Wenn das Pferd barfuss läuft, müssen seine Hufe regelmässig überprüft und ausgeschnitten werden.

Bei sorgfältiger Pflege und mit einem sensiblen Umgang durch seinen Besitzer, können alte Pferde noch viele glückliche und zufriedene Jahre verleben. Merkt man jedoch, dass dem Senior langsam alles zu viel wird, er Schmerzen hat und ihm das Leben keine Freude mehr macht, muss man als verantwortungsvoller Pferdebesitzer in Erwägung ziehen, das Pferd einschläfern zu lassen. Auch wenn dieser Entscheid sehr schmerzhaft ist.