Über 80 Prozent aller Menschen haben in ihrem Leben mindestens einmal Rückenschmerzen. Und gemäss einer Erhebung des Bundesamtes für Statistik leiden vier von zehn Schweizern akut unter Rückenbeschwerden. Diese sind neben Infekten der häufigste Grund für einen Arztbesuch.

Auch bei Pferden sind Rückenschmerzen  häufig. Davon betroffen seien nicht nur Sport-, sondern auch Freizeitpferde, heisst es an der Pferdeklinik im Tierspital der Universität Zürich. Rückenprobleme sind immer ernst zu nehmen, denn sie können zu Leistungsminderung, Unrittigkeit oder bei chronisch schmerzhaften Zuständen sogar zur vorzeitigen Pensionierung des Pferdes führen.

Das Skelett des Pferdes gleicht einer fragilen Brückenkonstruktion, bei der der Rücken als Verbindung der Vor- und der Hinterhand eine zentrale Rolle spielt. Er ist von Natur aus nicht als Sitzfläche für Reiter vorgesehen, sondern dient dem Tier, seine inneren Organe zu tragen. Dazu hat es neben der Brust- und Lendenwirbelsäule mit den entsprechenden Knochen auch starke Muskeln und Bänder. Die Anatomie des Rückens ist kompliziert: Die Wirbelsäule alleine besteht aus mehr als 250 Gelenken. Rückenschmerzen können ihren Ursprung daher sowohl im weichen Gewebe, also in den Muskeln, Sehnen oder Bändern haben, wie auch in den knöchernen Strukturen der Wirbelsäule. Auch organische Erkrankungen können sich auf den Rücken auswirken – und umgekehrt.

Kompliziertes Wunderwerk der Natur
Dass einem Pferd der Rücken wehtut, deutet sich meist beim Reiten an: anhaltende Steifheit, ein durchgedrückter Rücken, extreme Schiefe, Widersetzlichkeit (Buckeln, Steigen, Ausschlagen), Kopfschlagen, Zähneknirschen, Taktfehler, eine nicht zu erklärende Lahmheit, Hinterhandfehler und Verweigern bei Springpferden sind Alarmzeichen.

Betroffene Pferde reagieren oft empfindlich, wenn man sie im Bereich der Wirbelsäule, Lende oder Kruppe striegelt oder ihnen den Sattel oder eine Decke auflegen möchte. Pferde mit Rückenschmerzen wälzen sich weniger oder gar nicht mehr und bewegen sich auch auf der Weide lustlos. Bei länger anhaltenden Wirbelsäulenproblemen gibt es optische Hinweise, etwa in der Haltung von Kopf und Genick, ungewöhnlichen Stellungen der Gliedmassen oder des Schweifs.

Bei einem gesunden Rücken ist der lange Rückenmuskel, der links und rechts entlang der Wirbelsäule von Widerrist bis zur Lende verläuft, gleichmässig ausgeprägt und fühlt sich fest, aber elastisch an. Dellen, Wölbungen oder Verhärtungen in der Muskulatur hingegen weisen auf Probleme hin. Zeigt ein Pferd Anzeichen von Rückenbeschwerden, beginnt die schwierige Suche nach der Ursache. Am häufigsten seien eine schlechte Bemuskelung des Rückens durch unausgeglichenes Training und schlechte Reitweise, sagen die Pferdemediziner vom Tierspital Zürich. Der Teufelskreis schliesst sich, weil Pferde mit Rückenschmerzen die Muskulatur zusätzlich verkrampfen und diese so immer mehr verschwindet.

Dem Pferd Ruhepausen gönnen
Als weitere Ursachen kommen Unfälle, Stürze, Überlastung, ein ungünstiger Körperbau des Pferdes wie ein langer Rücken, schlecht sitzende Ausrüstung (Sattel), falscher Beschlag oder orthopädische Probleme wie Strahlbeinerkrankungen infrage.

Parallel zur Ursachenforschung erfolgt die Suche nach einer Diagnose und die Behandlung des Pferdes. Sind die Symptome noch nicht sehr ausgeprägt und hegt der Reiter oder Pferdebesitzer erst den Verdacht, sein Tier könnte Rückenschmerzen haben, wartet man am besten ein paar Wochen ab und gönnt dem Pferd eine Ruhepause, bevor man die tierärztliche Diagnosemaschinerie in Gang setzt. Wie wir, leiden Pferde oft an leichten Verspannungen, die zwar schmerzhaft und unangenehm sind, in der Regel aber von selber wieder abklingen. Ist das nicht der Fall, muss der Tierarzt oder ein entsprechend geschulter manueller Therapeut wie ein Osteopath oder Chiropraktiker eine gründlichere Abklärung vornehmen.

Dazu wird das Pferd einer gründlichen klinischen Untersuchung unterzogen. Der Tiermediziner schaut sich das Pferd an, tastet seinen Rücken ab und beurteilt den Bewegungsablauf beim Vorführen an der Hand und unter Belastung beim Longieren oder unter dem Reiter. Bei Bedarf werden Spezialverfahren zur Diagnostik hinzugezogen.

Massnahmen zur Vorbeugung
Sobald der Schmerz lokalisiert ist, kann dagegen vorgegangen werden, zum Beispiel mit Entzündungshemmern, die über das Futter verabreicht werden, dem gezielten Spritzen von Kortison direkt ins Gelenk oder manuellen Therapien zum Lösen von Verspannungen oder Blockaden. In besonderen Fällen, wie bei bestimmten Formen von Kissing Spines, einem Engstand der Dornfortsätze der Wirbelsäule, kann auch ein chirurgischer Eingriff zum Erfolg führen.

Zur Verbesserung der Rückentätigkeit sollten Pferde mit Rückenproblemen regelmässig longiert werden. Vom Sattel aus hat der Reiter eine starke Aufrichtung zu vermeiden und das Pferd bewusst in die Tiefe, also in einer Dehnungshaltung mit aufgewölbtem Rücken vorwärts-abwärts zu reiten.

Die Diagnose und Behandlung von Rückenerkrankungen sind meist aufwendig, teuer und nicht immer von Erfolg gekrönt. Der Fokus sollte deshalb auf der Prophylaxe liegen. Je besser ein Pferd trainiert ist, desto besser sind seine Rückenmuskeln entwickelt und desto schonender kann das Gewicht des Reiters getragen werden. Wichtig ist zudem ein Reiter, der in der Lage ist, mit dem Pferd  Dressurlektionen korrekt auszuführen. Da sich selbst bei erfahrenen Reitern gerne schlechte Angewohnheiten oder sogar Fehler einschleichen, ist die periodische Überprüfung durch einen guten Reitlehrer oder Ausbildner Pflicht.

Um Rückenerkrankungen vorzubeugen, braucht das Pferd ein seiner körperlichen Leistungsfähigkeit und seinem Alter angepasstes Training mit viel Abwechslung. Dazu gehört regelmässiges Longieren, Stangen- und Cavalettiarbeit, sowohl unter dem Reiter wie auch an der Longe, sowie Ausritte mit konditionsfördernden Elementen wie lange Galoppaden und Bergauf-Trab. Auch freie Bewegung auf der Weide ist für einen gesunden Rücken förderlich.