Mit dem Wälzen – in der Schweiz verwendet man dafür auch den Ausdruck «Wallen» –  ist es ein bisschen wie mit dem Gähnen: Es kann ansteckend sein. In einer Pferdeherde wälzen sich oft mehrere Pferde gleichzeitig oder hintereinander, wenn einmal eines damit angefangen hat. Gerne wird dazu ein und dieselbe Stelle benutzt, wobei das ranghöchste Tier beginnt.

Jedes Pferd hat seine eigene Wälz-Technik, doch meist läuft der Vorgang wie folgt ab: Das Pferd sucht eine geeignete Stelle, bevorzugt werden schlammige Pfützen, sandige oder erdige Mulden, Sägespäne, frisches Stroh und Pulverschnee. Der Boden wird ausgiebig betrachtet, beschnuppert und seine Beschaffenheit mit scharrenden Vorderhufen überprüft. Viele Pferde drehen sich dann ein oder mehrere Male trippelnd im Kreis, bevor sie mit allen vier Beinen leicht abknicken und sich direkt oder über die Vorderfusswurzelgelenke («Knie») zur Seite fallen lassen. Dann wälzen sie sich mit zufriedenem Gesichtsausdruck genüsslich und ausgiebig auf dem Boden.

Wälzen ist ein Ausdruck von Wohlbefinden
Manche Pferde rollen sich über den Rücken hin und her, andere wälzen sich erst auf der einen Seite, stehen dann auf und wälzen sich auf der anderen. Ist der Vorgang beendet, stemmt das Pferd seinen Oberkörper hoch und springt meist mit einem Satz wieder auf alle vier Beine. Anschliessend schüttelt es sich ausgiebig, um losen Schmutz oder Schnee aus dem Fell zu entfernen, manche prusten dabei behaglich. Nur schon beim Zuschauen wird klar, dass es sich beim Wälzen um einen Ausdruck von Wohlbefinden handelt. Fühlt sich das Pferd nicht wohl oder befindet es sich in einer Umgebung, die es verunsichert, wird es sich nicht wälzen. Mit einer Ausnahme: Auch Pferde, die Schmerzen haben, etwa wegen einer Kolik, wälzen sich.

Der Unterschied zum Wälzen aus Genuss ist allerdings gut erkennbar. Früher galt, dass sich Koliker nicht Wälzen dürfen, weil man eine Verschiebung des Darms befürchtete. Heute ist diese Meinung überholt. Studien haben sogar bewiesen, dass sich leichte Darmverschlingungen durch das Wälzen wieder lösen können. Darauf darf man sich aber nicht verlassen: Bei einer Kolik muss immer der Tierarzt gerufen werden.

Auch gesunde Pferde wälzen sich nicht nur zum Vergnügen, es dient in erster Linie der Körperpflege. Neben der sozialen Körperpflege, bei der sich Pferde gegenseitig putzen und beknabbern, ist das Wälzen ein sogenanntes Eigenpflegeverhalten. Durch den biomechanischen Vorgang, der Druck und Reibung erzeugt, werden lose Haare, abgestorbene Hautzellen, Schweiss, Verkrustungen sowie Parasiten entfernt. Die Haut wird gut durchblutet und die Muskeln je nach Untergrund massiert.

Ein schmutziges Pferd ist ein glückliches Pferd
«Auch durch das An- und Entspannen der Muskeln beim Wälzen ergibt sich eine gewisse Lockerung. Ebenso hat das Aufstehen und Schütteln nach dem Wälzvorgang eine lösende Wirkung auf die Muskeln und den Bewegungsapparat», erklärt Brigitte Stebler, Tierphysiotherapeutin und Präsidentin des Schweizerischen Verbandes für Tierphysiotherapie SVTPT. Das Wälzen verlangt und fördert eine gute Beweglichkeit im Rücken des Pferdes, vor allem im Übergang Halswirbelsäule–Brustwirbelsäule. «Dort wird auch der Schwung geholt, der für das Überwälzen, also das Drehen auf die andere Seite erforderlich ist, der Impuls dafür kommt aus dem Hals», sagt Stebler. Fehlt diese Mobilität, können Blockaden oder Verspannungen vorliegen. Pferde mit Rückenschmerzen wälzen sich deutlich weniger häufig oder gar nicht mehr.

Pferde wälzen sich das ganze Jahr über, aber besonders häufig im Fellwechsel, also im Frühling und zum Winteranfang, um den natürlichen Vorgang zu beschleunigen. Auch Pferde, die nicht jeden Tag Weidegang geniessen, sollten eine Gelegenheit zum Wälzen erhalten, zum Beispiel auf dem Sandplatz oder in der Reithalle. Für den Reiter ist es zwar nicht lustig, vor dem Satteln erst eine dicke Schlammkruste vom Pferd abkratzen zu müssen – er sollte in diesen Augenblicken aber bedenken, dass ein schmutziges Pferd in den meisten Fällen auch ein glückliches Pferd ist.