Wer Tiere züchtet, tut gut daran zu wissen, ob er ein Männchen oder ein Weibchen vor sich hat. Bei Säugetieren zum Beispiel tut er sich dabei in aller Regel sehr leicht. Neben einem meistens massigeren Körper liegen beim männlichen Geschlecht etwa die primären Geschlechtsmerkmale wie Hoden und Penis ausserhalb des Körpers. Kein Problem also, den Rammler auf einen Blick von der Zibbe zu unterscheiden.

Manch ein Taubenzüchter wünscht sich,  es wäre bei seinen Tauben auch so einfach. Ohne intensives Beobachten seiner Tiere wird er nämlich kaum je sagen können, welches Geschlecht er vor sich hat, so ähnlich sind sich Täuber und Täubin. Selbst das Verhalten ist nicht immer eindeutig. Es hat wohl jeder eine Anekdote davon auf Lager, wie der vermeintliche Täuber mit intensivem Balzgehabe zu guter Letzt doch eine Täubin war. Umgekehrt präsentiert sich mancher Jungtäuber trotz Unterbringung bei den Alttäubinnen nicht und wird dann als Täubin verpaart. Wohl jedem Züchter ist es schon einmal passiert, dass er zwei gleichgeschlechtliche Tiere ohne Wissen miteinander verpaart hat und sich wunderte, weshalb das «Paar» nicht funktioniert.

Männchen haben grössere Warzen

Auch wenn die Geschlechtsbestimmung bei Tauben schwierig ist, ganz unmöglich ist sie nicht. Es gibt durchaus sekundäre Geschlechtsmerkmale, die ein Züchter heranziehen kann. Landläufig sagt man etwa, dass die Schnabelwarzen bei den Täubern kräftiger entwickelt sind als bei den Täubinnen. Bei Rassen mit üppiger Warzenausprägung kann das auch funktionieren. Bei anderen hingegen, bei denen die Warzen rassentypisch klein sein sollen, fällt diese Unterscheidung fast gänzlich weg. 

Ein weiterer Tipp ist das Fühlen der Legebeine. Sind diese eng, soll es ein Täuber sein. Kann man einen Finger dazwischenlegen, soll es eine Täubin sein. Schliesslich muss ja ein Ei hindurchpassen. Es wird jedoch bewusst von «soll» geschrieben, denn leider gibt es auch hier keine Regel ohne Ausnahme.

Zu guter Letzt nimmt man auch bei Tauben an, dass die Männchen kräftiger sind als die Weibchen. Man kann nur jedem Züchter raten, darauf zu achten. Gerade auch, wenn es um Zuchttäubinnen geht. Sind sie nämlich zu kräftig – man spricht gerne von «Mannsweibern» – gerät die Zucht in eine Sackgasse. Ihnen fehlt das Mütterliche und auch die Eier sind meistens zu gross.

Texanerzüchter im Vorteil

Alles in allem sind es also Faktoren zur Geschlechtsbestimmung, die nicht zu einhundert Prozent sicher sind. Eine Sicherheit findet sich nur bei ganz wenigen Taubenrassen. Bei ihnen hat der Täuber andere Gefiederfarben als die Täubin – dieses Phänomen nennt man Kennfarbigkeit. 

In unserem gültigen Standard sind drei Taubenrassen anerkannt, die als kennfarbig gelten. Die Texaner sind die Einzigen unter ihnen, die immer kennfarbig sind. Dazu kommen die Thüringer Einfarbigen und die Basraer Wammentauben, wenngleich es diese auch in Farbenschlägen gibt, bei denen beide Geschlechter gleich gefärbt sind.

Wie der Name es vermuten lässt, stammen die Texaner aus den Vereinigten Staaten von Amerika und wurden dort eher zufällig als Wirtschaftstaube erzüchtet. Gerade in solch grossen Taubenbeständen ist es natürlich ein riesiger Vorteil, wenn man die Paare nach der Farbe auswählen kann. 1932 wurde der verantwortliche Erbfaktor erstmals ausfindig gemacht. Dieser sorgt dafür, dass die Täuber immer heller, in Kennfarbig-hell fast weiss sind – meistens haben sie nur ein paar farbige Spritzer am Hals –,  während die Täubinnen mehr oder weniger farbig sind. Charakteristisch ist, dass Binden oder Hämmerung bei den Täubinnen eher verwaschen erscheinen.

Auf einem anderen Erbfaktor, der Kennfarbigkeit nach sich zieht, beruht die Farbgebung der Thüringer Einfarbigen. Interessant ist, dass diese Rasse in Mitteleuropa entstanden ist und bis vor ein paar Jahrzehnten trotzdem nichts so Rechtes über sie bekannt war. Selten wurde über eine Rasse so viel Falsches geschrieben wie über die Thüringer Einfarbigen. 

Es ist dem Interesse einiger Taubenzüchter zu verdanken, dass allmählich Licht ins Dunkel gebracht wurde. So werden heute die verschiedenen Farbenschlaggruppen sehr zielgerichtet miteinander verpaart, um standardgerechte Tiere zu züchten. Lange Zeit konnte man lesen, dass aus jedem Farbenschlag jeder Farbenschlag fallen kann. Heute ist bekannt, dass das nicht stimmt. 

Während die Farbenschläge der Texaner schlichte und nüchterne Namen wie «kennfarbig hell», «kennfarbig dunkel» oder «kennfarbig gelb» tragen, sind die Täuberfarben bei den Thüringer Einfarbigen fantasievoller umschrieben: «blaugrundfarbig», «hellgrundfarbig» und «gelbgrundfarbig» heis­sen sie. Diese Farbspiele kommen bei keiner anderen Rassetaube vor. Und das will schon etwas heissen, wenn man bedenkt, wie viele Rassen es in unzähligen Farbenschlägen gibt.

Relativ ähnlich zeigen sich die Farbenschläge bei der Basraer Wammentaube. Also einer Rasse, die auf dem Gebiet des heutigen Irak zu Hause ist. Damit zeigt sich, dass kennfarbige Tauben in grundverschiedenen Regionen der Welt entstanden sind. Auch wenn sie im Erscheinungsbild alle miteinander unterschiedlich sind, kann man das Geschlecht doch an ihrer Gefiederfarbe bestimmen. 

Junges Genetik-Experiment

Das ist auch bei platinfarbenen Pommerschen Schaukappen möglich. Hier sind die Täuber heller als die Täubinnen. Dieser Farbenschlag ist aber erst vor ein paar Jahrzehnten aufgetreten, noch dazu bei dem durch seine Taubengenetik-Versuche weltbekannten Axel Sell aus der Nähe von Bremen. Schon alleine deshalb ist seine Entstehung und Vererbung sehr gut dokumentiert. Leider ist dieser attraktive Farbenschlag mit seinem Alleinstellungsmerkmal bis heute sehr selten geblieben. 

Die Platinfarbenen sind damit nicht allein: Mit Ausnahme der Texaner sind alle kennfarbigen Rassen mehr oder weniger selten. Die Gründe dafür sind unklar, da sie vor allem für Liebhaber zarter Farben perfekt sind. Als kostenlose Dreingabe bekommt man die Leichtigkeit der Geschlechtserkennung – und das ist nicht zu unterschätzen. Vielleicht liegt die geringe Verbreitung aber auch einfach darin begründet, dass man sie so selten zu Gesicht bekommt und viele Züchter deshalb leider nur wenig über sie wissen. Sie sind also in gewisser Weise ein Geheimtipp.