An Vogelausstellungen oder in öffentlichen Volieren werden die Vögel meist angeschrieben, die zu sehen sind. Auf dem Schild ist der wildfarbige Vogel abgebildet, doch in der Voliere fliegen manchmal auch andersfarbige, welche die Besucherin oder der Besucher auf der Informationstafel nicht finden. Für eingefleischte Züchter ist klar, dass es sich um Farbmutationen handelt, weniger mit der Materie vertraute denken manchmal, dass die Farbabweichung ein Geschlechtsmerkmal sei, oder meinen, es handle sich um eine andere Art.

Mutationen sind spontan auftretende, dauerhafte Veränderungen des Erbguts. Farbliche Veränderungen werden dabei am besten sichtbar. In der Natur überleben die Individuen einer Art, die am besten an die Umweltbedingungen angepasst sind. Der Ziegensittich auf Neuseeland ist hauptsächlich grün gefärbt, weil er Wälder und Buschlandschaften bewohnt – und dort mit seinem grünen Gefieder hervorragend getarnt ist. In seltenen Fällen kommt es vor, dass ein Jungvogel mit farbverändertem Gefieder schlüpft. Wenn er ausfliegt, fällt er dermassen schnell auf, dass ein Raubvogel ihn eliminiert, noch bevor er die Geschlechtsreife erreicht.

Würde nun aber ein Ziegensittich mit viel Gelb im Gefieder ausfliegen und die Landschaft hätte sich verändert mit gelblichem, dürrem Gras oder mit Sträuchern voller gelber Blüten, würde vermutlich dieser gelbe Ziegensittich überleben. Er würde sich fortpflanzen und seine veränderten Gene weitergeben. So entstünde vielleicht eine überlebensfähigere Unterart. Eventuell würden die grün gefärbten mit den Jahrtausenden gar aussteben und sich nur jene mit gelbem Gefieder durchsetzen.

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Auch Wildfarbige erhalten
Farbabweichungen im Gefieder gibt es auch bei vielen Vogelarten, die unter Menschenobhut gehalten werden. Anders als in der Natur droht ihnen keine Gefahr, wenn sie ausfliegen. Im Gegenteil, die Züchterin oder der Züchter freuen sich oft über diese Besonderheiten und züchten mit ihnen weiter. Ein völlig gelber Ziegensittich mit roter Stirn und rotem Wangenfleck sieht besonders aus. Bei Wellensittichen, vielen Grosssittichen, Unzertrennlichen und Finkenvögeln sind darum Mutationen in der Zucht teilweise beliebt. Es gibt sehr viele Spielarten von Mutationen, die auch Zuchtrichter bei der Bewertung an Ausstellungen herausfordern. Manche Züchter lehnen Mutationen bewusst ab und widmen sich den Wildfarben, andere haben sich ihnen besonders verschrieben.

Rein gelbe oder gescheckte Kanarien entstanden durch züchterische Selektion. Es wurden immer wieder die Individuen miteinander verpaart, die mehr Gelbanteil im Gefieder haben. Solche Farbveränderungen sind theoretisch auch in der Natur möglich. Kanarien mit Rotanteil im Gefieder hingegen entstanden durch das Einkreuzen des Kapuzenzeisigs mit Kanarien.

Hier handelt es sich um eine Transmutation, die in der Natur nicht vorkommt. Auch wenn beispielsweise Hellrote-, Gelbbrust- und Dunkelrote Aras im gleichen Gebiet in Peru leben und ebenso dieselben Lehmlecken benützen, wurde noch nie beobachtet, dass es dort zu artfremden Verpaarungen kommt. Unter Menschenobhut hingegen schon. Doch dies sollte in der Zucht unbedingt vermieden werden, da es gilt, artenreine Bestände zu erhalten.

Wenn Mutationen einer Vogelart gezüchtet werden, sollte immer darauf geachtet werden, dass die wildfarbige Variante in reinen Stämmen in den Volieren ebenso erhalten bleibt. Bei der Mutationszucht besteht die Gefahr, dass aufgrund enger Genetik Zuchtstämme weniger fruchtbar oder gar schwächlich werden.