Rote Fische schiessen in eine Ecke des Aquariums. Daniel Grimm füttert seine Roten Schwertträger mit Flockenfutter. In einem Aquarium unterhalb drängen sich Guppymännchen mit schönen, farbigen Schwanzflossen an die Frontscheibe. «Es sind lustige Fische», sagt er. Sie zählen zur Gattung Poeciliinae, die auf Deutsch Lebendgebärende Zahnkarpfen genannt werden, weil die Weibchen tatsächlich lebende Junge gebären. Grimm ist Inhaber von Zoo Thun, einer unter Aquarianern sehr bekannten Zoohandlung. «Lebendgebärende Zahnkarpfen sind für uns sehr wichtig, doch leider sind sie manchmal etwas problematisch», sagt er und betrachtet mit kritischem Blick die Black Mollys, die im Nebenaquarium schwimmen. 

Lebendgebärende Zahnkarpfen gehören zum Standardsortiment von Zoohandlungen und werden in älteren Aquarienbüchern als ideale Anfängerfische bezeichnet. Grimm aber wendet ein, dass heute gerade viele Arten überzüchtet seien. Manche würden unter sterilen Konditionen vermehrt, sodass sie Probleme hätten, sich an unsere Wasserbedingungen anzupassen. 

Lebendgebärende Zahnkarpfen
In Zentral- und Südamerika leben um die 200 verschiedene Arten von Lebendgebärenden Zahnkarpfen in vornehmlich hartem Süsswasser, selten auch in Brackwasser. Sie legen keine Eier, sondern die Weibchen gebären lebende Junge. Die Geschlechter unterscheiden sich, weil Männchen in der Afterregion das Gonopodium haben, einen verlängerten Fortsatz, mit dem sie sich bei der Begattung in der weiblichen Geschlechtsöffnung verankern. Weibchen haben kleine, runde Flossen in der Afterregion.

Robust, aber von Bakterien befallen
Obwohl: Gerade Lebendgebärende Zahnkarpfen kommen sehr gut mit unserer Wasserqualität zurecht. Sie bevorzugen kalkhaltiges Wasser, das an den meisten Orten aus Schweizer Hähnen fliesst. «Wenn wir Nachzuchten von Kunden übernehmen, die Lebendgebärende Zahnkarpfen züchten, handelt es sich immer um robuste Fische», sagt Grimm. Dieser Aussage pflichtet Erich Bühlmann, Präsident des Dachverbandes der Aquarien- und Terrarienvereine SDAT, bei: «Nachzuchten von Kollegen sind problemlos zu halten.» 

Ein Problem stellen allerdings die Bakterienstämme dar, die in jeder Fischzucht anders sind. Gemischte Bestände sind deshalb besonders heikel. Es sei normal, dass Fische gewisse Parasiten trügen, sagt Grimm. «Sie leben damit.» Doch in Stresssituationen, wie eben während des Transports oder bei dichtem Besatz, kämen sie zum Ausbruch. 

Fabian Boffa, stellvertretender Geschäftsführer von Qualipet, einer Schweizer Zoohandelsfirma mit 90 Filialen, stellt gar fest: «Lebendgebärende Zahnkarpfen sind heute schwächer.» Das hänge mit der Genetik der Fische und der Zucht erbfester Variationen zusammen. 

Viele Zuchtbetriebe arbeiten gut
Trotzdem eignen sich viele Zuchtformen gut für die Aquaristik. Daniel Grimm betont, dass nicht generell alle Lebendgebärenden heute schwierig zu halten seien. «Es kommt auf die Art an.» Die rein roten Platys mit gedrungenen Formen seien heikel. Viel weniger schwierig seien länglichere Platys in anderen Farben oder die roten mit schwarzen Schwanzflossen. Sie werden Wagtail Platy genannt. Von den Korallenplatys distanziert Grimm sich klar. «Diese Zuchtform mit gedrungenem Körperbau ist in Asien populär, doch sie ist sehr anfällig für Krankheiten. Darum führen wir sie nicht.»

Erich Bühlmann lobt besonders Endlers Guppys als problemlose und stabile Fische. Es handelt sich um eine bunte Wildform, die wesentlich kleiner als die Zuchtform ist. Fabian Boffa rät, keine exotischen Kreuzungen Lebendgebärender Zahnkarpfen zu erwerben, sondern sich auf die Standardformen wie beispielsweise Red Platy und Red Wagtail zu konzentrieren. 

Daniel Grimm bestellt seine Fische über einen Grossisten oder bezieht von engagierten Freizeitzüchtern Nachzuchten. Die kommerzielle Zucht lohne sich in Europa kaum. Er berichtet von einer Aquarienfischzucht in Malaysia, die er besucht habe: «In Urwaldtümpeln mit grünem Wasser schwammen Platys von bester Qualität», sagt er. Das sei die letzte Phase der Zucht. Während den ersten Lebenswochen schwämmen die Jungfische in Betonbehältern. Sie würden mehrere Male täglich mit proteinreichem Futter gefüttert, sodass sie im Alter von vier bis sechs Monaten verschickt werden könnten. 

Vermehrungsfreudige Fische
Nach wie vor sind Lebendgebärende reizvolle Fische. Wem es gelingt, Zuchtformen aus dem Handel möglichst rasch nachzuzüchten, hat langfristig Freude an den attraktiven und lebhaften Tieren. Denn Lebendgebärende vermehren sich ohne unser Zutun. Die Jungen gedeihen bestens. In stark bewachsenen Aquarien können sich stecknadelgrosse Jungfische zwischen den Pflanzen verstecken, sodass immer einige überleben. 

Besonders fein verästelte Schwimmpflanzen an der Wasseroberfläche sind ideale Versteckmöglichkeiten für Jungfische. Altfische und andere Aquarienfische stellen den Jungen nach, die frisch nach Schlupf absinken, um ihren Dottersack aufzuzehren, und erst einige Tage später die Schwimmblase ausbilden und frei schwimmen.

Da Männchen ihre Weibchen stets treiben, sollten immer mehr Weibchen vorhanden sein. Dichter Pflanzenwuchs bietet Rückzugsmöglichkeiten. Schwertträger eignen sich nicht für kleine Aquarien, Guppys oder Platys können hingegen auch in kleineren Becken gehalten und gezüchtet werden. Lebendgebärende Zahnkarpfen würden im Durchschnitt zwei Jahre alt,  schätzt Grimm. Sie sollten mit kommerziellem Fischfutter, gefrorenen Mückenlarven und überbrühtem Spinat gefüttert werden. Sobald sie Futter vermuten, schwimmen alle an die Frontscheibe, wie in den Aquarien von Daniel Grimm.