Jetzt ans Aufwachen denken
Winterruhe für mediterrane Landschildkröten
Mediterrane Landschildkröten halten eine Winterstarre. Sie dauert durchschnittlich fünf Monate. Was es zu beachten gilt, dass Schildkröten gut überwintern und gut wieder aufwachen.
Die Breitrandschildkröte Kassiopeia verschwindet langsam in der lockeren Erde. Sie gräbt sich ein, bis ihr Panzer ganz mit dem Substrat gedeckt ist. Das Prozedere scheint mühsam, doch für die Schildkröte ist es normal, hat sie doch alle Zeit im Leben. Mediterrane Landschildkröten werden 80 Jahre alt, oft auch 100.
Landschildkröten aus dem Mittelmeerraum verbringen die kalte, nahrungsarme Zeit in der Winterstarre. Sie dauert etwa von Mitte Oktober bis Mitte März. Breitrandschildkröten begeben sich später in die Winterstarre als Griechische und Maurische Landschildkröten und erwachen im Frühling auch früher. Sie folgen einem instinktiven Rhythmus, obwohl sie längst nicht mehr im natürlichen Herkunftsgebiet leben.
«Mediterrane Landschildkröten sollten nicht mehr gezüchtet werden.»
Rolf Brun, Vorstandsmitglied SIGS
Kassiopeia überdauert den Winter im Erdreich, geschützt von einem hochwertigen Frühbeetkasten aus Doppelstegplatten im Garten Rolf Bruns im thurgauischen Weinfelden. Der Präsident der Sektion Ostschweiz der Schildkröten-Interessengemeinschaft Schweiz (SIGS) sagt: «Der Moment, wo sich mediterrane Landschildkröten eingraben, ist genetisch gesteuert. Es kommt auf den Herkunftsort der Schildkröte an.» Habe sie oder ihre Vorfahren auf Meereshöhe gelebt, würde sie später einwintern, als wenn sie aus einer Population aus dem Berggebiet stamme. «Die genetische Information bleibt erhalten, auch wenn die Schildkröte in der Schweiz lebt.»
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Die mediterranen Landschildkröten würden sich in den Boden unter den entsprechenden Häuschen vergraben, sagt Rolf Brun. Der Experte betont: «Es ist wichtig, dass sie im Winter geschützt sind.» Er beschreibt auch gleich, wie so ein Schildkrötenhaus aussehen muss: «Doppelstegplatten stehen auf einem gemauerten Fundament, das 60 Zentimeter bis zu einem Meter tief ins Erdreich reicht. Unten befindet sich ein feinmaschiges Gitter.» Das Substrat sollte aus einem Gemisch aus Erde und Sand bestehen. «Die Schildkröten graben sich dann meist natürlicherweise an dieser Stelle ein.» Wenn alle eingegraben sind, füllt Brun den Luftraum bis zum Dach mit trockenem Laub und verschliesst die Eingangstüre. Bei sonnigen Tagen hebt er die Decke des Häuschens an oder legt eine Decke darüber, damit sich der Innenraum nicht zu fest erwärmt. Im Häuschen sind sie vor Kälte und Fressfeinden wie Mäusen und Mardern geschützt.
Heikle Phase des Aufwachens
Die Schildkröten müssten nicht speziell auf die Winterruhe vorbereitet werden, sagt Rolf Brun. Früher habe man sie vorher in warmem Wasser gebadet, damit sie ihren Darm entleert hätten. «Das ist nicht notwendig.» Durch das weniger intensive Licht und die geringere Lichtdauer im Herbst würden Schildkröten kaum noch Nahrung zu sich nehmen. Zudem: Für eine gesunde Schildkröte sei es kein Problem, wenn sie noch wenig Nahrung im Darm habe. «Wesentlich ist, den Kot im Sommer durch einen Exotentierarzt auf Würmeruntersuchen zu lassen.» Wurmbefall müsse nach Angaben des Veterinärs behandelt werden. «Da unter Menschenobhut Schildkröten immer auf dem gleichen Terrain leben, ist der Parasitendruck höher als in der Natur», sagt Rolf Brun.
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Jetzt, wenn die Reptilien ruhten, sei bereits an das Aufwachen zu denken, betont der Schildkrötenfreund. «Es ist wichtig, dass am Ende der Winterstarre, wenn die Tiere aufwachen, zusätzliche Wärme mit Licht gewährt wird. Die natürliche Wärme der Sonne bei uns, nördlich der Alpen, reicht nicht aus.» Es sei ein besonders heikler Moment, wenn die Reptilien im Frühling aufwachen würden. Rolf Brun gibt zu bedenken: «Wenn die Sonne im Mittelmeergebiet im Frühling scheint, wird es dort tagsüber auch ab Ende Februar am Boden in steinigem Gebiet genügend warm.» Die wechselwarmen Tiere könnten sich so auf die optimale Körpertemperatur von 37 °C erwärmen. «In unseren Breiten ist das aber nicht der Fall. Zudem ist der Schweizer Frühling durch anhaltende Kälteperioden geprägt.» Wenn sich die Schildkröten deswegen über längere Zeit nur ungenügend erwärmen könnten, sei ihre körpereigene Abwehr gegen Krankheitserreger reduziert. «Dies führt zu einem grossen Krankheitsrisiko.» Bleibe es nach dem Winterschlaf kalt, könne die Schildkröte keinen Abwehrmechanismus ausbilden, sagt Rolf Brun.
Um den Schildkröten eine mediterrane Umgebung zu schaffen, sind Leuchten aus dem Zoofachhandel unerlässlich. Sie geben Wärme, kombiniert mit Helligkeit ab. Rolf Brun betont: «Schildkröten verbinden Licht immer mit Wärme. Ein Wärmestrahler reicht darum nicht aus!» Eben wie im Mittelmeerraum, wo das gleissende Sonnenlicht auf steinige Erde trifft und sie erwärmt, sodass den Schildkröten wohlig ist. «Wenn die Sonne am Tag scheint, sollte die Wärmelampe abgeschaltet werden.»
Rolf Brun räumt ein, dass es auch Schildkrötenhalter gebe, die der Meinung seien, dass technische Hilfe nicht notwendig sei. Er stellt klar: «Nördlich der Alpen kommen Landschildkröten natürlicherweise nicht vor. Also sollten wir ihnen gerade in der Startphase nach der Winterstarre Bedingungen schaffen, wie sie in ihren Heimatgebieten vorherrschen. Die Haltung muss sich am Klima in den Herkunftsländern orientieren.»
Schildkröten eine zweite Chance geben
Der Spezialist findet, dass es sinnvoll sei, die Arten getrennt zu halten. «Die Reptilien haben zwar ähnliche Bedürfnisse. Wir gehen aber davon aus, dass sie untereinander nicht gleich kommunizieren.» Zudem seien Hybriden nicht erwünscht. Wobei: Rolf Brun fordert: «Mediterrane Schildkröten sollten nicht mehr gezüchtet werden. Die Auffangzentren sind voll.» Es gebe zahlreiche alte Leute, die nach Plätzen für ihre Schildkröten Ausschau hielten. Wer Schildkröten möchte, sollte Tieren aus einer Auffangstation eine Chance geben, etwa aus dem Centre Emis, Association Protection et Récupération des Tortues» in Chavornay (VD). Dort warten Tausende von Schildkröten auf einenguten Platz. Ein verantwortungsvoller Schildkrötenhalter vernichtet die Eier seiner Tiere.
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Tendenziell gebe es zu viele Männchen, sagt Rolf Brun. «Sie sind aufdringlich und wollen sich dauernd paaren.» Die Kastration von männlichen Schildkröten, die durch Exotentierärztinnen durchgeführt würde, sei eine gute Lösung, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Eine andere Möglichkeit sei, eine grössere, reine Männchengruppe zu bilden, wodurch sich die Aggressionen oft im erträglichen Rahmen halten würden. Es sei gesetzlich vorgeschrieben, dass mediterrane Landschildkröten im Sommer draussen gehalten würden. Was im Schildkrötengehege wachse, würde als Nahrung nicht ausreichen. «Kräuterreiches Heu und zusätzliches Grünfutter wie Spitzwegerich und Löwenzahn, gerne auch stachelige Pflanzen und Blüten von Sträuchern, müssen zusätzlich gereicht werden», sagt Rolf Brun. Er verweist auch auf Kräuterpellets für Schildkröten aus dem Zoofachhandel. So kommen die Panzertiere wie Kassiopeia gut durch den Sommer, bis es für sie wieder Zeit ist, sich über die kalten Wintermonate einzugraben.
SIGSDie Schildkröten-Interessengemeinschaft Schweiz (SIGS) besteht aus neun Sektionen und vereint etwa 1400 Mitglieder. Sie unterstützt die artgerechte Haltung unter Menschenobhut, fördert das Wissen über frei lebende Schildkröten und setzt sich für Artenschutz ein. Der Verein besteht seit 1985. Mitglieder erhalten viermal jährlich die vereinseigene Fachzeitschrift Testudo.
Weitere Informationen: sigs.ch und tortue.ch
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