In den letzten Monaten gingen manche Schreckensmeldungen durch sozialen Medien: Geschützte Kakteengewächse (Cactaceae) würden vermehrt unrechtmässig in europäische Länder eingeführt. Die gute Nachricht vorweg: Der illegale Pflanzenimport in der Schweiz unterliegt keinem Trend – obwohl in den sozialen Medien oft verwirrliche Meldungen zu lesen sind. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) verzeichnet weder beim legalen noch beim illegalen Import von Cites-Pflanzen eine signifikante Zunahme. Und auch Hans Walter Müller vom Wyss-Gartenhaus sagt, dass die Nachfrage nach Grünpflanzen, insbesondere nach hochpreisigen Exemplaren, bereits wieder etwas nachgelassen habe.

Nichtsdestotrotz: Tropenpflanzen zaubern einen Hauch von Exotik in die winterliche Wohnung. Besonders solche mit attraktiven Blattformen und -farben sind beliebt. Hans Walter Müller, Mitglied der Geschäftsleitung der Wyss Samen und Pflanzen AG, sagt: «Die Nachfrage nach speziellen, exotischen Grünpflanzen hat bei uns bereits 2019 begonnen und hat sich während der Coronazeit verstärkt.» Die Firma mit Sitz in Zuchwil im Kanton Solothurn betreibt verschiedene Standorte mit grossen Gartenzentren in der Schweiz.

Als Renner im reichen Sortiment der tropischen Blattpflanzen bezeichnet Müller die Aronsstab-(Araceae) und Pfeilwurzgewächse (Marantaceae). Sie fallen durch ihre grossen, attraktiv gemusterten Blätter auf. In den Wyss-Gartencentren werden zudem etliche besondere Varianten der Gattungen Anthurium und Philodendron angeboten. Auffallend sind die hohen Preise dieser Exemplare. Hans Walter Müller sagt dazu: «Diese Pflanzen werden nicht in so grossen Mengen produziert und sind in der Anzucht aufwendiger.» Sie hätten eine lange Kulturzeit in Warmhäusern, nicht jede entwickle sich gut.

[IMG 2]

Die Pflanzen in den Treibhäusern der Schweizer Gartenzentren haben einen langen Weg hinter sich, sie stammen meist aus dem Ausland. Wichtig zu wissen: Nicht nur der internationale Handel mit Tieren ist geregelt, unter das Cites-Abkommen (siehe Kasten) fallen auch manche Pflanzenarten. Aber wann wird eine Art im Cites gelistet? Estelle Hain vom BLV erklärt: «Für die Aufnahme in die Cites-Anhänge spielen sowohl Handelskriterien, also Handelsvolumen und internationaler Handel, als auch biologische Kriterien wie Populationsgrössen oder die Grösse des Verbreitungsgebiets eine Rolle.» Wenn also wild lebende Pflanzen einer Art durch den Handel in ihrer Population bedroht würden, könne ein entsprechender Vorstoss an die Cites-Vertragsstaaten eingereicht werden. Dafür aber müssten verlässliche wissenschaftliche Daten als Entscheidungsgrundlage vorliegen.

Wie verhält es sich da mit dem Grün auf Fensterbänken? Hans Walter Müller sagt über die Herkunft der gehandelten Tropengewächse in den Wyss Gartenzentren: «All diese Pflanzen werden in Europa produziert, beispielsweise in den Niederlanden, Dänemark oder Belgien.» Das Ausgangsmaterial könne auch aus anderen Ländern stammen. Er stellt klar: «Unsere Grünpflanzen und alle Zimmerpflanzen kommen nie aus direkten Wildbeständen. Meist sind es Zuchtformen.»

Auch Hybriden können Cites-gelistet sein

Doch auch für gewisse Arten von Hybridpflanzen oder gezüchteten Wildformen sind Einfuhrbewilligungen mit genau definierten Dokumenten und Zertifikaten erforderlich. Bestimmungen unterlägen beispielsweise Agaven, Angehörige der Gattung Aloe, Elefantenfüsse (Beaucarnea), teilweise karnivore Pflanzen und Tillandsien, sagt Hans Walter Müller. Sie stammen zwar aus Zuchten, doch sie dürfen nur mit Cites-Papieren eingeführt werden. «Wenn wir Bedarf an Cites-Pflanzen haben, melden wir ihn beim Pflanzenexporteur an.» Das Beantragen und Ausstellen der entsprechenden Dokumente brauche einen Vorlauf von sechs bis acht Wochen.

Weiter fallen unter das Cites-Abkommen sämtliche Orchideenarten, sogar die Hybriden. Wer mit einer Orchidee über die Grenze reist, muss sie legal importieren – mit Cites-Papier sowie Importbewilligung. Dass unter diese Regelung auch Hybriden fallen, ist eine Hilfe für das Zollpersonal, da es schwierig sein kann, Wildexemplare von Hybriden zu unterscheiden. Dies ist also ein Schutz für alle wild lebenden Orchideen.

Estelle Hain unterstreicht: «Dem Cites-Abkommen unterstellte Pflanzen müssen grundsätzlich immer mit Bewilligungen importiert werden. Dies gilt für Privatpersonen sowie für Firmen.» Es komme durchaus vor, dass jemand im nahen Ausland eine Pflanze kaufe und unwissentlich ohne Cites-Dokumente einführe, sagt Estelle Hain. In einem solchen Fall werde ein Verwaltungsverfahren eröffnet. Der Pflanzenhandel hingegen kenne die Bestimmungen und importiere die Ware korrekt.

Doch nach der Grenze ist nicht Schluss: Wer Cites-pflichtige Wildpflanzen selbst importiert habe, müsse deren Herkunft auch später bei einer Kontrolle noch dokumentieren können. Wer die Pflanzen aber im Schweizer Handel erwirbt, ist davon befreit. «Für künstlich vermehrte Pflanzenarten, die hier bei einem gewerbsmässigen Anbieter gekauft wurden, gilt keine Nachweispflicht», sagt Estelle Hain vom BLV. Die bekannten und beliebten Blattpflanzen der Gattungen Anthurium, Philodendron und Alocasia würden häufig gehandelt. «Sie gelten aktuell nicht als bedroht und benötigen keinen Schutz durch das Cites-Abkommen.»

Schmuggel von Orchideen und Kakteen

Estelle Hain kennt auch die illegalen Machenschaften: Es komme vor, dass seltene Pflanzen illegal eingeführt werden – persönlich transportiert oder auf dem Postweg. «Beim vorsätzlichen Schmuggel handelt es sich vorwiegend um seltene Orchideen- und Kakteenarten.» Weltweit ist das durchaus ein Problem. Orchideen und Sukkulenten wie Kakteen wachsen langsam.

Und wenn sie an ihren Wildstandorten illegal gesammelt werden, verschwinden gewisse Arten rasch, denn oft besteht ein zusätzlicher Druck auf den Lebensraum durch die Überbevölkerung. Es ist davon abzusehen, im Ausland in den Ferien an Wildstandorten Pflanzen zu sammeln. Es entstehen Probleme am Zoll, den illegalen Besitz bestrafen manche Länder gar mit Gefängnis.

In der Schweiz stellt der illegale Import von Pflanzen aber kein Problem dar. «Bei Pflanzenimporten haben wir es doch vorwiegend mit künstlich vermehrten Exemplaren zu tun», beruhigt Estelle Hain. Würden doch mal seltene Pflanzen beschlagnahmt, versuche das Amt, sie in einem botanischen Garten unterzubringen. «Wenn immer möglich, suchen wir eine Lösung, um die Pflanzen weiterzuverwenden – in den Handel können sie allerdings nicht mehr gelangen.»

SCHON GEWUSST?
Das Cites (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora) ist ein 1973 gegründetes internationales Handelsabkommen mit dem Ziel, die Tier- und Pflanzenpopulationen weltweit zu nutzen und zu erhalten. Gefährdete Arten sollen nur so weit gehandelt werden, wie dies ihre Bestände auch erlauben. Die meisten Länder haben das Abkommen unterzeichnet, so auch die Schweiz, die von Anfang an dabei ist.