Gedrungener Wuchs, Epiphyten und Regen
Unterwegs im Nebelwald an tropischer Bergflanke
Wo sich Wolken an Berghängen stauen, gedeihen Nebelwälder. Knorriger Baumwuchs, Aufsitzerpflanzen und besondere Tiere dominieren diesen seltenen Lebensraum. Ausflüge in mystisch anmutende Zonen rund um den Äquator.
Je höher der gelbe, klapprige Bus im Schritttempo über die steinige, steile Holperpiste knattert, desto mehr wandelt sich die Landschaft. Dunkler, tropischer Flachlandregenwald weicht hellgrünen Bananen- und Kaffeeplantagen. Mit jedem Höhenmeter wird die Szenerie schweizerischer. Zuletzt weiden an Hügeln mit im Abendlicht intensiv grün leuchtenden Wiesen braun und schwarz-weiss gefleckte Kühe.
Was wie im Appenzellerland wirkt, spielt sich in Monteverde im zentralamerikanischen Land Costa Rica auf etwa 1500 Metern über dem Meeresspiegel ab. Letzte Sonnenstrahlen werden vom Nebel verschluckt. Dann bricht die Nacht herein. War sie vorher im Flachland stickig-heiss, ist sie jetzt unangenehm kalt – und das in den Tropen! Anderntags offenbart sich im Nationalpark die besondere Vegetation dieses Gebiets. Der Morgen beginnt gespenstig. Nebel schleichen geisterhaft zwischen den Bäumen. Wie Theatervorhänge, die sich nur zögerlich öffnen. Sie geben punktuell den Blick auf von Moosen umwucherte Äste, Farnwedel, Bromelien und Orchideen frei. In Monteverde gedeiht Costa Ricas Nebelwald, der Wald, der in den Wolken wächst.
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Tropische Nebelwälder sind an Gebirge gebunden und kommen meistens in Höhenstufen zwischen 1000 und 3000 Metern über dem Meeresspiegel vor. Bergregenwälder gehen ab etwa 1000 Metern in Nebelwälder über. In höheren Gebirgen werden gar zwei Kondensationsstreifen unterschieden. Dort wird die Vegetation unterhalb von 2500 Metern Höhe als Wolkenwald bezeichnet. Diese Wälder entstehen an dem Wind zugewandten Bergseiten. Wolken, die sich über dem Tieflandregenwald bilden, werden an die Berghänge geweht, treiben dort als Nebel aufwärts und regnen aus. Nebelwälder sind rar, denn in den Tropen dominieren Flachlandregenwälder. Gebirge sind eher selten. Wenn sich die Nebel im tropischen Nebelwald auch immer mal wieder lichten und Sonnenstrahlen durchblitzen, so dominiert doch feuchtes Klima. Heftige Niederschläge, Wolken und Nebel verursachen eine permanent hohe Luftfeuchtigkeit.
Die Temperatur senkt sich nachts zwar aufgrund der Höhe auf unter 10 °C ab, tagsüber kann es während Sonnenperioden aber durchaus um die 20 °C warm werden. Die besonderen Bedingungen schaffen Lebensräume für Pflanzen- und Tierarten, die nur in diesen Zonen vorkommen. Ein sagenhafter Bewohner des Nebelwaldes von Monteverde ist beispielsweise der Quetzal, eine Trogonart. Seine irisierenden Federn glitzern in Grüntönen. Trotz der roten Brust ist er gar nicht so einfach zu entdecken. Manchmal lugen auch nur die langen Schwanzfedern aus einer morschen Baumhöhle.
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Von Feuerbällen und Statisten
Mit dem Nebel- und Wolkenwald ist der Name des Schweizers Henri Pittier verbunden. Pittier wurde 1857 in Bex (VD) geboren und lebte von 1919 bis zu seinem Tod 1950 in Rancho Grande, einem venezolanischen Gebiet, das sich von der Karibikküste bis in den Wolkenwald zieht. Später wurde ein Nationalpark daraus, der nach Henri Pittier benannt wurde. Der Schweizer Naturforscher und Botaniker beschrieb zahlreiche Pflanzenarten.
Sobald die Wolkenwaldzone beginnt, mehren sich Bromelien. Die Aufsitzerpflanzen oder Epiphyten halten sich mit ihren Wurzeln in den Kronen von Regenwaldbäumen fest und sammeln in ihren Blattrosetten Wasser. Entlang den steilen Hängen im Wolkenwald Venezuelas pickt der Helmhokko, ein Vertreter der Hühnervögel, nach Nahrung.
Auch in den Nebelwäldern entlang der östlichen Andenkette siedeln dank der permanent hohen Luftfeuchtigkeit Bromelien, Tillandsien, Orchideen, Farne und Moose auf den Ästen der gedrungen wachsenden Bäume. Jeder Zentimeter auf einem Ast wird ausgenützt von Pflanzengemeinschaften.
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An einer dieser steilen Andenflanken im peruanischen Nebelwald: Plötzlich liegen da zerfetzte Bromelien am Waldboden. Es handelt sich um die Überreste der Mahlzeit eines Brillen- oder Andenbären. Dieser einzelgängerische Nebelwaldbewohner ernährt sich von Trieben und Früchten der Bromelien. Der Leistenschnabeltukan aber ist schnell weggeflogen, als die Bärenstörung nahte.
Der Nebelwald hält weitere Überraschungen bereit. Frühmorgens im Halbdunkel: Zischen, Feuerbällehuschen über Äste. Feiern da etwa Trolle und Faune im Geisterwald? Es handelt sich um balzende Andenfelsenhähne mit orangerotem Gefieder. Unscheinbar nähern sich am Rand bräunliche Weibchen, geben sich völlig unbeeindruckt von den Bemühungen der Herren – und wählen schliesslich denjenigen mit dem besten Balzplatz, dem schönsten Gefieder und den vitalsten Bewegungen zur Begattung aus. Die anderen Casanovas aber bleiben Statisten, auch wenn sie sich noch so grosse Mühe geben. Während im südamerikanischen Nebelwald ein Brillenbär inmitten von mit Greisenbärten, einer grauen Tillandsienart, bewachsenen Bäumen herumklettert, hangeln sich im afrikanischen Nebelwald an den Hängen des Mount Meru in Tansania Guerezas durch die von langen Flechten besetzten Äste. Die Affen mit regennassem, langem schwarz-weissem Fell trocknen sich auf einem dicken Ast sitzend in wärmenden Sonnenstrahlen, die durch den Morgendunst brechen. Eine aufgeschreckte Olivtaube fliegt auf einen dicken Ast, auf dem epiphytische Farne wuchern, Brillenvögel verschwinden in einem Busch, der wieder vom Nebel verschluckt wird.
Die Sonne hatte nur ein kurzes Intermezzo, was die winzigen gelblichen Vögelchen mit weissen Augenringen nicht kümmert. Sie suchen weiter nach Blattläusen, während der Goldschwingen-Nektarvogel unermüdlich Blüten besucht. Nektarvögel in Afrika sind die Pendants der Kolibris Südamerikas.
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Berggorillas im Nebel
Entlang des Grabenbruchs, der sich in zwei Linien durch Ostafrika zieht, dominieren Vulkane, an deren Hängen Nebelwälder wuchern. In den westlichen Nebelwäldern, etwa im Bwindi-Nationalpark in Uganda an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo, verbergen sich Berggorillas. Der Nationalpark reicht bis auf2700 Meter über dem Meeresspiegel und wird von dichtem Wald dominiert. Der flächenmässig grösste Anteil an Nebelwäldern befindet sich auf der Insel Neuguinea. Auch auf indonesischen Inseln wie Borneo und Sumatra, in Vietnam oder Myanmar wachsen Nebelwälder in verstückelten Gebieten.
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Doch es gibt auch in der Schweiz Nebelwälder. Beispielsweise in der Schlucht des Doubs an der Grenze zu Frankreich. Dort entsteht durch das stetig rauschende Wasser hohe Luftfeuchtigkeit, Nebelbildung ist häufig. Ideale Bedingungen für Hirschzungenfarne, die mit lanzenähnlichen Blättern auf Felsvorsprüngen wachsen. Die Äste der Bäume sind von einer dicken Moosschicht umwachsen, fast so wie im Nebelwald von Monteverde. Nur die Höhenlage ist unterschiedlich.
Tropischer Nebelwald in BaselIm Botanischen Garten Basel gibt es neu eine ganz besondere Pflanzensammlung der tropischen Nebelwaldzone. Vom 2023 wieder eröffneten Tropenhaus führt der Weg direkt in das Bergnebelwaldhaus. Ein Spaziergang von der Schwüle ins Kühle. Pflanzen der tropischen Gebirgszone lassen sich in Europa kaum kultivieren. Draussen würden sie im Winter erfrieren, in einem herkömmlichen Glashaus wäre es im Sommer viel zu heiss. Dank technischer Sonderausstattung bleibt es im Anbau ganzjährig kühl. Da der Botanische Garten Basel eine intensive Beziehung zu Ecuador unterhält und dort in den Aufbau eines Nebelwald-Naturschutzgebiets involviert ist, ergaben sich daraus wissenschaftliche und gärtnerische Sondererkenntnisse, die es ermöglichten, Pflanzen nach Basel zu bringen. Ob Dracula-Orchideen, Moose oder Gesneriengewächse, sie gedeihen in Basel prächtig.
botgarten.unibas.ch
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