Neue Töpfe, neue Chance
Pflanzenbrocki in Bern: Wiederverwertung für Pflanzen
Was geschieht mit Pflanzen, die nicht mehr dem Idealbild entsprechen, deren Blüten abgefallen sind? Dank dem Pflanzenbrocki in Bern erhalten sie neue Plätze. Anstatt zerschnipselt im Grüncontainer zu landen, blühen und treiben sie neu.
Die Engelstrompete oder Datura und der Blattkaktus standen während Jahrzehnten an einem Fenster in der Berner Altstadt. Bis der Besitzer verstarb. Was sollte jetzt mit den Pflanzen geschehen? «In den Grüncontainer damit!», mag der erste Impuls von Angehörigen gewesen sein, welche die Wohnung möglichst rasch räumen mussten. Die knorrigen Äste und teilweise verholzte, braune Blätter zeugen von einer langen Geschichte der Gewächse. Pflanzen mit Charakter eben.
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Ihr Schicksal endete aber nicht in der Grünabfuhr, sondern verheissungsvoll im Pflanzenbrocki. Sie stehen jetzt frisch umgetopft im Licht des Hofs des altenFeuerwehrmagazins an der Viktoriastrasse in Bern. «Wir geben alten Pflanzen neue Chancen», sagt Kristina Hodel, derweil Nora Hürlimann der Engelstrompete oder Datura Wasser gibt. Die Sonne scheint in ihr Astwerk, neue, hellgrüne Blätter sind ausgetrieben, eine gelbe Blüte, gleich einer Trompete, funkelt im Licht.
Der Blattkaktus erstarkt gleich nebenan in neuer Erde. Nora Hürlimann und Kristina Hodel haben ein Herz für Pflanzen. Darum gründeten sie im Mai 2022 das Berner Pflanzenbrocki. «Wir wussten nicht, worauf wir uns einliessen», sagt Nora Hürlimann.
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Als die beiden Zierpflanzengärtnerinnen die Idee zusammen diskutierten, standen sie an einem Punkt, wo sie sich fragten: Was kann man im Leben noch machen? «Ich hatte die Stelle als Gartengestalterin gekündigt», sagt Nora Hürlimann, Kristina arbeitete noch als Floristin. Beiden setzte das Kurzlebige zu, das immer Neue. «Wir wollten Bestand, etwas, das für uns mehr Sinn ergab», erzählt Nora Hürlimann. Die beiden kannten sich von der Lehre und besprachen die Idee eines gemeinsamen Projekts.
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Den jungen Frauen tat es weh, wenn sie sahen, wie Pflanzen weggeworfen wurden, nur weil sie nicht mehr blühten, nicht mehr der Norm entsprachen. «Es braucht Geduld, dann entwickeln sie sich wieder gut», sagt Hürlimann, lächelt und blickt zu einem Kübel mit Zypergras. Da waren vor Kurzem nur braune Stängel, doch jetzt treibt es wieder kräftig aus.
Hellgrün am dünnen Stamm
Als Nora Hürlimann und Kristina Hodel am Projekt eines Pflanzenbrocki herumstudierten, wussten sie nichts von anderen, ähnlichen Vorhaben. Sie betraten neues Terrain. «Wir geben uns zwei Jahre, wollen in dieser Zeit analysieren, ob die Idee funktioniert»,erzählt Hodel.
Beim Start verwandelten zwar ausgediente Büropflanzen, die sie aus einem Container retteten, den kleinen Verkaufsraum im hinteren Bereich des alten Berner Feuerwehrmagazins zu einem Dschungel, und auch zu Hause wucherten überall Pflanzen, doch die Kunden blieben aus. «Das machte uns schon Sorgen», erinnert sich Hürlimann. Die Pflanzen wurden mehr, was dazu führte, dass sie in einen vorderen Bereich des Feuerwehrmagazins umzogen. Das ganze Gebäude gehört einer Genossenschaft, das Pflanzenbrocki ist Teil davon.
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Der Umzug innerhalb des Geländes führte zu mehr Sichtbarkeit. Nach und nach kamen Pflanzenfreunde. «Heute stehen wir besser da als erwartet», freut sich Kristina Hodel. Ihre Kollegin doppelt nach: «Es läuft gut.» Sie könnten sich bereits einen kleinen Lohn auszahlen. Werbung hätten sie kaum je gemacht. Die Leute melden sich oder erwerben Pflanzen dank Mund-zu-Mund-Propaganda.
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«Wir topfen jede Pflanze um», erklärt Hürlimann den Ablauf. Dabei würden sie die Erde von Ökomaurer verwenden, einer Gärtnerei, die Kompost zu guter, lebendiger Erde verwandelt. Meist sind die Pflanzen seit vielen Jahren in ihren alten Töpfen. Das Umtopfen verhindert, dass Schädlinge weiter im Erdreich leben, die neue, nährstoffreiche Erde verbunden mit Sonnenlicht im Hof verleiht den Pflanzen einen Wachstumsschub. «Hier, dieser Ficus treibt wieder aus!», ruft Nora Hürlimann voller Freude und zeigt auf hellgrüne Knospen an dünnem Astwerk.
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Für sukkulente Arten, also Pflanzen aus Trockenzonen, die Wasser speichern, mischen die passionierten Gärtnerinnen der Erde einen hohen Anteil an zermörserten Luwasakügelchen bei. Ganz nach ihrem Motto, dass nichts weggeworfen und alles wieder dem Kreislauf zugeführt wird. Den Blähton erhalten sie mit alten Büropflanzen, die abgegeben werden.
Mit Pflanzen sind Emotionen verbunden. Etwa wenn die Pflanzenfreundinnen Grünes bei älteren Menschen abholen, deren Partner verstorben ist. «Manchmalkönnen wir uns Zeit nehmen, um einen Kaffee mit den Leuten zu trinken.» Sie seien schliesslich dankbar, dass die Pflanzen weiterleben. Oft handle es sich um durch den Verstorbenen gezogene Gewächse.
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Das Artenspektrum sei vielfältig. Von Oleander und Kakteen in Kübeln bis zur Sammlung von jungen Grünlilien und Brutblättern erhielten sie alles. «Viele Menschen ziehen als Passion Grünlilien und bringen sie uns», sagt Kristina Hodel. Sie seien rasch wieder weg. In kleinen Töpfen, akkurat aufgereiht, werden auch Ableger von Agaven und Kakteenarten angeboten. Jungpflanzen, die sich bei weiteren Pflanzenfreunden entwickeln können.
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Der Innenraum ist voller Zimmerpflanzen, Töpfen, Zubehör und Fachliteratur, alles Secondhand. Im Hof des Feuerwehrmagazins geht es weiter mit Kakteen, Palmenarten, Bananen- und Strelizienstauden und auch Gartenpflanzen.
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Preise würden sie individuell gestalten. Staudenpflanzen beispielsweise gäben sie je nach Grösse zu vier, sechs oder neun Franken ab. «Schöne, regelmässig gewachsene Pflanzen sind sofort wieder weg, andere bleiben ein Jahr und länger», sagen die Fachfrauen. Zeit, in der sich die Gewächse erholen und entwickeln, bis sie begehrt werden. Das Pflanzenbrocki in Bern hält immer wieder Überraschungen bereit.
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Pflanzenbrocki Bern
In der Region Bern werden Pflanzen abgeholt oder sie können gebracht werden. Wenn das Geschäft zu ist, können sie vor die Türe im Innenhof gestellt werden. Für Pflanzen kann nichts bezahlt werden.
Viktoriastrasse 70, 3013 Bern, pflanzenbrocki.ch, Tel. 078 255 03 81, E-Mail spin@pflanzenbrocki.ch, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag, 11.30–18.30 Uhr, Samstag, 10 bis 16 Uhr.
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