Der Avocadobaum wuchert bis zur Zimmerdecke. Wäre er Ende Oktober auf dem Balkon nicht zurückgeschnitten worden, würde er nicht mehr in die Wohnung passen. Dabei begann alles mal mit einer Frucht aus dem Grossverteiler. Avocados leuchten dort dunkelgrün aus dem Regal, auch Mangos schillern verlockend gelbrötlich. Die Früchte sind ein kulinarischer Genuss, doch der ist von kurzer Dauer. Es sind die Kerne, die ein langlebiges Vergnügen bieten und während vieler Jahre die Wohnung in tropisches Grün verwandeln können. Wie schade, wenn der Kern weggeworfen wird. Aus ihm kann ein tropischer Baum gedeihen – zum Nulltarif.

Und so wird es gemacht: Die Kerne von schön reifen Avocados und Mangos werden vom Fruchtfleisch befreit und abgespült. In die Avocadokerne werden seitlich vier Zahnstocher gesteckt. So lässt sich der Kern auf ein altes Konfitürenglas setzen, und nur der untere Teil des Kerns befindet sich im Wasser. Das Glas an einen hellen und warmen Platz stellen – nach etwa drei bis vier Wochen bilden sich Wurzeln. Der Kern spaltet sich, oben spriesst ein Keim empor.

Die Kerne können auch direkt in feuchte Erde gesetzt werden. Das Experiment mit dem Wasserglas ist spannender, kann so doch die Wurzelbildung, die einige Wochen dauert, beobachtet werden. Sobald ausreichend Wurzeln vorhanden sind und der Keim bereits Blätter gebildet hat, sollte er eingepflanzt werden. Der Mangokern hingegen wird, nachdem er abgetrocknet ist, direkt in Erde gesetzt. Nach einigen Wochen bricht ein rosa Keimling durch und entfaltet seine rötlichen Blätter. Für beide Fruchtkerne eignet sich normale Pflanzenerde.

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Nicht nur einen einzigen, grossen Kern, sondern zahlreiche kleine Kerne weist die Papaya in ihrem Innern auf. Wenn sie aus einer reifen Frucht gewonnen werden, wachsen auch sie zu Pflanzen. Sie sollten in einem Sieb abgespült und dann mit einem Lappen oder Schwamm gut abgerieben werden, denn sie sind von einem natürlichen Keimschutz umzogen. Wird er entfernt, wachsen aus vielen Kernen bereits nach gut zwei Wochen Pflänzchen.

Jetzt im Winter müssen die tropischen Pflanzen im Wohnbereich direkt am Fenster angezogen werden. Ab dem Frühjahr geniessen sie den Aufenthalt auf dem Balkon, wo sie unter natürlichem Licht erstarken und gut gedeihen. Der Übergang vom Zimmer ins Sonnenlicht muss stufenweise erfolgen, damit die Blätter nicht verbrennen.

Unter Palmen und Orangenbäumen

Zitrusbäumchen verströmen den Charme des Südens und zaubern mediterranes Flair auf den Balkon oder die Terrasse. Warum sie teuer erwerben? Jetzt sind Mandarinen, Orangen, Grapefruits und Zitronen im Angebot. Praktisch jede Frucht enthält Kerne – sie sind eine Verheissung. Nachdem sie gewaschen und gut angetrocknet wurden, können sie in feuchte Erde gesetzt werden. Gleich verhält es sich mit den Datteln, deren Kerne ebenfalls gesetzt werden können. Warum nicht später den Balkon auch mit Palmen verzieren?

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Wer Radiatoren hat, setzt die Töpfe in durchsichtige Plastiksäcke, schnürt sie zu und stellt sie darauf. Noch besser geeignet sind PET-Flaschen, die entzwei geschnitten und über den Topf gestülpt werden. So entsteht im Topf ein Mini-Treibhausklima. Welch grosse Freude, wenn die Kerne nach einigen Wochen spriessen. Wenn sich die Keimlinge ausgebildet haben, sollte der Plastiksack leicht geöffnet oder das PET-Flaschen-Stück etwas angehoben werden. So gewöhnen sich die Jungpflanzen langsam an das normale Raumklima. Dann sollte der Topf vom Plastik befreit, vom Ofen entfernt und ans Helle gestellt werden. Langsam entwickeln sich die Pflänzchen.

Klar werden sie im nächstenSommer noch nicht zum erhofften Bäumchen. Doch mit Geduld und bei guter Pflege mausern sie sich von Jahr zu Jahr zu grösseren Pflanzen, bis ein buschiger Strauch oder eine schlanke Palme zu Italianità auf dem Balkon verhilft. Reiben an den Zitrusblättern entfaltet einen herrlich frischen Duft. Nach dem ersten Sommer draussen ist es besser, die Pflanzen kühl zu überwintern anstatt in der Wohnung. Dattelpalmen wachsen langsamer als Zitruspflanzen. Doch auch sie überwintern besser in einem hellen und kühlen Raum, wo auch die Luftfeuchtigkeit höher ist als in der geheizten Wohnung.

Dank der Anzucht auf dem Radiator gedeihen die Pflanzen rasch und gut. Später gibt es Ausfälle, wenn sie sich frei behaupten müssen. Kerne gibt es aber im Überfluss, sodass zahlreiche Pflanzen angezogen werden können. Die kräftigsten überleben und werden einzeln in Töpfe gesetzt. Auch ohne Kerne können neue Pflanzen gezogen werden. Manche werden durch Schösslinge vermehrt, wie beispielsweise das Zebraampelkraut. Triebe dieser schnell wachsenden Tropenpflanze, die abgebrochen und in ein Wasserglas gestellt werden, schlagen Wurzeln und können anschliessend in feuchte Erde gesteckt werden.

Die Grünlilie macht es der Pflanzenliebhaberin besonders leicht. Mutterpflanzen produzieren Kindel. Das sind Jungpflanzen, die an langen Trieben gedeihen. Sie können abgetrennt und ins Wasser gestellt werden. Dort schlagen sie rasch Wurzeln. Beim Zypergras braucht es einen kleinen Trick: Den Stängel abschneiden und kopfüber in eine Wasserschüssel stellen. Nach einiger Zeit bilden sich Wurzeln, neue lanzenähnliche Blätter beginnen hellgrün in die andere Richtung zu spriessen, die alten Blätter vergilben und verfaulen langsam im Wasser. Auch Triebe der Efeutute und verschiedener Baumfreund- oder Philodendronarten wurzeln problemlos im Wasserglas.

«Dank der Anzucht auf dem Radiator gedeihen die Pflanzen rasch und gut.»

Manche Arten lassen sich vermehren, indem der Stock geteilt wird. Bei kapitalen Schwertfarnen etwa funktioniert das sehr gut. Aus einer mach zwei! Durch den zusätzlichen Platz im Topf können sich die neu eingepflanzten Teile wieder besser entwickeln. Tropenpflanzen stammen aus ganzjährig warmen, humiden Zonen. Darum ist eine Vermehrung immer möglich. Doch bei anderen Pflanzen muss auf die Wachstumszeit geachtet werden, wie etwa bei der Zimmerlinde oder beim Oleander. Jetzt ist nicht die richtige Zeit, diese Arten zu vermehren, denn sie befinden sich im Ruhemodus. Im April und Mai gelingt dies schon eher, wenn sie Lust auf Wachstum haben und an den Hauptstängeln Triebe ausschlagen. Wenn sie abgetrennt und in Wasser gestellt werden, bilden sie Wurzeln.

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Erde, Licht und Wasser

Auch viele sukkulente Arten sind einfach zu vermehren. Zu diesen wasserspeichernden Pflanzen gehören alle Kakteen, Crassula-Arten und manche Euphorbien. Kugelkakteen bilden Junge, die abgetrennt und eingesetzt werden können. Werden sie nicht vom Mutterkaktus entfernt, entziehen sie ihm zu viel Kraft. Wenn Kandelaber-Euphorbien zu gross werden, können die Triebe abgesägt werden. Abgeschnittene Triebe von Sukkulenten dürfen nicht sofort in Erde gesetzt werden. Sie sollten zuerst gut abtrocknen. Ganz anders als die Triebe von Tropenpflanzen aus dem Regenwald dürfen sukkulente Pflanzen nicht in konstant feuchter Erde gehalten werden. Sonst faulen sie.

Grundbedingungen für die Pflanzenvermehrung sind gute Erde, Licht und Wasser. Gerade in den jetzt düsteren Wintermonaten ist mangelhaftes Licht ein Problem. Nicht in allen Wohnungen hat es ausreichend Platz auf den Fensterbänken, um dort Keimlinge und üppige Pflanzen unterzubringen. Kunstlicht schafft da Abhilfe. Spezialgärtnereien bieten spezielle Pflanzenleuchten an. Damit können gezielt Jungpflanzen beleuchtet werden. Über eine Schaltuhr lässt sich die tägliche Beleuchtungsdauer gut auf mindestens acht Stunden steuern. Die Beziehung zum Grün ist ganz besonders stark, wenn es selbst gezogen wurde. Unter dem eigenen Avocadobaum im Wohnzimmer lässt es sich richtig schön entspannen.

Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 25/2022 vom 15. Dezember 2022. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht  finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.

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