Ein Staudengarten sollte im Herbst oder im Frühling angelegt werden. Staudenpflanzen kommen mit einer vielfältigen Bodenbeschaffenheit zurecht. Wo er zu trocken und mager ist, kann er durch Untermischen von Universalerde angereichert werden. So wird der Boden durchlässiger und verbessert die Wasser- und Nährstoffhaltekraft. Staudenpflanzen sollten im Frühling mit organischem Dünger versorgt werden wie Kompost oder Hornmehl. Höhe, Farbe und Blütezeit der verschiedenen Pflanzen sind zentrale Elemente, die beachtet werden müssen. Auch unter einem Baum im Schatten kann sich ein Staudenbeet fortsetzen, mit Schattenpflanzen wie Eisenhut, Anemonen, Akelei, Herzblumen, Fingerhut, Fuchsien, Funkien und Farnen. Viele Staudenarten vertragen heisse Sommer, wie die Gelbe Schafgarbe, Färberkamille, das Zittergras oder Sedum-Arten. Geduld ist nach dem Bepflanzen wichtig. Es dauert eine Saison, bis sich die Stauden kräftig entwickelt haben.

Ein Staudengarten sieht wild und romantisch aus. Doch damit er so wirkt, bedarf er einer durchdachten Konzeption. Oder aber, der Garten entwickelt sich durch Intuition. So wie bei Rosmarie Mosimann. «Ich habe mich von den Blumen führen lassen», sagt die Gartenliebhaberin aus Mittelhäusern BE. Vor 45 Jahren begann sie zusammen mit ihrem Mann Jakob, einen Staudengarten rund um das Haus zu gestalten. Die Mutter eines Sohnes und einer Tochter ging intuitiv vor. «Erst viel später habe sie Literatur zu englischen Gärten entdeckt», sagt die Naturverbundene.

«Ich mag alle Blumen, ganz besonders aber die Iris.»

Rosmarie Mosimann

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Ihr Garten erstreckt sich rund um ihr Wohnhaus, ein im Jahr 1775 erbautes Stöckli. Jakob Mosimann wuchs nebenan als Bauernsohn auf. Der Garten wirkt verwachsen und harmonisch, als hätte die Natur einfach so ein Bild hingezaubert. In den natürlichen Landschaften gibt es keine harten Ecken. Deshalb sind in Mosimanns Garten die Ränder der Beete gewellt. Das Gegenteil eines barocken Gartens, wo die Natur in Formen gepresst wird. Auch wenn alles wild und natürlich wirkt, betont Rosmarie Mosimann: «Ich verbringe täglich viele Stunden mit Gartenarbeit.»

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Im Mai stehen die Blumen in voller Blüte. Dabei fällt auf: Die Farben passen zueinander. «Im Südgarten dominieren warme Töne wie Gelb, Rot und Orange», erklärt die Pflanzenspezialistin ihr Konzept und ergänzt: «Und auf der Nordseite blühen blaue, roséfarbene und weisse Blumen.» Als die 72-Jährige 1968 eine Lehre als Floristin absolvierte, waren Blumensträusse in abgestimmten Nuancen in Mode. «Das gefiel mir sehr und brachte mich auf die Idee, im Garten ähnlich vorzugehen.» Ein Künstler malt, ja komponiert ein Bild auf der Staffelei. Rosmarie Mosimann malt im Garten – komponiert mit Blumen.

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Doch nicht alle haben einen ganzen Garten zur Verfügung. Staudenpflanzen wie Glockenblumen, Rittersporn, Storchenschnabel, Fetthenne, Aster, Margeriten, Iris und Pfingstrosen wirken auch in einem kleineren Beet. Hier können Blumen auch farblich aufeinander abgestimmt und in Kontrast mit Blattpflanzen gesetzt werden. Einige Vorüberlegungen sind aber wichtig. Wo liegt das Beet? Ist es sonnenexponiert oder doch eher schattig? Wie ist die Erde beschaffen? Viele Staudenpflanzen bevorzugen sonnige bis halbschattige Standplätze. Doch auch schattige Stellen unter Bäumen oder um Hausmauern bleiben nicht kahl, wenn die richtigen Arten gepflanzt werden.

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Unterschiedliche Lebensdauer

Der Garten von Rosmarie Mosimann hat von allem etwas. Im Südteil vor dem Haus bildet ein Weiher mit Seerosen einen Blickfang. Schattige Stellen sind eingefasst von Funkien, deren wuchernde herzförmige Blätter tropisches Flair verströmen. Mit den unterschiedlichen Blattfarben eignen sie sich ideal für den Schattengarten und kontrastieren mit den filigranen Farnen. Die Rodgersia bereichert mit verzweigten, grossen Blättern die Formenvielfalt des Grüns. Silbern glitzern die Blätter des Frauenmantels.

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Maggikraut wuchert. Hier zeigt sich: Pflanzen wirken auch durch ihre Blätter. Knospen der Sibirischen Iris verraten kurz vor dem Aufgehen bereits ihr Gelb. Zwischen Steinen ragen die dünnen Blütenstängel des Gelben Scheinmohns empor. Die Blütenblätter wirken zerknittert, als wären sie aus Krepppapier. Wie kleine Glöckchen in hohen Türmen hingegen sehen die schmucken Blüten des Bulgarischen Lauchs aus.

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Damit sich jede einzelne Pflanze entfalten kann, müssen die Stauden in entsprechendem Abstand und aufgrund ihrer Wuchshöhe gepflanzt werden. Funkien und Farne haben geringe Wuchshöhen und dürfen nicht hinter wuchernden Pfingstrosen verschwinden. Wie hoch eine Pflanze wird und wie sehr sie sich ausdehnt, muss beim Einsetzen bereits bedacht werden. Auf den Hinweisschildern in den Töpfen der Pflanzen wird in Gärtnereien auf die Wuchshöhe hingewiesen.

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Im Mai und Juni entfalten sich Stauden zu voller Pracht. Eigentlich erstaunlich, denn im frühen Frühjahr ist noch kaum etwas von ihnen zu sehen. «Mich fasziniert, dass da im Winter überhaupt nichts ist», sagt Rosmarie Mosimann. Sie lässt im Herbst die Zweige samen-bildender Arten dürr stehen – als Futter für Wildvögel. Staudenpflanzen ziehen sich komplett zurück, so als stürben sie. Doch im Frühling treiben sie neu aus. «Plötzlich sind sie da», schwärmt Mosimann.

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Stauden seien winterharte, mehrjährige Gewächse. «Es gibt langlebige und kurzlebige Stauden und solche, die eine mittlere Lebensdauer haben», erklärt diePflanzenfreundin. Zu den langlebigen gehöre die Pfingstrose. Sie entfaltet sich in verschiedenen Farbtönen und Blütenstilen im gesamten Garten. «Die gelbe Pfingstrose da ist eine Rarität», sagt die Blumenfreundin und berührt sanft eine volle Blüte, in der gerade eine Hummel nach Nektar sucht.

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Eine Pfingstrose könne gut 20 Jahre alt werden. Um sie zu vermehren oder zu verjüngen, grabe sie die Pflanze im Herbst aus. «Im Wurzelwerk kommen sogenannte Augen zum Vorschein», erklärt Mosimann. Das seien Triebe. Man könne sie abtrennen und neu setzen. Daraus entstehen, je nach Sorte, Pfingstrosen mit gefüllten Blüten und andere mit vielen Staubblättern. Manche blühen dezent zartrosa, andere burschikos in Tiefrot, ganz im Kontrast zu den weissen, die wirken wie Brautschleier.

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Während Pfingstrosen verjüngt werden, samen andere Staudenarten ab. Um ein ungehindertes Ausbreiten zu verhindern, müssen Samen vorzeitig entfernt werden. Rosmarie Mosimann lässt die Jungpflanzen wachsen, gräbt sie aber später aus, um sie an anderen Stellen zu setzen, immer darauf bedacht, die Harmonie des Gartenbildes zu wahren. Die Gärtnerin als Malerin. Nicht immer sei es möglich, die Farbe der Blüten im Voraus zu kennen. «Bei den Fingerhüten beispielsweise ist es eine Lotterie, ich weiss ja nicht, wie die Blüte bestäubt worden ist, die Insekten fliegen, wie sie wollen.» Bei diesem hier habe sie gehofft, dass er weiss werde, sagt Mosimann auf der nördlichen Seite des Hauses vor einem Fingerhut mit weissen Blüten, deren Inneres grün gepunktet ist.

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Der Garten der Schwertlilien

Die Staudengärtnerin hat die Pflanzen nicht nur aufgrund ihrer Grösse und Entwicklungsfähigkeit gepflanzt, sondern auch darauf geachtet, wann sie blühen. Sogar innerhalb der gleichen Art gibt es Früh- und Spätblüher, wie etwa bei den Pfingstrosen. Durch einen Kniff verdoppelt oder verdreifacht sie sogar die Blütenbildung: «Wenn die Blütenblätter abfallen, schneide ich den verblühten Trieb ab. Dann kommen zwei weitere Blüten zur Entfaltung.» Schneide man die Blüte nicht ab, verwende die Pfingstrose die Energie zur Samenbildung, die Knöpfe gingen dann nicht mehr auf.

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Im Staudengarten fallen im Mai nebst den Pfingstrosen die Irisblüten auf. Rosmarie Mosimann räumt ein: «Ich mag alle Blumen, ganz besonders aber die Schwertlilie oder Iris.» Nicht von ungefähr haben sie und ihr Mann ihrer Tochter diesen Namen gegeben. «Ich bin immer wieder neu fasziniert von der Blütenbildung», schwärmt die Gartenfachfrau, beschreibt die Domblätter, die hoch aufragen und meist andersfarbig sind als diejenigen, die sich zum Boden neigen. Eine Bartiris zeichnet sich gar durch bartähnliche Blütenblätter aus. Iris sind rhizombildend, und sie blühen in allen Farben mit tiefroten, samtartigen Blättern bis zu zart weissen.

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Staudenpflanzenbeete bilden immer eine Harmonie mit Sträuchern, Bäumen und Grasflächen. Erst so wirken Gartenbilder beruhigend, aufregend, spannend, manchmal auch dramatisch wie die verführerischen, offenen, tiefroten Pfingstrosen, durchsetzt von Nachtviolen, die mit ihrem dezenten Lila um die Gunst der roten Fürstinnen zu werben scheinen. Nachtviolen seien zweijährig, weiss Rosmarie Mosimann. «Im ersten Jahr bilden sie nur Blattrosetten aus, im zweiten Jahr blühen und versamen sie.»

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Dahinter Iris in Lila- und Weisstönen, als würden sie Ballett tanzen und nicht bemerken, dass sie gleich überspült werden von der Kolkwitzie, einem Strauch, dessen blütenbesetzten Äste sich wie eine schäumende Meereswelle neigen.

Garten als Lebensschule

Durch dieses inszenierte Natur-Theater tänzeln zwei Kater, Vögel singen, Insekten summen, darunter viele Bienen. Ihr Mann Jakob Mosimann, der ihr bei den schweren Gartenarbeiten hilft, betreut drei Bienenvölker im Garten. «Die meisten Staudenpflanzen und ganz besonders die Nachtviolen sind gut für Insekten wie Schmetterlinge», erklärt Rosmarie Mosimann. «Hier, Eier des Schwalbenschwanzes!», ruft sie am Rande einer Wiese mit ausufernden Beeten, wo ein Bronzefenchel seine filigranen Blätter entfaltet. Weitere ungewöhnliche Pflanzen bilden Kontrastpunkte: so die silbern glitzernde Eselsdistel, die in einem grossen Rund eines weiteren attraktiven Gartenraums als Solitärpflanze die Blicke auf sich zieht. Es sind eben nicht nur Blüten, die im Staudengarten wirken.

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«Ein Garten ist eine Lebensschule. Ich schaffe Bedingungen, aber jedes Jahr wachsen die Pflanzen anders», sagt Rosmarie Mosimann. Ein Staudengarten bietet Überraschungen und ist ein Lebensprojekt, ob er nun ein ganzes Haus in mehreren Gartenräumen umgibt oder sich auf ein einzelnes geschwungenes Beet konzentriert, das beispielsweise einen Sitzplatz einfasst.

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