Umstrittene Haltung
Milchproduktion beginnt im Iglu
Auf Höfen mit Milchkühen stehen oft kleine Iglus mit jungen Kälbchen. Diese sollen die Tiere in den ersten Lebenstagen schützen und das Heranwachsen zu leistungsfähigen Milchkühen erleichtern.
Wer beim Spaziergang an Bauernhöfen vorbeikommt, dem werden die igluförmigen Hütten auffallen, aus denen junge Kälbchen mit ihren grossen dunklen Augen neugierig herausschauen. Betriebe, die nicht auf eine Mutterkuhhaltung setzen, trennen die Kälbchen nach der Geburt meist von der Mutter. Grund dafür ist, dass Kälbchen ohne ausgebildetes Immunsystem auf die Welt kommen und daher besonders anfällig für Krankheiten sind. Insbesondere Durchfall kann den jungen Tieren zu schaffen machen.
In den Kälberiglus werden die Kälber auf Milchbetrieben daher einzeln in einer keimarmen Umgebung gehalten, sobald sie die erste wichtige Milch, die Biestmilch, von der Mutter bekommen haben. Eine solche Haltung ist jedoch auch unter Landwirten nicht unumstritten, geschweige denn unter Tierschützern. Kühe sind schliesslich weder Höhlenbewohner noch Einzelgänger, und isoliert in den Iglus bekommen die Kälbchen wenig bis keinen Sozialkontakt. Die Tierschutzverordnung sieht für Kälber in den ersten vier Monaten eigentlich eine Gruppenhaltung vor. Die Kälberiglus zur Infektionsvermeidung sind hier jedoch eine Ausnahme.
Wer sie einsetzt, ist daher dazu verpflichtet, den Standort der Iglus möglichst optimal zu gestalten. Sie müssen im Freien stehen und den Tieren zumindest Sichtkontakt zu Artgenossen ermöglichen. Im Sommer müssen die Iglus im Schatten, im Winter in der Sonne stehen, damit es den Kälbern nicht zu heiss beziehungsweise zu kalt wird. Nicht alle Landwirte halten sich an diese Empfehlungen, sondern stellen die Iglus oft unter Vordächer oder Unterstände. Von einem im Tierschutzgesetz geforderten Gehege im Freien kann hier sicher nicht mehr gesprochen werden.
Milchkuh-Kindergarten
Andere Landwirte wiederum setzen auf eine Art «Kindergarten», also grössere Kälberiglus, in denen die Kälbchen in Gruppen gehalten werden. Hier bekommen die Tiere nicht nur Sozialkontakt, sondern lernen auch voneinander. Ein Nachteil dieser Haltung ist dann jedoch wiederum das Ansteckungsrisiko, das man auch von Kindergartenkindern kennt: Hat eines Durchfall, so ist bald die ganze Gruppe betroffen. Die Vor- und Nachteile einer Igluhaltung müssen daher grundsätzlich individuell und sorgfältig abgewogen werden. Die Aufzucht von Kälbern gehört nach wie vor zu einer der grössten Herausforderungen in der Milchkuhhaltung.
Übrigens: Wer ein Kälbchen kraulen möchte, der fragt am besten zuerst den Landwirt um Erlaubnis. Oft stehen die Iglus auf Privatgelände, und zudem ist auch eine Übertragung von Keimen vom Menschen auf die empfindlichen Jungtiere möglich. Bei der Gelegenheit kann man den Kuhhaltern auch gleich Glück in den Stall wünschen.
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