Zügig geht Hopper an einem Wintertag auf dem rutschigen Trottoir vorwärts, die Umgebung stets fest im Blick. Bei einer Baustelle ist sein Können gefragt. Der Labradorrüde muss den Menschen am Ende des Führgeschirrs sicher um das Hindernis geleiten. Er bleibt stehen und signalisiert seinem Partner Martin Kurz die Ausnahmesituation. Hopper entscheidet sich gegen die schmale Passage zwischen Baustelle und Absperrbalken zur Strasse, sondern für den Weg ausserhalb der rot-weissen Latten.

Sofort ist ein Bauarbeiter zur Stelle und schaut darauf, dass die Autofahrer Abstand halten. Hinter der Baustelle bringt Hopper seinen Partner zurück aufs Trottoir, wo er zur Belohnung ein Leckerli erhält. Der 47-jährige Kurz ist seit 2004 Instruktor bei der Schweizerischen Schule für Blindenführhunde Allschwil und bildet den zweieinhalbjährige Hopper aus. «Dies dauert sechs bis neun Monate, aber jeder Hund bekommt die Zeit, die er braucht», erklärt Kurz.

Hopper sei fein, verschmust und anhänglich, aber nicht aufdringlich. «Er arbeitet sehr gerne und ist zügig unterwegs.» Dies stellt er an diesem Tag unter Beweis. Schnell geht es weiter zu einem Bürogebäude, wo Absperrbänder vor den Eingängen knifflige Hindernisse darstellen. «Solche Bänder oder Lastwagenrampen sind schwer, da sie höher sind als der Hund», sagt Kurz. Hopper könnte darunter durchgehen, was er aber im Geschirr nicht macht, in das er zu Beginn des Trainings hineingeschlüpft ist. Bravourös leitet er Kurz um diese Wegbarriere.

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Lautloser Verkehr ist herausfordernd

«Ziel ist, wenn möglich, Hindernisse zu umschiffen. Bei Bodenhindernissen wie einem Schlauch muss der Hund anhalten, damit die blinde Person mit dem Stock abtasten kann, was es ist.» All dies sind klassische Hürden, die Kurz mit seinen angehenden Blindenführhunden übt. Dazu gibt es viele Sachen anzuzeigen: Treppen, Ampel-Kästchen, Zug- und Bustüren oder Sitzplätze im öffentlichen Verkehrsmittel. Je einmal morgens und nachmittags trainiert Kurz mit Hopper in und um Basel.

Im Wohngebiet oder im Wald geht eine Stunde Führarbeit problemlos, in der Stadt braucht der Hund schneller eine Pause. Dort hat er viele Situationen zu meistern, die seine volle Konzentration erfordern. Die vielen Velos etwa, die oft auf dem Trottoir fahren und die er nicht hört. Elektroautos müssen tönen, aber Autos und E-Bikes sind eine Herausforderung, da der Hund ihr Tempo nicht abschätzen kann. So muss der Mensch am Zebrastreifen den Verkehr abhören und wenn die «Luft rein» ist, gibt er den Befehl «passare».

Hilfreich ist laut Kurz, dass gemäss Verkehrsordnung die Person Vortritt hat, wenn sie den weissen Langstock hochhält. «Das funktioniert in der Schweiz sehr gut.» Schwierig sind auch grosse Bahnhöfe und andere Orte mit vielen Menschen, «da die geruchliche, akustische und optische Ablenkung gross ist». Er arbeite situationsspezifisch: Kennt der Hund den Bahnhof Basel, könne er es auch am Hauptbahnhof Zürich – aber dort muss sich sein Herrchen oder Frauchen auskennen.

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«Der Mensch muss den Hund steuern und wissen, wo er ist, wohin er will und wie er dorthin kommt», betont Kurz und ergänzt: «Sonst läuft der Hund mit ihm jeden Tag in die Metzgerei.» Nicht jeder Blinde könne einen Hund haben. Die Voraussetzungen seien eine gute Mobilität und Orientierung, das sichere Bewegen mit dem Langstock sowie körperliche Fitness. Und die Person müsse bereit sein, den Mehraufwand für Spaziergänge und Pflege auf sich zu nehmen.

Einer, der das wollte, ist Hans Locher aus Kölliken AG. Die Sehbeeinträchtigung des 53-jährigen medizinischen Masseurs und Hypnosetherapeuten begann vor über 20 Jahren. «Zapfen-Stäbchen-Dystrophie» lautete die Diagnose. Damals hiess es, er sehe noch 30 Prozent, müsse aber keine Angst haben, dass es schlechter werde, erinnert sich Locher. Wurde es aber. Seit Langem stagniert sein Sehvermögen bei ein bis zwei Prozent. «Ich bin froh, solange es nicht ganz dunkel wird», sagt er trocken.

Viele Jahre dachte er gar nicht daran, dass ihm ein Hund helfen könnte. «Ich hielt es mit meinem Punktschriftlehrer, der meinte, einen Hund könne man im Gegensatz zum Stock nicht an der Garderobe aufhängen», sagt Locher und schüttelt leicht den Kopf. Dabei habe er gar nicht gemerkt, was ihm fehlte. «Pelle gibt mir all die Freiheiten zurück, die ich lange nicht hatte.» Mit ihm könne er überall hin.

«Wir machen die grössten Abenteuerspaziergänge», ergänzt Locher, während der schwarze Rüde eingerollt unter dem Tisch im Behandlungszimmer liegt und sein Herrchen nie aus den Augen lässt. Zwölf Kilometer marschiere er mit Pelle täglich. Morgens laufen sie über Umwege und mit Freilauf für Pelle ein einviertel Stunden zur Arbeit. Mittags gehen sie eine knappe Stunde raus und abends zügig in einer halben Stunde nach Hause.

Paten gesuchtDie Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde in Allschwil sucht Paten für ihre Welpen. Informationen auf blindenhundeschule.ch oder Telefon 061 487 95 95.

Der Instruktor begleitet das neue Team

Im Dezember 2017 entschied sich Locher doch für einen Hund und meldete sich in Allschwil. Er absolvierte den dreitägigen Kurs, bei dem Anwärter mit einem Hund arbeiten und mit ihm im Hotel übernachten. «Da bekommen sie ein Bild, ob das klappen könnte», sagt Instruktor Kurz. Einige Bewerber müssen danach ein Mobilitätstraining absolvieren. Auch Locher musste erst das Gehen mit Langstock lernen und kam dann auf die Warteliste.

Kurz bevor ein Hund die Blindenhundeprüfung ablege, prüfe er in der Datenbank der Wartenden, zu wem der Hund passen würde, und suche zwei bis drei Personen aus, umschreibt Kurz das Auswahlverfahren. An der Teamsitzung kristallisiere sich heraus, wer es ist. Dann stellt der Instruktor den Hund telefonisch vor. «Pelle ist ruhig, anhänglich und angenehm», beschreibt Locher den Sechsjährigen.

Am 28. Oktober 2019 war es soweit: Der Ausbildner brachte Pelle zu Locher und begleitete das neue Team die ersten zwei Wochen täglich. Das gehöre bei ihnen zum Service, erklärt Kurz. Der Instruktor übe mit der Person alle gängigen Wege sowie Alltagssituationen und zeige ihr, wie sie den Zebrastreifen überquert oder wo es in der 30er-Zone am übersichtlichsten sei.

«Nach diesen zwei Wochen fand ich, wir seien ein Hammerteam», erinnert sich Locher. Doch dann sei er an einem verregneten Tag an einer Stelle mit Kreisel und Trottoirrändern, vor der ihn der Instruktor gewarnt habe, hingefallen. Ein paar ähnliche Ereignisse folgten. Auch darauf ist die Blindenhundeschule vorbereitet: Im ersten halben Jahr besuchen die Instruktoren das Gespann einmal monatlich, arbeiten weiter mit ihnen und korrigieren Fehler.

Über 1000 Blindenführhunde ausgebildet

Frühestens nach sechs Monaten treten der Führhundehalter und sein Hund zur Gespannsprüfung der Invalidenversicherung IV an. Bestehen sie, übernimmt die IV die Kosten für die Einführung des Hundes und zahlt Fixbeiträge für Futter und Tierarztrechnungen. Die Schule bekommt eine monatliche Mietgebühr. «Dies deckt zirka zehn Prozent unserer Kosten, den Rest finanzieren wir über Spenden, Erbschaften und Legate», sagt Ugo Sprecher, Geschäftsleitungsmitglied der Blindenhundeschule Allschwil und zuständig für Ausbildung und Zucht. Die Betreuung des Teams geht auch nach der Prüfung weiter.

«Der Instruktor besucht es mindestens einmal jährlich. Der Klient kann sich jederzeit melden, wenn er Hilfe braucht», erläutert Sprecher. Pelle und Locher sind in der Zwischenzeit aufgestanden, es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Nachdem der Hund seine Geschäfte erledigt hat, schlüpft er ins Geschirr. «Ich kann mich hundert Prozent auf Pelle verlassen. Er führt mich sicher durchs Leben.»

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Pelle und Hopper sind zwei der über 1020 Blindenführhunde, die die Schule in ihrem 50-jährigen Bestehen ausgebildet hat. Am Anfang ihrer Geschichte steht der Allschwiler Zöllner Walter Rupp, der in den 1960er-Jahren nebenamtlich und als Erster in der Schweiz Blindenführhunde ausbildete. Er nahm Hunde verschiedener Rassen, die zur Verfügung standen. Die Pioniere im angelsächsischen Raum konzentrierten sich bereits damals auf den Labrador.

Sprecher begründet: «Er ist freundlich zu Tieren und Menschen, ein anpassungsfähiger, robuster Allwetterhund und arbeitsfreudig.» Die negative Seite des Labradors, seine Verfressenheit, wird in der Ausbildung ins Positive gekehrt, wenn es zur Belohnung ein Leckerli gibt. «Eine sichere Bindung erreicht man mit vielen gemeinsamen positiven Erlebnissen, viel Geduld und viel Liebe zum Hund.»

Auch die 1972 gegründete Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde arbeitet seit vielen Jahren einzig mit Labradoren. Sie stammen aus eigener Zucht. Die 20 Hündinnen und 19 Rüden, die für den Nachwuchs sorgen, leben als normale Hunde bei Privaten. Zwei Wochen vor dem Geburtstermin kommt die Hündin nach Allschwil und lebt hier zehn Wochen lang mit ihren Welpen.

Danach geht die Hündin zurück nach Hause. Die Welpen kommen zu Paten. «Wir suchen immer neue Paten», betont Sprecher. Die Schule übernimmt fast alle Kosten, während die Freiwilligen dafür sorgen, dass der junge Hund stubenrein wird und eine gute Kinderstube geniesst. Später folgen Ausflüge im Quartier, in die Stadt und aufs Land. Hinzu kommen Welpen-Prägungsspieltage und Junghundekurse.

Im Alter von 15 bis 18 Monaten kommt der Hund zu seinem Instruktor. Vor der Ausbildung wird er gesundheitlich durchgecheckt. Auch sollte er keinen zu starken Jagdtrieb haben. Nicht geeignet seien Hunde, die sich ständig ablenken lassen, die ängstlich und bei Lärm oder Verkehr unsicher sind. Für sie gebe es die Möglichkeit eines Job- oder Karrierewechsels hin zu Autismusbegleit- oder Assistenzhunden.

«Sind auch das keine Optionen, platzieren wir ihn als Familienhund mit der Bedingung, ihn als Sozialhund ausbilden zu lassen», sagt Sprecher. Die Schule schaue bis zum Tod auf ihre Labradore. Blindenführhunde werden mit elf Jahren pensioniert. Die einen bleiben bei ihrem Frauchen, andere gehen zurück zu ihren Paten. Davon sind Pelle und Hopper aber noch Jahre entfernt.