Legt der Hund sein Kinn auf unser Knie, wenn wir traurig sind, ist das ein Zeichen von Sympathie. Auch Hilfsbereitschaft ist für Hunde nicht ungewöhnlich. Ganz nach dem Motto «So wie mich jemand behandelt hat, behandle ich auch die anderen» helfen Hunde, die selbst Hilfsbereitschaft erfahren haben, vermehrt auch anderen Artgenossen. Doch Empathie? Lange Zeit wurde Hunden das Verständnis für menschliche Emotionen abgesprochen, es fehlte an wissenschaftlichem Nachweis. Seit Kurzem ist dies anders. 

Für Sibylle Aschwanden war schon lange klar: «Hunde können sich in einen Menschen hineinversetzen, Emotionen verstehen und nachfühlen.» Die Verhaltensbiologin aus Rohr SO sieht ihre langjährige Erfahrung als Hundetrainerin und -besitzerin endlich durch die Wissenschaft bestätigt. «Es ist nun nachgewiesen, dass ein verzweifeltes Babyweinen den Familienhund in Stress versetzt, während ein fröhliches Brabbeln des Kleinkindes das nicht tut.» 

Erkennen können Hunde unsere Gefühle gleich auf diverse Art und Weise. So nehmen die Vierbeiner zum Beispiel durch akustische Signale wie eben das Geschrei eines Babys menschliche Emotionen wahr. Anhand von Stimmlage, Lautstärke und Tonhöhe erkennt der Hund, in welcher Emotionslage sich der Mensch befindet. «Hohe, quietschende Töne wirken intuitiv freundlich; tiefe Töne, aber auch schrille Laute hingegen bedrohlich», sagt Aschwanden. Auf solch akustische Signale reagieren Hunde aus neurologischer Sicht genauso wie Menschen, fand vor Kurzem ein ungarisches Forscherteam der Universität Budapest heraus. Bei Hund und Mensch wird die gleiche Gehirnregion aktiv; nämlich jene, in der Aspekte wie Tonlage (jedoch keine Wörter oder Sätze) verarbeitet werden. 

Emotionen werden verstanden
Hunde können menschliche Emotionen überdies optisch wahrnehmen. Dabei loten sie aus, ob Mimik und Tonfall auch kongruent sind. Im Zweifelsfalle verlassen sich Hunde allerdings auf das, was sie sehen – zumindest, wenn es um die menschliche Gefühlswelt geht. Dafür reichen Hunden bereits subtile Zeichen. Zuerst erfolgt der Blick auf die Augen. «Eine Lachfalte um die Augen reicht für Hunde bereits aus, um menschliches Lächeln wahrzunehmen», erklärt Aschwanden. Falten um die Nase sind zweitranging. Im Gegensatz zu uns Menschen ist die Mimik des Mundes für Vierbeiner nicht so wichtig. 

Zahlreiche konkrete Hinweise deuten darauf hin, dass Hunde die Emotionen hinter den menschlichen Signalen auch wirklich verstehen. «Positive Gesichtsausdrücke erfassen Hunde selbst bei fremden Menschen schneller als ärgerliche», weiss die Verhaltensbiologin. «Zudem schauen Hunde länger auf freundliche menschliche Gesichter als auf ärgerliche.» Bei Letzteren steige dann auch beim Vierbeiner der Level an Stresshormonen. 

Ferner nehmen Hunde Emotionen auch olfaktorisch wahr. Eine Studie der Universität «Frederico II» in Neapel zeigt, dass Hunde unsere Gemütszustände nicht nur riechen können, sondern auch übernehmen. Riecht der Mensch glücklich, zeigen die Vierbeiner prompt grösseres Interesse. Selbst auf Fremde gehen Hunde dann schneller zu. Riechen sie allerdings Wut oder Angst, so meiden sie den Kontakt. «Mancher Hundehalter kennt das: Trotz mehrfachem Rufen lässt sich der Hund mit der Rückkehr von einer Jagd extrem viel Zeit», so Aschwanden. «Der Hund riecht schon von Weitem, dass sein Halter innerlich kocht vor Wut, egal, wie fröhlich seine Stimme auch klingen mag.» 

Wie das Frauchen, so der Hund
Riecht ein Hund menschliche Angst, bekommt er selber auch Angst und zeigt Anzeichen von Stress. Ausserdem sucht er dann vermehrt den Blickkontakt mit seinem Halter. In der Fachwelt wird dieses Verhalten «Social Referencing» genannt. Durch Blickkontakt versucht der Hund herauszufinden, wie er am besten auf die Situation reagieren soll. «Wer in Familienstrukturen lebt, baut stark auf die Lebenserfahrung der älteren Individuen, um nicht jede neue Situation selber auf seine Gefährlichkeit überprüfen zu müssen», erklärt die Verhaltensbiologin. 

Wie stark Hunde unsere Emotionen übernehmen, sieht man vor allem an Hektikern. «Hektische oder ängstliche Besitzer haben eher hektische oder ängstliche Hunde. Gelassene Hunde haben darum meist gelassene Besitzer.» Laut der Verhaltensbiologin ist dies typisch für soziale Tiere: Im engen Zusammenleben orientiert sich der Hund an seinem Fürsorgegaranten und lässt sich emotional von diesem beeinflussen. «Denn eine eng zusammenlebende Gruppe muss auf derselben emotionalen Welle schwimmen, damit sie kongruent adäquat auf eine bestimmte Situation reagieren kann.» 

Zweiflern rät Sibylle Aschwanden zu einem Selbstversuch. «Achten Sie mal drauf, wie sich Ihr Hund verhält, wenn Sie eindeutige Emotionen zeigen.» Nach einem freudigen Lufthüpfer würden auch viele Hunde aufgeregt herumrasen. Oder: «Das nächste Mal, wenn ihr Vierbeiner an der Leine zum Pöbeln neigt, dann achten Sie darauf, wie es Ihnen selber geht. Und Sie werden merken: Ihr Hund hat einfach nur Ihr genervtes oder ängstliches Verhalten übernommen.»