Ein Ruf am Waldrand. Weit entfernt streift ein Vierbeiner durch das Feld, schaut kurz auf und trippelt dann schnuppernd in der entgegen gesetzten Richtung weiter. Der einsame Rufer geht dem Hund entgegen und versucht, ihn einzufangen. Der Hund scheint sich einen Spass daraus zu machen, seinem Besitzer immer wieder zu entweichen kurz bevor er ihn erreicht hat.

[IMG 4]

Wichtig: Rückruf muss funktionieren

«Hunde müssen auf unseren Ruf kommen. Immer!» schreibt Kate Kitchenham unter dem Kapitel «Kommen ist ein Grundgesetz» in ihrem neuen Buch «Die 10 Kompetenzen für Hunde», das 2023 im Kosmos-Verlag erschienen ist.

Die Autorin hat Verhaltensbiologie und Kulturanthropologie in Hamburg studiert. Sie erforschte die Tier-Mensch-Beziehung und schloss ihre Studien zum Thema «Motive zur Hundehaltung in der Stadt» ab. Sie publiziert zahlreiche Fachbücher und Artikel zur Hundehaltung und ist als Fernsehmoderatorin tätig. Auch in der Schweiz war sie auf Vortragstour und organisierte Seminare zum Thema Hund und Hundeerziehung. Ihr Plädoyer: Ein besseres Zusammenleben von Hund, Katze, Maus und Mensch!

Das neue Buch der Hundeexpertin ist ein Muss für alle, die sich mit dem Gedanken tragen, einen Hund anzuschaffen oder für diejenigen, die bereits einen Vierbeiner halten und mit Fragen oder Problemen in der Erziehung konfrontiert sind.

Training an der Schleppleine

Es ist etwas vom Ärgerlichsten, wenn der Hund nicht auf den Ruf reagiert. Das kann auch zu vielen gefährlichen Situationen führen. Kate Kitchenham betont, dass ein Hund erst, wenn er sicher kommt, frei laufen dürfe. Vorher müsse er an der Schleppleine geführt werden. Sie schreibt: «Hunde finden es, ähnlich wie kleine Kinder, sehr interessant, wenn wir plötzlich hilflos sind. Hunde merken sich zum Beispiel sehr schnell, wie lang unsere jeweiligen Arme sind. Und kommen dann immer genau auf eine Armlänge Entfernung zu ihren Menschen.»

Lob führt zum Erfolg

Konkrete Angaben, wie der Hund dazu gebracht wird, zu kommen, helfen beim Training. So sollte ein Hund immer, wenn er  von sich aus auf einen zukommt, mit freundlicher Stimme zum Kommen aufgefordert werden wie: «Komm, Rex!». Der Hund sollte kurz angefasst und dann mit dem Freigabewort wieder freigegeben werden. Dies müsse zum Ritual werden, so dass der Hund das Kommen mit etwas Freudigem und Gutem verbinde.

[IMG 3]

Gezieltes Rufen

Schliesslich folgt das gezielte Rufen, idealerweise dann, wenn etwas sehr Positives passiert. Beispiele: Wenn man nach Hause kommt, wenn der volle Futternapf in der Hand gehalten wird. Das Training sollte stetig gesteigert werden. Immer sollte es für den Hund einladend sein, zu seinem Menschen zurückzugehen. Er sollte also mit der Stimme gelobt und mit Leckerbissen belohnt werden, wenn er kommt.

Steigerung

Ideal ist, das Training dann zu beginnen, wenn sich der Hund schon etwas ausgetobt hat. Eine Steigerung ist, ihn zurückzurufen, wenn er leicht abgelenkt ist. Bisher hat er das Rückrufwort ja nur in spassigen Zusammenhängen gehört. Er soll nun aber auch kommen, wenn er leicht abgelenkt ist. Wenn der Hund kommt, kurz angefasst und belohnt und dann wieder freigegeben wird merkt er, dass das Kommen gar nicht schlimm ist. Das Rückruftraining geht so weit, dass er Hund auch in Situationen zurückkommt, wenn ihm dies schwerfällt.

[IMG 5]

Fair bleiben

Die Autorin weist darauf hin, dass es wichtig ist, fair zu sein. Wenn der Hund gerade eine Begegnung mit einem anderen Hund habe, sei es nicht fair, ihn zu rufen. Er sei dann in einem Dilemma. Komme er und wende sich vom anderen Hund ab, riskiere er, angegriffen zu werden. Komme er aber nicht, riskiere er grossen Unmut bei seinem Besitzer. Kate Kitchenham: «Das ist ein doofes Dilemma, das wir unserem Hund ersparen sollten.» Werde die Situation schwierig, solle man selbst ein Stück auf den anderen Hund zugehen und ihn ansprechen. Oft helfe eine freundliche Ansprache dabei, negative Emotionen aus der Situation zu nehmen.

Hundehaltung ist anspruchsvoll

Allein beim Lesen der Ideen, Anregungen und Anleitungen zum Rückruftraining wird klar, welch anspruchsvolle und komplexe Aufgabe es ist, einen Hund zu halten. Gerade auch darum ist es wichtig, das Buch vor der Anschaffung zu lesen. Ist ein Welpe im Haus, dient es als praktisches Nachschlagewerk.

Das Kapitel «Wie Hunde lernen» hilft, den Vierbeiner und seine Denkweisen besser zu verstehen. Wie funktioniert das Gehirn eines Hundes, wie lernt er und welche Fähigkeiten hat er? Diese und viele weitere Fragen werden dort geklärt.

Als die zehn Kompetenzen, die wichtig für Hunde sind, gelten: «Offenheit und Gelassenheit», «Vertrauen und Bindung», «Zuverlässigkeit», «Beobachten, erinnern, suchen», «Viel verstehen», «Grenzen akzeptieren», «Niemalsnie Jagen!», «Sozial geschmeidig sein», «Tempo anpassen», «Humor haben».

Vertrauensverhältnis aufbauen

Ideal ist es, mit einem Welpen das Training nach und nach aufzubauen. Doch vielleicht lernt es auch noch der Hund am Waldrand, wenn sich der Besitzer mit den Grundregeln der Hundeerziehung auseinandersetzt. Geduld und Einfühlungsvermögen braucht es immer, doch es ist nie zu spät, mit einem Hund zu arbeiten und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

[IMG 2]

Buchtipp
Kate Kitchenham: «Die 10 Kompetenzen für Hunde - Bildung, Intelligenz und Gelassenheit fördern» 200 Seiten, Kosmos Verlag