Ein Augenschein
Hundetagesstätte: Professionelle Hundebetreuung wird immer beliebter
Hundetagesstätten bieten vielen Leuten die Möglichkeit, einen Hund mit dem Job vereinbaren zu können. Doch in welchen Fällen macht das wirklich Sinn? Wir haben bei einer Vorreiterin des trendigen Angebotes vorbeigeschaut.
Friedlich sonnt sich eine Bulldogge auf der Mini-Veranda. Zu hören sind im Auslaufgehege der Villa Sabberlatz statt nervösem Hundegebell erstmal nur zwei Frauenstimmen, die wohl noch kurz den Tagesablauf besprechen. Erst, als sich eine der Tierpflegerinnen dem Eingang des Aussengeheges nähert, geht ein freudiges Gewusel los. Balu, Cooper, Frisbee und wie sie alle heissen, kommen aufgeregt angeschossen, um zu hören, ob ihr Name für den anstehenden Spaziergang aufgerufen wird. Nach fünf Hunden ist jedoch Schluss. Die anderen müssen sich bis zur nächsten Runde gedulden. «Zehn Hunde auf einmal spazieren zu führen, sieht zwar cool aus», meint die Geschäftsinhaberin Lara von Aesch. «Doch manche Hunde trauen sich dann nicht mehr, sich zu melden, wenn sie noch einen Stopp brauchen.» Auf individuelle Bedürfnisse kann sie also besser eingehen, je weniger Leinen sie in den Händen hält. «Wir hatten früher bis zu sechs Hunde auf einmal, doch das war zu viel», findet von Aesch. «Mit fünf haben wir jetzt wieder mehr Spass dran und für uns ist das Wohlergehen sämtlicher Vier- wie auch Zweibeiner wichtig.»
Hoher Andrang
Ginge es um die Nachfrage, könnte die junge Unternehmerin die Anzahl Tagesgäste problemlos aufstocken. Als Lara von Aesch 2018 die Villa Sabberlatz gründete, dauerte es nur drei Monate, bis sie ausgebucht war. Seit Corona führt sie sogar eine Warteliste. «Kennst du den Spruch, dass man bereits eine Kita suchen muss, bevor das Kind geboren ist?», fragt von Aesch. «Genau so ist es heute auch bei den Hunden. Ich habe schon jetzt Anfragen für 2026.» Eine Versicherung, dass es dann auch wirklich klappen wird, kann sie nicht geben. Denn wenn ein Platz frei wird, muss jeder Neuankömmling zuerst einen Schnuppertag in der Villa absolvieren. Da wird überprüft, ob er sich mit der Gruppe versteht und gut verhält. Voraussetzungen sind auch Grundbefehle wie Sitz, Platz und Rückruf. «Wir sind ausserdem froh, wenn er nicht den ganzen Tag durchbellt», fügt Lara von Aesch an. «Alles andere können wir aber gut bewältigen.»
Hunde, die etwas mehr Ruhe brauchen, läufig sind oder gerade eine Operation hinter sich haben, werden separat gehalten. Möglich machen das mehrere abgetrennte Innen- sowie Aussenbereiche. «Wir schauen auch darauf, dass eher die grossen Hunde zusammen sind und die kleinen in einer eigenen Gruppe», erklärt von Aesch. «Für die älteren Semester machen wir auch ein Rentnerprogramm.» Faktisch bedeutet das, dass nicht jeder Hund alle Spaziergänge durchziehen muss. Gassi-gehen muss aber für alle drin liegen. «Bei richtig schlechtem Wetter ziehe ich dann manchmal fünf Hunde hinter mir her», sagt sie scherzhaft.
Der ideale Ausgleich
Am herkömmlichen Standort der Villa Sabberlatz in der Stadt Bern sind fünf Spaziergänge die tägliche Norm. In Lyss, wo die Tagesstätte zwei Aussenbereiche hat, reichen drei, um die Fellnasen auszupowern. «Die Hunde werden in der Tagesstätte nicht nur körperlich, sondern auch im Kopf gefordert», erklärt Lara von Aesch. «Deshalb rate ich den Leuten davon ab, am selben Tag noch ins Hundetraining zu gehen.»
Die meisten Hunde kommen einen oder zwei Tage die Woche in die Villa Sabberlatz. Die restlichen Tage begleiten sie ihre Halterinnen oder Halter auch mal ins Büro. «Nach einem Tag bei uns kann ein Hund besser ein paar Stunden unter dem Schreibtisch liegen», ist von Aesch überzeugt. Auch Anfragen für vier oder fünf Betreuungstage pro Woche würde sie nicht per se ablehnen. «Wenn sich zum Beispiel ein Paar trennt und man quasi Alleinerzieher eines Hundes ist, geht es vielleicht nicht anders», so die junge Frau.
Ein vertrautes Umfeld
Die meisten ihrer vierbeinigen Gäste kommen schon seit dem Welpenalter in die Villa Sabberlatz. Diese Konstanz schafft viele Vorteile. «Aktuell sind einige der Hunde in der Situation, dass es in ihrer Familie den ersten Nachwuchs gibt», gibt Lara von Aesch ein Beispiel. Nicht wenige sind in dieser Phase verwirrt oder entwickeln sogar Eifersucht gegenüber dem neuen Mittelpunkt der Familie. Da könne ihnen ein vertrautes Umfeld wie die Hundetagesstätte auch etwas Halt geben, ist von Aesch überzeugt. «Hier sind sie immer die Nummer 1», versichert sie.
Doch auch das Sabberlatz-Team muss manchmal aufpassen, dass keine Eifersüchteleien unter den Hunden entstehen. Wie in einer Kinder-Tagesstätte sind auch hier kleinere Konflikte an der Tagesordnung. «Ein, zwei Kratzer kann es beim Raufen schon mal geben», erklärt von Aesch. «Mehr ist aber zum Glück noch nie passiert.» Um gefährliche Situationen präventiv zu vermeiden, hat fast ständig jemand ein geschultes Auge auf die Gruppen. Nicht ohne Grund stellt von Aesch nur ausgebildete Tierpflegerinnen ein. «Die drei Jahre Erfahrung in einem Tierheim sind schon wichtig, um Situationen frühzeitig einschätzen zu können.»
Individualbetreuung mit Grenzen
Wenn eine Halterin oder ein Halter einen speziellen Wunsch hat, versucht das Sabberlatz-Team diesen ohne Aufpreis zu erfüllen. Dies könne beispielsweise Unterstützung beim Erlernen eines neuen Befehls sein, erklärt Lara von Aesch. «Hier besteht aber immer die Schwierigkeit, dass es auch wirklich das ganze Team mitkriegt», gibt sie zu bedenken. «Ausserdem müssen wir in der Lage sein, die Bedürfnisse anderer Hunde weiter zu berücksichtigen und den geregelten Tagesablauf einzuhalten.» Deshalb winke sie bei allzu komplizierten Wünschen meist von vornherein ab.
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Die Menge an Hunden kann somit ein Nachteil sein. Allerdings bietet sie auch Vorteile. «Hier haben Vierbeiner die Möglichkeit, mit vielen fremden Hunden in Kontakt zu kommen», so von Aesch. «Viele unterbinden heutzutage solche Begegnungen beim Spazieren, indem sie ihre Hunde auf die Arme nehmen.» So oder so wird der Villa Sabberlatz die Arbeit so schnell nicht ausgehen. Denn der Trend zeigt klar hin zu mehr Betreuungsarbeit – besonders diejenige von professionellen Fachkräften.
Schweizer Tierschutz (STS) zum Trend Hundetagesstätte
Der STS erhält sehr viele Meldungen über Hunde, die täglich während vielen Stunden alleine sind. Häufig melden sich Nachbarn, weil Hunde in einer Wohnung über längere Zeit oder regelmässig bellen oder jaulen. Dies kann ein Alarmzeichen sein, dass tierschutzrelevante Missstände bestehen und der Hund unter dem Alleinsein leidet. Bei solchen Fällen empfiehlt der STS stets, mögliche Fremdbetreuungsmöglichkeiten zu prüfen. Vor diesem Hintergrund ist es aus Sicht des STS durchaus positiv zu werten, dass es mittlerweile ein breites Angebot an Hundebetreuungsmöglichkeiten gibt. Für manche Hunde ist eine Tagesstätte in gut geführten Gruppen passend, für andere ist ein Spazierdienst und eine Betreuung im eigenen Zuhause besser. Wenn bereits vor der Anschaffung eines Hundes klar ist, dass dieser praktisch täglich fremdbetreut werden muss, rät der STS von der Anschaffung eines Hundes grundsätzlich ab.
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