Winseln, jaulen, heulen, bellen – wenn die Haustür zu ist, geht es los. Der Anblick bei der Heimkehr ist oftmals ebenso deprimierend: Das Sofakissen ist zerfetzt, der Mülleimer ausgeräumt oder auf dem Wohnzimmerteppich glänzt ein feuchter Pipi-Fleck. Ein Alptraum für jeden Hundebesitzer – und für die betroffenen Hunde! «Sie leiden in Abwesenheit ihres Halters unter massivem Trennungsstress», sagt Brigitte Bärtschi aus Zuzgen AG. Die diplomierte Hundetrainerin und -psychologin mit Spezialisierung auf Hundeverhalten weiss, dass es auch vielen Hundehaltern fast das Herz bricht, wenn ihr Hund ihnen hinterherwinselt. «Meist dreht sich irgendwann alles nur darum, den Hund nicht allein zu lassen.»

Da Hunde hochsoziale Wesen sind, liegt längeres Alleinsein nicht in ihrer Natur. Sie brauchen Familienanschluss und Sicherheit. Die Krux: «Zum einen möchten wir zu unseren Hunden eine gute innige Bindung haben», sagt die Hundepsychologin. Auf der anderen Seite müsse er aber auch ein paar Stunden allein bleiben können, ohne aufzufallen. Zum Elterngespräch oder zum Zahnarzt können wir den Hund nun einmal nicht mitnehmen.

Wie gut ein Hund das Alleinsein ertragen kann, hängt zum einen vom Charakter des Vierbeiners ab. Hierzu fanden ungarische Wissenschaftler kürzlich heraus, dass eigenständig arbeitende Hunderassen die Trennung von ihren Haltern weitaus gelassener nehmen als auf Kooperation mit Bezugspersonen gezüchtete Rassen. Zum anderen spielt die Erziehung eine Rolle. «Der Hund muss von klein an lernen, allein zu sein», sagt Bärt­schi. Man solle früh und in kleinen Schritten beginnen. Zunächst verlässt man nur für Sekunden bei geschlossener Tür den Raum. Später wiederholt man dies in anderen Räumen, variiert dabei die Zeitintervalle, bis man letztlich für kurze Zeit aus dem Haus geht.  Wichtig ist, sich weder beim Gehen von dem Welpen zu verabschieden noch ihn bei der Rückkehr zu loben. Denn im Idealfall soll der Hund kaum beachten, dass seine Bezugsperson den Raum verlässt. Je älter ein Hund ist, umso länger wird er brauchen, bis er entspanntes Alleinbleiben lernt. Auch mögen viele alte Hunde trotz guter Erziehung nicht mehr gerne allein bleiben. 

Nicht zuletzt ist die Vorgeschichte des Vierbeiners ausschlaggebend. «Ein Hund, der schon mal verlassen oder schlecht behandelt wurde, neigt viel mehr zu Trennungsstress», sagt Bärtschi. Das betreffe oftmals Hunde aus dem Auslandstierschutz.

Erste Anzeichen erkennen
Laut den ungarischen Forschern steht Bellen und Jaulen an erster Stelle der Reaktionen bei Trennungsstress. So versucht der Hund seine Bindungspartner zurückzuholen. Zerstörerische Reaktionen wiederum bringen Halter an den Rand der Verzweiflung. «Manche Hunde zerkratzen Möbel. Oder sie verunreinigen die Wohnung mit Urin, Kot oder Erbrochenem», weiss die Hundetrainerin aus langjähriger Erfahrung. 

Letztlich sei es aber egal, wie ein Hund Stress zeige. «Schlimm ist, dass ein Hund überhaupt in solch einen Zustand kommt», sagt Bärtschi. Dies liege daran, dass der Beginn des Trennungsstresses von Hundebesitzern oft nicht als solcher erkannt wird. «Häufig ist eine leichte Nervosität, wenn sich die Bezugsperson anzieht, das erste Zeichen.» Mancher Hund laufe seinem Halter hinterher. Selten aber fange er dann bereits an zu winseln. Oftmals merkt der Besitzer erst etwas, wenn sich die Nachbarn beschweren, die Haustür von innen zerkratzt ist oder der Hund in der Wohnung randaliert hat. 

«Leider wird die Situation weiterhin häufig verkannt», erklärt die Expertin. «Die Anzeichen werden oft fälschlicherweise als Trotz oder freches Verhalten gedeutet.» Werde der Hund für Verunreinigungen oder Zerstören nach der Trennung bestraft, könne dies den Trennungsstress zusätzlich erhöhen.  Bärtschi rät daher, sich Hilfe bei einem Profi zu holen, denn allgemeingültige Trainings­tipps gebe es keine.

Trennungsbedingtes Stressverhalten ist zu komplex und äussert sich bei jedem Hund unterschiedlich. Gemein haben die Tiere nur eins: Sie müssen eine Bewältigungsstrategie erlernen, um mit der belastenden Situation umgehen zu können. Dies braucht Geduld und Zeit. «Bis der Erfolg eintritt, könnte man einen Hundesitter engagieren», sagt Bärtschi. Ein Zweithund helfe erfahrungsgemäss selten. «Es ist eher so, dass sie sich gegenseitig anstecken und dann beide heulen.»