Herr von Wyl, vom Bund werden heute lediglich zwei Rassen als Herdenschutzhunde anerkannt. Warum ist das so?

Der Verein Herdenschutzhunde Schweiz besteht aus 180 Mitgliedern, wovon etwa 40 selber züchten. Wir konzentrieren uns auf die Pyrenäenberghunde und die Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde, weil das die häufigsten Herdenschutzhunde in der Schweiz sind. Eine Zucht mit nur wenigen Tieren würde kaum Sinn machen, da die genetische Vielfalt nicht gegeben wäre. Im Graubünden sind jedoch zum Beispiel auch der Kangal und der Kaukasische Owtscharka als Herdenschutzhunde anerkannt. Nur sind die halt schweizweit so selten, dass wir nicht gezielt mit ihnen züchten. Von den Pyrenäenberghunden und den Maremmen-Abruzzen-Schäferhunden können wir dafür jährlich etwa 100 Tiere bereitstellen.

Sind die Rassen geborene Beschützer?

Ja, ihr Schutzinstinkt ist genetisch vorgegeben. Entsprechend ist eine Grundvoraussetzung für die Zucht auch, dass die Elterntiere ebenfalls als Herdenschutzhunde eingesetzt werden. Die Geburt der Welpen findet im Nutztierstall statt, in einer sehr ruhigen Umgebung. Den ersten Kontakt haben die Welpen also mit den Tieren, die sie später schützen sollen. Sie werden auf die Nutztiere geprägt und sehen sich als Teil der Herde.

Wann kommt der Mensch ins Spiel?

Sobald die Hündin etwas zur Ruhe gekommen ist, nimmt der Züchter Kontakt zu den Welpen auf. Er hebt sie hoch, streichelt sie, gewöhnt sie an die Anwesenheit des Menschen. Der Halter bietet den Hunden grundsätzlich Sicherheit durch Füttern, Pflege, Streicheln. Es ist wichtig, dass Herdenschutzhunde sozialverträglich sind. Niemand will wilde Hunde bei seiner Herde, die nicht kontrollierbar sind. Jeder Herdenschutzhund muss darum, bevor er zu seinem neuen Besitzer kommt, auch einen Test ablegen.

Wie sieht dieser Test aus?

Man nennt es eine Einsatzbereitschaftsüberprüfung (EBÜ). Der Hund verbringt zuerst mit einem GPS-Sender ausgestattet 24 Stunden mit fünf Schafen in einem unbekannten Gebiet. Danach nähert sich eine Testperson der Herde, einmal mit einem fremden Hund, einmal alleine. Das Verhalten des Herdenschutzhundes wird dabei genau beobachtet. Erst, wenn der Hund die Prüfung bestanden hat, darf er in den realen Einsatz bei einer Herde.

Muss es sich dabei zwingend um eine Schafherde handeln, oder können Herdenschutzhunde alle Nutztiere beschützen?

Ich kenne einen Truthahnhalter in Deutschland, der Herdenschutzhunde einsetzt, um seine Tiere vor Greifvögeln zu schützen. Prinzipiell geht das also. Auch Ziegen sind kein Problem. Bei Kühen ist es eher eine Herausforderung, die Rinder an die Hunde zu gewöhnen als umgekehrt. Da muss man bereits bei den Kälbern anfangen, sodass sie die Herdenschutzhunde nicht als Bedrohung sehen.