Jagen macht Hunde glücklich. Sobald ein Hund einem Hasen, einem Reh oder auffliegenden Krähen hinterherrennt, schüttet sein Körper einen berauschenden Hormoncocktail aus. Experten sprechen von selbstbelohnendem Verhalten, das dazu führt, dass der Jagdtrieb unabhängig ist von Hunger oder Erfolgsaussichten.

In der freien Natur ist diese Eigenschaft für das Überleben eines Hundes wichtig. Und auch der Mensch macht sie sich seit Jahrhunderten zunutze, indem er bestimmte Rassen speziell dazu züchtet, Wild aufzuspüren, anzuzeigen, zu apportieren oder sogar zu erlegen. Auch der Hüteinstinkt von Border Collie und Co. ist nichts anderes als ein umgeleiteter Jagdtrieb: Die vierbeinigen Hirten pirschen sich an, umkreisen ihre Herde, fixieren einzelne Tiere mit ihrem Blick und treiben sie in eine Richtung. Bis auf die finalen Jagdsequenzen, das Packen und Töten, das man bei Hütehunden über Generationen hinweg durch sorgfältige Selektion weggezüchtet hat, sind das Jagdtechniken in Reinform.

Nichts für Tagträumer
Grundsätzlich kann jeder Hund Jagdverhalten zeigen. Durch gezielte Zucht ist die Jagdleidenschaft bei eher schweren oder typischen Begleithunde-Rassen wie Bulldoggen, Neufundländern und Dalmatinern aber meist stark reduziert, während sie bei Jagdhunderassen wie Weimaranern, Settern oder Beagles fast immer stark ausgeprägt ist.

Im modernen Alltag, in dem Wälder von Schnellstrassen durchkreuzt werden, wildernde Hunde Förstern ein Dorn im Auge sind und nur die wenigsten Halter Zeit haben, darauf zu warten, dass der Hund von der Hasenhatz zurückkommt, ist der Jagdtrieb der Vierbeiner aber oftmals ein Problem.

Abtrainieren lässt sich der Trieb nicht, nicht mit Lob und schon gar nicht mit Strafe. Mit viel Geduld und lebenslangem Training kann man den Urinstinkt aber in den meisten Fällen in die richtigen Bahnen lenken. «Das ist aber viel Arbeit und fordert ständige Aufmerksamkeit. Und wer mit einem unangeleinten Hund durch den Wald spazieren und dabei tagträumen oder sich mit seiner Freundin unterhalten möchte, ist mit einem Jagdhund schlecht beraten», sagt Karin Habegger aus Waltenschwil AG. Die Hundetrainerin hat selber seit rund 35 Jahren Erfahrungen mit verschiedenen Jagdhunderassen, unter anderem dem Airedale Terrier, gesammelt und hält zurzeit mit einer Pudelpointer- und einer Australian-Shepherd-Hündin zwei Mitbewohner mit ausgeprägtem Jagdtrieb sowie eine Französische Bulldogge ohne Jagdambitionen.

Neben einer guten und engen Beziehung zum Menschen und einem solide trainierten Rückruf zählt bei Jagdhunden vor allem das richtige Timing. Das gilt für die gesamte Ausbildung, in der man schon verhindern sollte, dass der Welpe hinter Schmetterlingen und Herbstblättern herspringt oder der junge Hund von anderen Jagdhunden «angestachelt» wird und so auf den Geschmack kommt.

Jagdhunde brauchen Aufgaben
Das gilt auch für den Moment, in dem dem erwachsenen Hund eine Prise Kaninchenduft in die Nase weht. «Wer seinen Hund gut beobachtet, kann schon ein frühes Stadium der Jagd erkennen, etwa, weil er aufgeregt schnüffelt oder stocksteif stehen bleibt», sagt Hab­egger. «Dann gilt es, den Hund zurückzurufen, mit einem Spiel oder einer Aufgabe abzulenken oder notfalls auch anzuleinen, schon deshalb, weil es dann viel einfacher ist, seine Aufmerksamkeit zu bekommen, als wenn er schon auf der Hetzjagd im Hormonrausch und 200 Meter entfernt ist.» Manchen Hunden könne man auch beibringen, Wild grundsätzlich durch Stehenbleiben anzuzeigen.

Bis das in kritischen Momenten richtig gut klappt, zum Beispiel, wenn sich in der Dämmerung im Wald immer viele Rehe tummeln oder man gerade mit seinem Chef telefonieren muss, gehört der Hund an die Leine. Die dient dem Schutz von Wild und Hund und verhindert, dass der Jagdtrieb des Hundes durch das selbstbelohnende Verhalten noch grösser wird. Fürs Training empfehlen sich Brustgeschirr und Schleppleine, mit denen man zum Beispiel den Rückruf sehr gut üben kann, ohne das Risiko einzugehen, dass der Hund bereits über alle Berge ist.

Einige Hundetrainer empfehlen ein Jagd­ersatztraining mit Reizangel oder Gummispielzeug. Habegger sieht diesen Ansatz kritisch: «Das mag bei einigen Hunden funktionieren, viele drehen davon aber auch erst recht auf, da diese Spiele das Hetzen und Packen simulieren. Und im Ernstfall können die meisten Hunde dann doch gut unterscheiden und rennen lieber dem Wildschwein als dem Gummiball hinterher.» Sie selber setze Ballspiele deshalb nur gelegentlich als Belohnung ein.

«Aufgaben, die die frühen Sequenzen der Jagd aufgreifen, wie Nasenarbeit, sind viel besser geeignet», sagt Habegger. Überhaupt sei es wichtig, Jagdhunde körperlich und geistig auszulasten. Um den richtigen Job zu finden, sollte man die Vorlieben des Hundes beachten. Während sich ein Schlittenhund gerne neben dem Velo auspowert, macht einem Retriever Apportierarbeit im Wasser mehr Spass und ein Jack Russell fühlt sich vielleicht auf dem Agility-Platz am wohlsten.

Dank ihres guten Spürsinns, ihrer Ausdauer und ihrem Arbeitseifer eignen sich viele Jagdhunde auch hervorragend für die Ausbildung zum Katastrophen- oder Sanitätshund, sagt Habegger. «Diese Arbeit lastet viele Jagdhunde gut aus und hat einen interessanten Nebeneffekt, den wir schon an unserer Vorstehhündin und vielen anderen Hunden beobachten konnten: Sobald sie im Training oder im Einsatz sind und die entsprechende Weste oder eine Packtasche tragen, ignorieren sie Hasen und andere Wildtiere völlig.»

Jagdhund ist nicht gleich Jagdhund
Wie gut sich der Jagdtrieb eines Hundes letztendlich kontrollieren lässt und wie häufig man ihn von der Leine lassen kann, hängt aber nicht nur vom Training, sondern auch von den Genen ab. Bevor man sich einen Hund anschafft, sollte man sich deshalb nicht nur darüber informieren, ob, sondern auch wie die Rasse jagt.

Apportierhunde wie Retriever oder Pudel sowie Vorstehhunde wie der Setter, der Pointer oder der Magyar Vizsla müssen in ihrem Job als Jagdhelfer aufmerksam bleiben, auf kleine Zeichen reagieren und sich auch über grössere Distanzen hin lenken lassen. Da diese Hunde den Willen mitbringen, eng mit ihrem Menschen zusammenzuarbeiten, kann man sie in der Regel leichter trainieren als Stöberhunde wie den Deutschen Wachtelhund oder den Cocker Spaniel, die dazu gezüchtet wurden, im unübersichtlichen Gelände selbstständig nach Wild zu suchen.

Solitärjäger, zum Beispiel viele Windhundrassen wie der Afghane, aber auch Terrier und der Akita wiederum haben es im Blut, Wild selbstständig aufzuspüren, zu stellen und zu töten – ohne dabei einen Gedanken an Herrchen oder Frauchen zu verschwenden. Diese Hunde sind eine besondere Herausforderung und verlangen dem Halter einiges an Training ab.