An einem Sommertag 2015 standen kurzzeitig die New Yorker U-Bahnen still, 83 Züge hatten Verspätung. Der Grund: Kater George war mit seiner Besitzerin vom Tierarzt zurück nach Hause spaziert, hatte sich aus Angst vor einem einfahrenden Zug von seiner Leine losgerissen und war auf die Gleise geflohen. Die Polizei stoppte den Bahnverkehr, bis der verängstigte Vierbeiner, an die Schultern des Officers Brian Kenny gekuschelt, aus dem gefährlichen Schacht getragen wurde.

Die Geschichte, die in ganz Amerika für Schlagzeilen sorgte und den kleinen schwarzen Kater über Nacht berühmt machte, weckt nicht nur Sympathien für die New Yorker Polizei, sondern veranschaulicht auch gleich zwei wichtige Lektionen, wenn es um Katzen und deren Spaziergänge an der Leine geht. Erstens: Meiden Sie U-Bahn-Schächte, wenn Sie mit Katze unterwegs sind. Zweitens: Investieren Sie in ein solide verarbeitetes, perfekt sitzendes Geschirr oder eine sogenannte Walking Jacket.

Letztere kommen ursprünglich aus den USA, wo Katzen schon weitaus häufiger an der Leine ausgeführt werden als hierzulande. Sie gelten als besonders ausbruchssicher und verteilen den Druck gleichmässig, wenn die Katze mal an der Leine zieht. Gut geeignet sind Flexileinen für kleinere Hunde, da sie der Katze einen gewissen Freiraum ermöglichen. Halsbänder sind tabu. Zum einen flutschen Katzen gerne aus den Bändern raus. Zum anderen besteht Strangulierungsgefahr.

An die Ausrüstung denken sollte man aber eigentlich nur, wenn man sich sicher ist, dass man selber Zeit und Lust auf regelmässige Spaziergänge hat – auch im Winter. Denn gefallen der Katze die Ausflüge, wird sie ziemlich sicher darauf bestehen, dass sie auch stattfinden. Und, falls das nicht passiert, ihren Frust nach Katzenart mit Dauermiauen, Kratzen an der Tür oder Unsauberkeit ausdrücken. Auf das Projekt Spaziergang verzichten sollte man auch, wenn die Katze ängstlich, krank, nicht geimpft oder schon sehr alt ist, auf Veränderungen gestresst reagiert und sich ungern auf dem Arm oder im Transportkorb tragen lässt.

Generell sind junge Kätzchen noch offener für neue Abenteuer. Einige Rassen wie Savannahs oder Siamesen gelten als besonders gut geeignet, auch wegen ihres hohen Bewegungsdranges, ihres grossen Selbstbewusstseins und der engen Beziehung, die sie zum Halter aufbauen können. «Charakterlich sind Savannahs eine Mischung aus Katze und Hund. Sie sind sehr menschenbezogen, intelligent, neugierig, aktiv und sie lernen schnell – Eigenschaften, die sie wohl prädestinierter für einen Spaziergang an der Leine machen, als andere Katzenrassen», sagt Corina Müller-Rohr, Savannah-Züchterin aus Rudolfingen ZH.

Im Transportkorb nach draussen
Sie selber lässt ihre Zuchttiere in grossen Aussengehegen an die frische Luft, auch weil sie unbedingt vermeiden will, dass eine der unkastrierten Katzen entwischt und sich unkontrolliert fortpflanzt. «Mehrere unserer Kitten gehen aber mit den neuen Besitzern spazieren. Vor allem, wenn die Tiere von klein auf daran gewöhnt sind, können sie an der Leine gut die Natur, die Sonne und die fremden Gerüche geniessen und ein paar Schritte gehen.»

Damit das gelingt, muss die Katze zuerst in vielen kurzen Trainingssequenzen an ihr Geschirr und dann an die Leine gewöhnt werden. Das funktioniert mit Geduld, Lob und Leckerchen. Fangspiele können vom ungewohnten Tragegefühl ablenken. Mit Geschirr sollte die Katze auch in der Wohnung immer beaufsichtigt werden, damit sie nirgendwo hängen bleibt. Auch die ersten Gehversuche an der Leine finden in den eigenen vier Wänden statt. Erst wenn das problemlos funktioniert, geht es hinaus in die weite Welt, die – um Katze und Mensch nicht unnötig zu stressen – vor allem am Anfang der eigene Garten oder eine ruhige Parkanlage ohne allzu viele Hunde sein sollte.

Auch wenn das Ausflugsziel gleich vor der Tür liegt, empfiehlt Anita Kelsey, Verhaltenstherapeutin und Fachbuchautorin aus London, die Katze immer im Transportkorb nach draussen zu tragen – Geschirr und Leine bereits montiert. «Dieser Punkt ist sehr wichtig. Wenn man sie nämlich durch die Haustür gehen lässt, wird sie später jedes Mal, wenn man die Tür öffnet, versuchen zu entwischen», sagt Kelsey, die selber täglich mit ihren beiden Katzen spazieren geht. Ausserdem leistet ein Transportkorb auch unterwegs gute Dienste: Erschrickt die Katze, wird er zum Zufluchtsort.

In der Regel führt die Katze Wer sich dafür entscheidet, die Katze auf dem Arm zu tragen, sollte sich ein dickes Handtuch auf die Schulter legen – in Panik kann auch das liebste Büsi seine Krallen ausfahren. Um Hunde sollte man genau wie um Bahnhöfe und Hauptstrassen einen Bogen machen und die Katze besser einmal zu viel hochnehmen. Auf Bäume zu klettern macht Spass, ist aber gefährlich, weil sich die Leine in den Ästen verheddern kann. Genau wie Freigänger sollte auch eine Wohnungskatze mit Leinenauslauf entwurmt und gegen Zecken und anderes Ungeziefer behandelt werden.

Das Tempo wird von der Katze vorgegeben
«Die Katze sollte den Transportkorb in ihrem eigenen Tempo verlassen dürfen», sagt Kelsey. Motivieren mit Leckerchen und Federwedel ist aber erlaubt. Draussen darf dann die Katze die neue, spannende Welt erkunden und dabei weitestgehend Tempo und Richtung bestimmen. Der Besitzer achtet auf ihre Sicherheit und darauf, dass weder Geschirr noch Leine irgendwo hängen bleiben. Gerade am Anfang reichen 15 Minuten völlig aus. Auf Youtube kann man zwar hin und wieder Katzen bewundern, die fast bei Fuss gehen und ihre Besitzer sogar auf Wanderungen in den Bergen und durch die Innenstadt begleiten.

Generell gilt aber: Wer von kilometerlangen, zielstrebigen Spaziergängen träumt, sollte sich besser einen Hund und keine Katze zulegen. «Deshalb gehe ich mit meinen beiden Katzen auch nicht zur gleichen Zeit spazieren – es ist einfach zu wahrscheinlich, dass sie in unterschiedliche Richtungen laufen wollen», sagt Kelsey. «In der Regel ist es eben doch eher so, dass nicht der Mensch die Katze führt, sondern die Katze den Menschen.»