Plötzlich bewegt sich der kleine Heuhaufen. Darunter kommt ein gelbsilbernes Fell zum Vorschein. Ein Zwergkaninchen mümmelt Halme. Derweil guckt aus einer Korkröhre ein braunes Köpfchen mit kurzen Ohren. In einem Gehege für Zwergkaninchen ist immer etwas los. Die possierlichen Tiere schätzen Abwechslung, Bewegungsfreiheit und Artgenossen. Bei sehr guten Haltungsbedingungen gewöhnen sie sich an ihre Pflegerin, werden zutraulich und können mehr als acht Jahre alt werden.

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Es gibt Kaninchenrassen ganz unterschiedlicher Grössen. Wie klein die etwa 1,3 Kilogramm schweren Zwergkaninchen wirklich sind, wird insbesondere dann deutlich, wenn sie mit der grössten Rasse, dem Belgischen Riesen, verglichen werden. Die Belgischen Riesen erscheinen gegen die Zwerge mit ihren satten 9,5 Kilogramm wie kleine Hunde. Beide Rassen haben mit dem Hauskaninchen die gleiche Stammform. Seit über 100 Jahren werden Kaninchen nicht nur als Fleischlieferanten, sondern auch als Rassetiere zur Freude innerhalb des Verbands Rassekaninchen Schweiz gezielt gezüchtet.

Die am längsten in der Schweiz anerkannte Zwergform ist das Hermelin. Es ist seit 1900 etabliert. Die Ursprünge des weissen Kaninchens mit roten Augen liegen in England. Die Farbenzwerge wurden ursprünglich in England und den Niederlanden herausgezüchtet. In der Schweiz werden sie seit 1955 planmässig von Züchterinnen und Züchtern in vielen Farbenschlägen vermehrt.

Zu den Zwergrassen gehört weiter die in der Schweiz seit 1965 von Kaninchenzüchtern anerkannte Rasse der Zwergwidder, die ihre Ursprünge in den Niederlanden hat. Diese Kaninchen sind mit ungefähr zwei Kilogramm etwas grösser und haben hängende Ohren. Sie verleihen den Kaninchen einen gemütlichen Gesichtsausdruck. Als letzte Zwergrasse wurden 2010 die Zwergschecken anerkannt, die in Deutschland herausgezüchtet wurden.

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Frische Luft und Unterschlupf

Welche Zwergrasse oder welcher Farbenschlag ist denn nun am besten zur Haltung geeignet? Markus Durrer aus dem luzernischen Ebikon ist Präsident des Klubs Hermelin- und Farbenzwerg-Kaninchen Schweiz. Er sagt: «Das Tier muss einem gefallen.»

Eine Halterin oder ein Halter verbringe mit ihm viel Zeit beim Füttern, Pflegen und beim Saubermachen. «Ob das Kaninchen nun Steh- oder Lampiohren hat, spielt hier keine Rolle.» Jedes habe seinen eigenen Charakter, unabhängig von Farbe oder Rasse. Durrer rät, Zwergkaninchen bei einem organisierten Rassezüchter zu erwerben. «Er steht mit Rat und Tat zur Seite, als Käufer weiss man, wo die Tiere herstammen und hat eine Anlaufstelle.»

Markus Durrer stellt klar: «Mit der Bezeichnung Zwergkaninchen sind alle Zwergrassen gemeint, natürlich auch die Farbenzwerge.» Wer gezielt Rassetiere züchte, richte sich nach dem Standard der Rassekaninchenzüchter. Dort sind die diversen Merkmale der einzelnen Farbenschläge und Rassen festgelegt. Die oft im Zoohandel als Zwergkaninchen angebotenen Tiere sind aus Farbenzwergen entstanden. Wenn ein Mischling aus seriöser Zucht stamme, sei er sehr robust, sagt Markus Durrer.

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Durrer ist seit 25 Jahren von den Farbenzwerg-Kaninchen fasziniert. «Mir gefällt ihr sehr lebhaftes Verhalten», betont er. Zudem sei es ihm bei dieser kleinen Rasse gut möglich, den Tieren artgerechte Platzverhältnisse zu bieten. Ein weiterer praktischer Grund: «Sie fressen weniger und machen auch weniger Mist.»

Zwergkaninchen sind gesellige Tiere. Ihre wilden Verwandten leben in Familiengruppen und Kolonien. Darum sollten sie nicht einzeln gehalten werden. Bedingung zur Gemeinschaftshaltung ist ein vielfältig strukturiertes Gehege. Markus Durrer weist auf die Haltungssysteme verschiedener privater Anbieter hin. Das seien gute Alternativen zu einem klassischen Kaninchenstall. Er streicht heraus:

«Das Gehege sollte gross genug sein, damit die Tiere auch richtige Luftsprünge machen können.» Eine gute Idee sind beispielsweise zwei- oder gar mehrstöckige, seitlich vergitterte und hohe Ställe. Die Raumhöhe in einem Zimmer wird ausgenutzt und die Tiere haben so gleich das Zwei- oder Dreifache an Platz. Kaninchen gehen mühelos über Rampen empor, denn auch in einem Bau überwinden sie Gefälle. Korkröhren werden nicht nur benagt, sondern dienen als Ersatz für Gangsysteme im Boden.

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Ideal ist die Zwergkaninchenhaltung in einem Freilaufgehege. Markus Durrer: «Ein Aussengehege muss ausbruchsicher sein. Es muss gegen oben und gegen unten geschützt sein.» Kaninchen würden schnell im Erdreich graben. Ein Drahtgeflecht im Boden verlegt verhindert, dass die Zwergkaninchen plötzlich weg sind. Werden sie in einer Voliere gehalten, sind sie auch vor Raubvögeln, Mardern und Füchsen sicher. Derzeit etablieren sich Volieren für die Kaninchen-haltung. Der Volierenbauer Rolf Senn aus Wangen an der Aare BE, seit weit über 25 Jahren im Geschäft, bestätigt, dass er heute viele Volieren für Kaninchenhaltungen baue.

Markus Durrer zu den Bedingungen der Aussenhaltung: «Die Kaninchen sollten immer Rückzugsmöglichkeiten im Gehege und ein Häuschen mit trockenem Platz aufsuchen können.» Wichtig für Zwergkaninchen ist gute Luftqualität. Sie fühlen sich wohler bei kühlen Temperaturen, als wenn es heiss ist. Stickige, abgestandene Luft ist schlecht für ihre Gesundheit. Durch den Stall oder das Gehege muss frische Luft zirkulieren.

Heu und Wasser

Zwergkaninchen sind Gruppentiere und haben untereinander eine Rangordnung. Markus Durrer empfiehlt: «Ein kastriertes Männchen mit einer oder mehreren Zibben ergibt eine harmonische Gruppe.» Als Zibben werden weibliche Kaninchen bezeichnet. Mehrere Männchen können nicht zusammen gehalten werden, da sie sich bekämpfen würden. Ein Meerschweinchen ist kein geeigneter Ersatz für einen Kumpanen.

Beide Arten kommunizieren unterschiedlich. Die Meerschweinchen etwa stehen akustisch durch Piepstöne in Kontakt, Zwergkaninchen klopfen mit den Hinterläufen bei Gefahr. Beide Arten können zwar zusammen gehalten werden, jedoch nur in grossen Gehegen und wenn Zwergkaninchen und Meerschweinchen mindestens je einen Artgenossen haben.

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Punkto Nahrung sind Zwergkaninchen anspruchslos. Heu ist das Grundnahrungsmittel und muss immer zur Verfügung stehen, ebenso wie sauberes Wasser in einer Schale. Kaninchen haben einen empfindlichen Verdauungsapparat. An frisches Gras müssen sie im Frühling sachte gewöhnt werden, da es im Verdauungstrakt schnell gärt. Körnerfutter ist meist gar nicht notwendig, ausser wenn Zwergkaninchen im Winter bei Minusgraden draussen leben und somit viel mehr Energie verbrauchen.

Gemüse wie Karotten nehmen Zwergkaninchen sehr gerne als Leckerbissen. Doch aufgepasst: Zu viel Grünfutter kann zu Zahnproblemen führen. Ganz wichtig sind Nageobjekte. Dazu eignen sich frische Zweige von Weide, Hasel und Buche in verschiedener Dicke. Wenn Zwergkaninchen die Rinde abnagen, nehmen sie dabei auch Mineralien auf.

Unter guten Haltungsbedingungen sind Zwergkaninchen robust. Markus Durrer rät zu einer regelmässigen Kontrolle von Gewicht, Zähnen und Krallen. Wer seine Tiere täglich gut beobachtet, stellt eine Verhaltensänderungen fest. Durrer sagt, dass keine Impfung vorgeschrieben sei, dass es aber auch für die Privathalter Sinn mache, die Tiere beim Veterinär gegen die virale hämorrhagische Krankheit (VHK) zu impfen. Es handelt sich dabei um eine sehr ansteckende Viruserkrankung von Wild- und Hauskaninchen. Obwohl es sehr verlockend ist: Zwergkaninchen möchten nicht dauernd gestreichelt werden.

Es sind Fluchttiere. Eine Hand, die von oben ins Gehege schnellt, interpretieren sie als Gefahr. Sie gewöhnen sich aber an ihre Pflegerin und werden durchaus zutraulich. Mit Leckerbissen wie einem kleinen Stück Rüebli oder Apfel können sie ans Gitter gelockt werden. Es ist gut möglich, ihnen unter Aufsicht sogar Freilauf im Zimmer zu gewähren. Auch hier: Mit einem Leckerbissen lassen sie sich wieder zurück in ihr Gehege locken.

Probleme aus der Zucht ausmerzen

Trotz all dem Reizvollen bei Zwergkaninchen gibt es auch dunkle Seiten. Der Schweizer Tierschutz (STS) warnt, dass gerade Zwergkaninchen durch die stark verkürzten, sehr runden Köpfe häufig Zahn- und auch Geburtsprobleme hätten. Markus Durrer kontert: «Zahnfehlstellungen und Geburtsprobleme werden in seriösen Zuchten konsequent weggezüchtet.» Das heisst: Treten solche Probleme auf, wird mit diesen Tieren nicht mehr weitergezüchtet.

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Durrer, der auch Experte für Kaninchen ist und die Tiere von Züchtern aufgrund ihres Aussehens und ihres Gesundheitszustands beurteilt, verweist auf den Zuchtstandard 2015. «Das ist die Basis für die organisierten Züchter, und dort wird Wert darauf gelegt, dass bei der Zucht auf nicht mehr stark abgerundete Köpfe geachtet wird.» Der Experte betont, dass gerade organisierte Züchter auf Robustheit und Langlebigkeit ihrer Zwergkaninchen achten. Und er verrät: «Mein ältester Farbenzwerg der Rasse Hotot durfte im August 2022 seinen zwölften Geburtstag feiern.» Dabei handelt es sich um ein weisses Kaninchen mit schwarzem Augenring. Zwergkaninchen aus seriöser Zucht und artgerecht gehalten, bereiten während Jahren Freude.

Schon gewusst?
Zwergkaninchen sind Zuchtformen des Hauskaninchens. Hauskaninchen wiederum stammen von den Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) ab. Erste Hinweise auf eine Kaninchenhaltung sind durch die römische Geschichtsschreibung bereits aus dem ersten Jahrhundert vor Christus aus Spanien dokumentiert. Dort wurde von Leporarien berichtet, ummauerten Hasengehegen.

Das Kaninchen wurde schliesslich durch die Römer von Spanien und Frankreich aus in anderen europäischen Gegenden ausgesetzt. Kaninchen gehören zu den Hasenartigen. Im Gegensatz zum Hasen leben Wildkaninchen aber kolonieweise vorzugsweise auf sandreichen Böden und graben ein Höhlensystem. In der Stadt Hamburg oder in weiten Teilen Englands leben sie beispielsweise in Grünstreifen an verkehrsreichen Strassen, in Parks und Gärten. In der Schweiz sind sie fast ausgestorben. Nur noch bei Genf und Sion soll es Restbestände geben. Auch die einst bekannte Kolonie auf der St. Petersinsel im Bielersee ist längst erloschen.
Wer mit Zwergkaninchenrassen züchten möchte, sollte sich mit Hermelin- und Farbenzwerg-Kaninchen Schweiz in Verbindung setzen. Der Klub hat Sektionen über die ganze Schweiz verteilt:
farbenzwerg-kaninchen.ch
Gleich verhält es sich beim Schweizerischen Zwergwidderklub:
zwergwidder.ch