Krächzen
Saatkrähen in Schweizer Städten: Plage oder Bereicherung?
Saatkrähen fühlen sich in den Baumkronen von Stadtpärken wohl, zum Verdruss der Anwohner, die sich über das Krächzen und den Kot ärgern. Aber so einfach wird man die Brutvögel nicht los. Es hilft jedoch, sie zu verstehen.
Was haben die Städte Basel, Bern, Murten, Solothurn, Freiburg, Zofingen, Neuenburg, Thun und Schaffhausen gemeinsam? Sie sind beliebte Brutplätze für Saatkrähen. Die Tiere nisten sich auf hohen Platanen in Stadtpärken, Wohnquartieren und Alleen ein und wachsen zu ganzen Kolonien heran. Wenn sie dann alle gleichzeitige krächzen und ihr Geschäft auf die Fahrzeuge, Sitzbänke und Passanten unter ihnen verrichten, führt das zu Konflikten. Medien und betroffene Personen sprechen dann gerne von einer Plage. Die «Berner Zeitung» etwa titelte vor einigen Jahren: «Stadt Bern kapituliert vor der Krähenplage». Und auch in Solothurn debattierte die Gemeindeversammlung Ende letztes Jahr über die Tiere. «Man hat das Gefühl, die Krähen seien geschützter als die Stadtbevölkerung», meldeten sich Betroffene zu Wort. Das Thema bewegt schweizweit die Gemüter und die Behörden wirken oft machtlos.
Aber was ist zu tun? Sich gegen die Krähen wenden oder sie als Bereicherung akzeptieren? Birdlife Schweiz sieht den Sachverhalt aus der Sicht des Naturschutzes differenzierter und berät die betroffenen Parteien. Mit diversen Merkblättern zu den Tieren setzt die Organisation auf Aufklärung statt Aufscheuchung. Saatkrähen (Corvus frugilegus) sind demnach sehr gesellige Vögel. Sie leben paarweise in Kolonien in Siedlungsgebieten, wo sie ihre Nester hauptsächlich auf Platanen bauen. Nur etwa 40 Prozent der Vögel brüten in ländlichen Gegenden. Sie gehen in Trupps auf Nahrungssuche und finden diese bis zu elf Kilometer von ihrem Brutplatz entfernt in Landwirtschaftsgebieten. Als Allesfresser stürzen sie sich sowohl auf Regenwürmer, Käfer, Larven und Mäuse als auch auf Saatgetreide und Keimlinge aus der Landwirtschaft.
Saatkrähen leben und brüten seit 1963 in der Schweiz und waren zeitweise auf der Roten Liste der gefährdeten Brutvogelarten. Heute sind die Tiere vor allem im Mittelland und in der Westschweiz verbreitet und seit 2010 nicht mehr auf der Liste. Zwischen 2013 und 2016 zählte man zwischen 5800 bis 7300 Brutpaare schweizweit. Sie brüten jeweils einmal im Jahr für knapp drei Wochen und nach einem Monat sind die Jungen bereits flügge. Während ihrer Brutsaison zwischen Mitte Februar und Ende Juli ist Schonzeit und die Tiere sind geschützt. Ausserhalb davon gelten sie laut dem Jagdgesetz als jagdbar.
Akustische Kommunikation
So weit, so gut. Aber warum müssen sie derartigen Lärm verursachen? Zudem sind Saatkrähen wenig musikalisch begabt, ansonsten hätten sie es wie die Nachtigall in schmalzige Gedichte geschafft. Dennoch spielt die akustische Kommunikation bei den sozialen Vögeln eine wichtige Rolle. Beispielsweise begrüssen sie sich mit ihrem Krächzen beim morgendlichen Anflug und die Brutpaare erkennen sich an ihren Rufen. Diese werden ab Anfang April intensiver. Dann beginnen die Weibchen nämlich, ihre zwei bis sechs Eier auszubrüten, und betteln dann bei ihrem männlichen Partner um Nahrung. Sobald die Jungen im Mai geschlüpft sind, tun sie es der Mutter gleich. So kann das Krächzen der einzelnen Kolonien in den Morgen- und Abendstunden bis zu 75 Dezibel erreichen. Was allerdings geringer ist als Autolärm, der bis zu 90 Dezibel erreichen kann, wie Birdlife schreibt. Bis die Jungvögel spätestens Ende Juni flügge sind, koten sie ausserdem über den Nestrand hinaus auf den Boden, was dann zu einer vermehrten Verschmutzung der Parkanlagen und Autos führt.
Viel lässt sich jedoch nicht dagegen machen. Verschiedenste Massnahmen wurden bereits getestet, wie Birdlife schreibt. Viele brachten aber nur kurzfristig Erfolg. Es ist ausserdem wirklich schwierig, Kolonien zu vertreiben, ohne gegen Naturschutzgesetze zu verstossen. Versucht wurde etwa, die Bäume zu fällen oder sie so zu schneiden, dass die Vögel schlecht nisten können. Aber die Kolonien verlagerten sich einfach auf andere Bäume. An Schlangen- oder Uhu-Attrappen gewöhnen sich die Vögel ebenfalls sehr schnell. Die Attrappen müssten immer wieder bewegt werden, was zu einem grossen Aufwand führt. Aber das Stören und Entfernen von Nestern ist während der Schonzeit ebenfalls verboten. Lediglich das Stören des Nestbaus vor der Schonzeit wurde in einzelnen Fällen erfolgreich praktiziert.
Auch Umsiedlungen der Vögel in Bereiche, wo sie weniger stören, wurden schon durchgeführt, etwa in Holland und Deutschland. Aber der Aufwand sei enorm und oft lassen sich die Erfolge jeweiliger Massnahmen nicht überall reproduzieren, wie Birdlife schreibt. Deshalb setzen die Organisation und die Behörden vor allem auf die gezielte Information betroffener Anwohner, um sie auf die Gründe für das Verhalten der Tiere zu sensibilisieren und mit Verständnis ein Zusammenleben mit den Saatkrähen zu ermöglichen.
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