Herr Etienne, wie schmecken Schnecken?

Nach meinem Geschmack wie ein zartes Stück Kalbfleisch mit einer Note nach Champignon und etwas erdig. Viele denken, dass sie gummig sind, aber meine Schnecken sind sehr zart. Ich koche sie in einer Gemüsebouillon mit Weisswein während etwa14 Stunden im Niedergar-Verfahren.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ausgerechnet Schnecken zu züchten?

Bei einem Spaziergang im Wald fanden meine Tochter und ich eine Menge Schnecken. Sie war fasziniert von den Tieren, aber ich erklärte zu ihr, dass wir die nicht behalten dürfen, weil es verboten sei. Wir liessen sie wieder kriechen. Zu Hause schaute ich im Internet nach, wie ich es meiner Tochter ermöglichen könnte, Schnecken als «Haustiere» zu halten. Ich suchte nach Schneckenzucht, Schneckenfarm, Schnecken züchten usw. Bei dem, was ich fand, dachte ich mir sofort, dass dies genau das ist, was ich selber machen könnte. So gründete ich den Schneckenpark Gurmels (FR).

Könnte man sich auch Weinbergschnecken zu Hause im Garten heranzüchten und dann auf den Tisch holen?

Weinbergschnecken aus der Natur darf man nicht sammeln, die sind meist geschützt. Sie sind für eine Haltung aber sowieso schlecht geeignet. Sie heimische Weinbergschnecke (Helix pomatia) legt nur etwa 60 Eier und braucht bis zur Geschlechtsreife ca. drei Jahre. Sie fühlt sich in einem Gehege zudem nicht wohl. Aber man kann Schnecken eines Züchters kaufen und die sich dann im eigenen Garten vermehren lassen. Ich züchte die etwas kleinere Gefleckte Weinbergschnecke (Helix aspersa maxima). Sie legt bis zu 120 Eier, ist bereits nach einem halben Jahr reproduktionsfähig und fühlt sich im Gehege gut aufgehoben.

Unter welchen Bedingungen fühlen sich Schnecken wohl?

Schnecken brauchen Bretter, hinter denen sie sich vor Wind, zu viel Regen oder starkem Sonnenschein schützen können. Sie brauchen auch regelmässig Feuchtigkeit. Wenn es nicht geregnet hat, bewässere ich das Feld jeden Tag ab ca. 19 Uhr. Zudem brauchen Schnecken natürlich geeignete Futterpflanzen und zudem ein Zusatzfutter mit Kalk. Dann fühlen sie sich ziemlich wohl.

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Und wenn doch mal ein Tierchen das Weite suchen möchte?

Das Feld, auf dem die Schnecken leben, ist durch einen Bretterzaun umrahmt. Den bestreiche ich mit einem Gemisch aus Salz und Fett, das mögen die Schnecken überhaupt nicht und kriechen so nicht über diese Barriere.

Wie schützen Sie Ihre Schnecken davor, anderen Fressfeinden als dem Menschen zum Opfer zu fallen?

Das Feld ist mit einem Vogelschutznetz überdeckt. Früher benutzte ich auch eine Art Viehhüter, also einen Stromzaun. Der funktioniert bei starkem Regen aber nicht mehr wirklich. Mäuse sind so ein grosses Problem. Sie fressen sowohl die Schnecken als auch ihr Futter. Ausserdem graben sie Tunnel unter den Bretterzaun, wodurch die Schnecken aus dem Gehege kriechen können.

Eine andere Schweizer Schneckenfarm musste kürzlich schliessen. Als ein Grund wurden die schwierigen klimatischen Bedingungen angegeben. Machen diese Ihnen auch Probleme?

Da ich regelmässig bewässere und die Bretter aufgestellt habe, gibt es noch keine Probleme mit dem Klima. Ich hatte im letzten Jahr mit 1800 Kilogramm eine sehr gute Ernte. Damit bin ich der grösste Schneckenzüchter der Schweiz.

Wie erkennt man, wann Schnecken «reif» sind für die Ernte?

Wenn die Tiere ihr Haus mit einer Art Abschluss versehen und dieser fest ist. Man nennt diese Häuschen dann «bordiert». Es sieht ein wenig aus wie eine kleine Dachrinne. Zudem sollte der Rand von innen schön perlmuttartig weiss sein und der Mantel ein tiefes Schwarz haben. Dies ist im Herbst der Fall, dann werden sie eingesammelt und in Netze zu je ca. 6 Kilogramm gepackt.

Was passiert mit den Schnecken nach der Ernte?

Die Schnecken werden in den Netzen kühl belüftet und in einem dunklen Raum gelagert. So denken die Tiere, dass es Winter wird. Sie entleeren ihren Darm, ziehen sich ins Haus zurück und bereiten sich auf die Winterstarre vor. Dazu bauen sie eine dünne Wand am Eingang, um sich feucht zu halten. So gut geschützt überschlafen Schnecken den Winter und warten auf den Frühling. Ihr Herz schlägt dann nur noch ein- bis zweimal in der Minute, sie schlafen also tief und fest. In diesem Zustand werden die Schnecken in viel kochendes Wasser getaucht. Das ist die beste Art, sie zu töten. Sie sterben in Sekundenbruchteilen und können danach abgepackt verkauft werden.


Zur Person

Stefan Etienne hält seit 2015 auf 2200 Quadratmetern im freiburgischen Gurmels Weinbergschnecken. Wie man sie züchtet und verarbeitet, hat er in Frankreich gelernt. Heute verarbeitet der gelernte Bäcker und Koch seine Tiere selbst direkt in der Schneckenküche im Keller.