Tag für Tag schneller
Als Rennreiter im Geschwindigkeitsrausch
Pablo Werder hat diesen Sommer die Lehre zum Rennreiter abgeschlossen – als einziger seines Jahrgangs. Der junge Pferdefreund gibt uns einen Einblick in seinen strengen,aber von etlichen Glücksmomenten geprägten Arbeitsalltag.
Nein, die Liebe zu den Pferden sei ihm nicht in die Wiege gelegt worden. «Niemand aus meiner Familie hat sich der Reiterei verschrieben», sagt Pablo Werder. Umso erstaunlicher, dass der junge Mann im Sommer 2023 nicht nur das Abschlusszeugnis seiner Lehre als Rennreiter in den Händen hält, sondern auch schon einige nationale Galopprennen gewonnen hat. «Heutzutage ist es nicht selbstverständlich, dass sich jemand dafür entscheidet, jeden Morgen bei aller Frühe im Stall zu stehen und sich auch bei garstigem Wetter aufs Pferd zu schwingen. Umso stolzer bin ich, dass Pablo, noch dazu als Einziger in seinem Jahrgang, die Ausbildung zum Rennreiter absolviert hat», sagt Andreas Schärer. Schärer gehörte bis 2009 zu den erfolgreichsten Rennreitern der Schweiz, nun führt er im Horsepark Zürich-Dielsdorf seinen eigenen Rennstall, wo er aktuell 21 Galopper trainiert.
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Besuche an den Pferderennen in Aarau weckten Pablo Werders Interesse an den schnellen Vollblütern. Als kleiner Junge überzeugte er deshalb seine Eltern, ihn ins Reitlager gehen zu lassen, dort erhielt er in der klassisch englischen Reitweise Unterricht. Dann wagte es der junge Pferdefreund, den Galopprenntrainer Miro Weiss für ein Schnupperreiten zu kontaktieren. Dies klappte so gut, dass er fortan seine Freizeit auf dem Rücken der athletischen Galopper verbringen durfte. Später kam er über eine Kollegin in Kontakt mit Andreas Schärer, und als die Berufswahl anstand, schien es für Pablo Werder völlig logisch, den Trainer für eine Ausbildungsstelle anzufragen.
Seither steht Werder jeden Morgen um 5.30 Uhr im Stall und mistet mit seinen Berufskolleginnen die Boxen der Rennpferde aus. Nach einer Kaffeepause geht es ans Reiten. Vier Pferde trainiert der aufgestellte18-Jährige täglich. Das zweite Lot, eine Gruppe von fünf Pferden mit ihren Reitern, dürfen wir an diesem Montagmorgen begleiten. Pablo Werder bereitet den braunen Wallach Moderator, einen der momentan erfolgreichsten Galopper der Schweiz, für seinen Einsatz vor. Nachdem der im Vergleich zu den Spring- oder Dressursätteln klein wirkende Renntrainingssattel und das Zaumzeug angelegt sind, macht sich auch Pablo Werder fertig fürs Training. «Ohne Reithelm und Sturzweste setzt sich bei uns niemand aufs Pferd», sagt er bestimmt.
Im Geschwindigkeitsrausch
Bis alle bereit sind, drehen die Pferde im Schritt einige Runden im Hof. Dann begibt sich die Gruppe zum nahen Reitplatz. Nach einigen Runden Schritt gibt Andreas Schärer das Kommando, anzutraben. Auffallend ist, wie geordnet und ruhig die Aufwärmphase abläuft. Als es dann vom Reitplatz in Richtung Rennbahn zur ersten ruhigen Galopprunde geht, zeigen die Pferde noch immer Gelassenheit. Danach folgt eine Runde im hohen Tempo, dem sogenannten Canter.
«Früher, als ich noch weniger Kraft hatte, kam bei bestimmten Situationen schon etwas Respekt auf; Angst ist als Rennreiter aber definitiv der falsche Begleiter», so Pablo Werder. Bisher habe er in Sachen Verletzungen grosses Glück gehabt. Nur einmal hätte es ihn in die Rails, die Einfriedungen der Rennbahn, geknallt, nach zwei Tagen im Spital sei er wieder auf den Beinen gewesen.
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Ausser dem nötigen Mut braucht ein Rennreiter viel Disziplin, Motivation und natürlich muss er ein Herz für Pferde besitzen. «Die menschenbezogenen und unkomplizierten Vollblüter muss man einfach gernhaben», sagt Pablo Werder, der beim dunkelbraunen Patrick’s Night richtig ins Schwärmen kommt. Es handle sich um ein kleines Pferd mit einem grossen Herzen und seinem eigenen Kopf. Doch der Pferdefreund weiss genau, wie er den Wallach nehmen muss, damit dieser sein Bestes gibt.
Bei den Rennen, wo Rennreiter von fremden Ställen gebucht werden, ist es elementar, sich blitzschnell auf ein vollkommen fremdes Pferd einstellen zu können. Dann bleiben Pablo Werder nur der Aufgalopp und die Beschreibungen des Trainers, um herauszufinden, wie das Pferd funktioniert.«Gelingt einem dies gut, bekommt man viele Anfragen und man wird mit einem Glücksrausch belohnt.» Es sei ein unvergleichliches Gefühl, auf den letzten 300 Metern über die Bahn zu fliegen und zu merken, dass man ganz an der Spitze liegt, schwärmt der junge Rennreiter. Diesen Geschwindigkeitsrausch möchte Pablo Werder noch oft spüren. Seine Zukunft sieht er im Rennsattel – bis Ende Sommer noch im Stall Schärer und danach zieht es den jungen Mann ins Ausland. Er will in einem Rennstall in Deutschland oder Frankreich weitere Erfahrungen sammeln.
Damit der Traum vom Rennstart ausserhalb der Schweiz wahr wird, benötigt es nicht nur Talent. Die nötige körperliche Fitness und ein niedriges Gewicht gehören auch zum Alltag eines Rennreiters, der sich übrigens erst nach 50 Siegen Jockey nennen darf. So stehen bei Pablo und seinen Kolleginnen regelmässige Joggingrunden und im Sommer Schwimmtrainings auf dem Programm. «Ich spiele zum Ausgleich auch gerne Fussball und Basketball.»
Ein Gewicht zwischen 52 und 64 Kilogramm ist Voraussetzung, 54 Kilogramm sind ideal. Und wie erreicht der junge Berufsmann dies – mit einer bestimmten Diät? Pablo Werder schüttelt den Kopf, die meisten von ihnen hätten eine andere Vorgehensweise: Mit viel Sport, Schwitzen und möglichst wenig essen bringe man in wenigen Tagen vor einem Rennen so einige Kilos weg.
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