Gespenstschrecken
Wenn Blätter, Äste und Moos zum Leben erwachen
Gespenstschrecken sind eine faszinierende Ordnung der Insekten und Meister der Tarnung. Viele der anspruchslosen Arten eignen sich für eine Haltung im Terrarium und bringen einen Hauch Exotik in das heimische Wohnzimmer.
Ihren Namen haben die pflanzenfressenden Gespenstschrecken (Phasmida) nicht daher, dass sie uns das Fürchten lehren, sondern durch ihre unglaubliche Fähigkeit der Phytomimese. Dabei ahmen Tiere Pflanzen nach und fügen sich, beinahe unsichtbar vor Fressfeinden, in ihren Lebensraum ein. Viele der vor allem in den Tropen beheimateten Arten der Gespenstschrecken sehen aus wie Äste oder Blätter. Manche können sich sogar als Rinde, Flechte oder Moos verkleiden. Die Tarnung haben Gespenstschrecken zusätzlich perfektioniert, indem sie bei Störungen mit ihrem Körper wippen, sodass es aussieht, als bewegten sich Blätter oder Äste im Wind.
Täuschend echte Blätter
Einige Arten sind dank ihrer teilweise bizarren Form und ihrer anspruchslosen Haltung unter Terraristen beliebte Heimtiere. Die mitunter bekanntesten Gespenstschrecken sind die Wandelnden Blätter (Phylliidae), die eine Unterfamilie der Insektenordnung bilden. Wie ihr Name verrät, ähneln sie Laubblättern und sind teilweise kaum davon zu unterscheiden. Eine bei Anfängern äusserst beliebte Art ist das Grosse Wandelnde Blatt (Phyllium giganteum), bei dem die Weibchen eine Grösse von bis zu zwölf Zentimetern erreichen können. Zur Unterbringung bietet sich ein Glasterrarium mit den Massen von 40 x 40 x 60 Zentimeter für eine Gruppe von drei bis vier Tieren an. Je mehr Tiere gehalten werden, umso grösser darf das Behältnis sein. Wichtig ist, dass das Terrarium bei den Gespenstschrecken höher als breit ist, denn die Tiere leben erhöht auf der Vegetation und klettern gerne.
[IMG 2]
Als Bodengrund eignen sich beispielsweise Terrarienerde, Torf oder ein anderes beliebiges Bodensubstrat. Da die Tiere viele Ausscheidungen produzieren, muss es regelmässig ausgewechselt werden, damit es nicht zu Schimmel- und Geruchsbildung kommt. Haushaltspapier ist zwar ästhetisch kein Hingucker, kann aber aus hygienischen Gründen als Bodengrund genutzt werden. Es lässt sich einfach austauschen und die von den Weibchen auf den Boden geworfenen Eier lassen sich gut erkennen. Viele Arten der Gespenstschrecken, so auch die Grossen Wandelnden Blätter, können sich parthenogenetisch, also ohne die Befruchtung durch ein Männchen fortpflanzen und viele Nachkommen zeugen. Die Tiere werden meist nicht sehr alt und haben eine Lebenserwartung von einigen Monaten bis zu zwei Jahren.
Als Bewohner der Tropen sind Wandelnde Blätter auf eine Luftfeuchtigkeit von mindestens 60 Prozent, besser jedoch 80 Prozent angewiesen, was durch tägliches Sprühen mit Wasser erreicht wird. Ist die Luftfeuchtigkeit zu niedrig, bekommen Gespenstschrecken Schwierigkeiten bei der Häutung. Sie können möglicherweise die alte Haut nicht ganz abstreifen oder tragen Deformationen davon. Zudem mögen es die Tiere warm und fühlen sich zwischen 24 und 28 Grad Celsius wohl, wobei die Temperatur nachts um ein paar Grad gesenkt werden kann. Warme Temperaturen lassen sich durch eine Heizmatte oder durch eine ausserhalb des Terrariums angebrachte Spotlampe erreichen.
[IMG 3]
Auch die Ernährung der Wandelnden Blätter und der meisten anderen Gespenstschreckenarten ist denkbar einfach, denn das Futter kann ganzjährig kostenlos in der Natur gesammelt werden. Brombeerblätter bilden die Hauptnahrung der in Menschenobhut gehaltenen Tiere. Die Zweige steckt man, damit sie länger frisch bleiben, in ein mit Wasser gefülltes Gefäss. Damit kleinere Tiere nicht aus Versehen hineinplumpsen und ertrinken, sollte die Öffnung der Vase klein genug sein. Auch Himbeer-, Eichen- und Rosenblätter werden gerne angenommen.
Die Qual der Wahl
Wer lieber Äste statt Blätter im Terrarium betrachten möchte, der wird unter den vielfältigen Gespenstschrecken einige Arten mit dem Namen Stabschrecke finden. Diese heissen deshalb so, weil sie sehr lange und dünne Körper haben und an Stäbe erinnern. Anfänger werden sich beispielsweise an einer Indischen Stabschrecke (Carausius morosus) erfreuen, deren Haltung ähnlich und genauso anspruchslos wie die des Grossen Wandelnden Blattes ist. Insektenfreunde, die das Extreme schätzen, können bei einem entsprechend grossen Terrarium das längste Insekt der Welt halten. Die Gespenstschrecke Phobaeticus chani kann eine stattliche Grösse von bis zu 57 Zentimeter erreichen.
[IMG 4]
Andere Arten, so wie die bis zu 17 Zentimeter lange und bis zu 65 Gramm schwere Malaiische Riesengespenstschrecke (Heteropteryx dilatata) oder die in Ozeanien heimische Australische Gespenstschrecke (Extatosoma tiaratum), bereiten eher Haltern Freude, die schwerere und kräftigere Tiere bevorzugen. Eine besonders kuriose, aber wunderschöne Art, die sich ebenso für die Terrarienhaltung eignet, ist die schwarze, mit Wehrdrüsen ausgestatte Samtschrecke (Peruphasma schultei). Mit ihren roten «Lippen» und den gelben Augen ist sie ein wahrer Hingucker.
Für welche der vielen Arten sich zukünftige Schrecken-Halter auch entscheiden, die ruhigen, nachtaktiven Tiere sind faszinierende Wesen zum Beobachten. Wichtig ist nur, dass man sich vorgängig mit den Ansprüchen der Art, die man zu halten gedenkt, tiefgehend auseinandersetzt, um den Insekten ein artgerechtes Leben im Terrarium zu ermöglichen.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren