Sie haben im Zürcher Zoo mit exotischen Tierarten gearbeitet, Herr Fässler. Was bewegte Sie dazu, die Leitung des Tierparks Biel zu übernehmen, wo hauptsächlich einheimische Arten gepflegt werden?

Mich reizte einerseits die Möglichkeit, neu als Tierparkleiter tätig sein zu können. Das ist die höchste Stufe, die man als Tierpfleger erreichen kann. Es ist sehr befriedigend, für einen Tierpark verantwortlich sein zu dürfen. Zudem ist es mir ein Anliegen, die Bevölkerung für einheimische Tiere zu sensibilisieren.

Wie steht es um das Wissen der Bevölkerung zur einheimischen Tierwelt?

Ich finde es erschreckend, wie wenig die Leute über einheimische Tiere wissen. Kenntnisse zu exotischen Arten sind oft besser.

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Worauf führen Sie das zurück und wie wirkt es sich aus?

Oft hat das Exotische mehr Reiz und ist präsenter in Fernsehsendungen. Kaum jemand weiss beispielsweise, dass es auch in der Schweiz Sumpfschildkröten gibt, nur wenige kennen den Alpensalamander.

In den meisten Zoos müssen Anlagen aufwändig konzipiert werden. Der Tierpark Biel liegt in einem Wald mit attraktiven Böschungen und Felswänden. Die Natur hat hier die Gehege selbst gestaltet. Oder täuscht dieser Eindruck?

Nein, es ist absolut so, die Natur formt unsere Gehege perfekt. Im Zürcher Zoo plante ich die Lewa-Savanne mit Kunstfelsen und künstlichen Bäumen. Hier im Tierpark Biel aber dürfen wir den Lebensraum einzäunen. Wir machen nur den Feinschliff und achten darauf, dass die Einzäunung nur wenig sichtbar ist. Die Natur am Jurasüdhang prägt den Tierpark.

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Hat der Tierpark Biel noch weitere Vorteile?

Da wir lediglich einheimische Arten halten, benötigen wir keine aufwändigen, heizbaren Gebäude. Das heisst, dass unser Energieaufwand sehr gering ist. Unsere Tiere vertragen den Winter problemlos.

Was sind Ihre Visionen für den Tierpark Biel?

Wir wollen Zusammenhänge zeigen und für den Artenschutz sensibilisieren. Darum sollen neu auch bedrohte Haustierrassen von Pro Specie Rara gezeigt werden. Neu halten wir beispielsweise die Capra Grigia, die Graue Bergziege, eine bedrohte Rasse aus dem Kanton Graubünden. Wir zeigen sie gleich angrenzend an das Gehege der Steinböcke. Diese Gegenüberstellung bietet uns die Gelegenheit, die Domestikation von Ziegen zu thematisieren. Wir wollen demonstrieren, was der Mensch aus Wildformen machte, woher Fleisch und Käse stammen. Unser alter, letzter Luchs ist gestorben. Nun wollen wir die Luchsanlage in Richtung eines Bauernhofs gestalten. Zudem ist geplant, dort auch die Waschbären in einer vergrösserten und bei Führungen zugänglichen Anlage zu halten. Wir wollen direkte Erlebnisse mit Tieren ermöglichen. Beim Waschbären wollen wir darauf aufmerksam machen, dass er sich in der Schweiz festsetzen wird, und wir wollen zeigen, wie mit ihm umzugehen ist. Weiter beginnen wir mit den Tieren ein medizinisches Training.

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Warum setzen Sie auf Tierkontakte?

Je näher Menschen an Tiere kommen, desto besser lernen sie sie kennen. Das Erlebnis prägt sich so eher ein und löst viel aus.

Gibt es Erweiterungsmöglichkeiten für den Tierpark Biel?

Nein, derzeit ist das Gelände leider begrenzt. Wir sind daran, im Gespräch mit Verantwortlichen der Stadt Biel zu erwirken, dass eine Tierparkzone ausgeschieden wird, was Gehegeerweiterungen leichter machen würde.

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Derzeit wird das neue Betriebsgebäude gebaut. Welchem Zweck dient es?

Es beherbergt eine neue Futterküche, einen Holzunterstand für Fahrzeuge, Duschen für die Tierpfleger und neue, behindertengerechte Sanitäranlagen. Auf Ende Mai 2023 sollte alles fertig sein.  

Sprechen wir vom Geld. Der Tierpark Biel ist frei zugänglich. Wie finanziert er sich?

Wir leben von Spenden. Zudem bezahlt die Stadt Biel Beiträge. Im Gegenzug bieten wir Schulklassen kostenlose Führungen an, nehmen Wildtiere auf und pflegen sie gesund und engagieren uns im Erstellen von Kleinlebensräumen für Reptilien, Insekten und Igel.

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Was wird sich im Tierbestand in nächster Zeit ändern?

Wir werden die zwei Waldvolieren umgestalten. Ein Bachlauf wird hindurchführen. Zudem denken wir daran, im Terrarium neu Aspisvipern zu halten. Sie kommen im Jura vor. Da der Fokus auf einheimischen Arten liegt, werden die Schneeeulen und Goldfasane abgebeben. Ich stelle fest, dass die Turmfalken von den Besuchern kaum beachtet werden. Wir möchten stattdessen einheimische Vögel halten, denn ich würde gerne deren Vielfalt zeigen.

Haben Sie eine besondere Vorliebe für eine Tiergruppe?

Ich mag Meeressäuger sehr gerne. Im Zürcher Zoo arbeitete ich mit Seehunden und im Conny-Land in Lipperswil TG mit Seelöwen. Ich absolvierte auch einen Arbeitsaufenthalt mit Orcas im Marineland im südfranzösischen Antibes.

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Haben die Besucherinnen und Besucher Tier-Favoriten?

Die Säugetiere sind besonders beliebt. Bei uns kann man für wenig Geld Futtersäckchen kaufen. Tierkontakte werden geschätzt. Alles, was angerührt und befühlt werden kann, löst Emotionen aus. Das heisst, dass alle Tiere, die nahe ans Gitter kommen, besondere Lieblinge sind. Die Besucherinnen und Besucher merken sich deren Merkmale und kennen sogar die Individuen.

Was unternehmen Sie punkto Bildung und Sensibilisierung der Besucherinnen und Besucher?

Ab dem 1. Mai arbeitet eine Biologin zu 60 Prozent bei uns. Wir bauen unser Angebot an edukativen Führungen aus, denn wir glauben, dass wir so Interessierte besonders für Tiere und deren Lebensräume sensibilisieren können. 

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Erwarten Sie bald Jungtiere im Tierpark Biel?

Ja, wir hoffen auf junge Steinböcke, Rothirsche, Mufflons, Ziegen, Uhus und Gämsen.

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Zur Person
Sven Fässler (30) ist gelernter Landschaftsgärtner und Wildtierpfleger. Er war unter anderem im Zoo Zürich als Projektleiter für die neue Lewa Savanne tätig und leitete den Elefantenpark. Seit anfang 2023 ist er Leiter des Tierparks Biel.