An einem lauen Sommerabend sitzt Familie Schmid zusammen mit Freunden auf der Terrasse vor ihrem Haus und geniesst das wohlverdiente Wochenende. Von den Menschen unbemerkt klettern mehrere Fledermäuse hinter den Fensterläden hervor und fliegen auf der Jagd nach Insekten in die Nacht davon. In einer Nische des Gebäudes, kaum sichtbar, liegt versteckt ein Nest aus Zweigen und Moos. In ihm sitzt ein schlafendes Hausrotschwänzchen auf seinen fünf weissen Eiern. Aus engen Ritzen krabbeln Spalten-Kreuzspinnen und machen sich auf den Weg in die Mitte ihres Netzes zur nächtlichen Nahrungsbeschaffung. Die Gebäudehülle ist voller Leben.

Einige Tierarten profitierten vom Menschen und seiner Lebensweise. Diese sogenannten Kulturfolger finden in menschlichen Siedlungen, im Gegensatz zu den Kulturflüchtern, für sie vorteilhafte Lebensbedingungen. Zwischen den beiden Extremen finden sich auch Tierarten, die sich vorzugsweise in der Nähe des Menschen aufhalten, aber auch ausserhalb des Siedlungsbereiches überleben können.

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Typische Gebäudebrüter wie Mehlschwalbe, Mauersegler und Haussperling nisteten früher ausschliesslich an Felsen. Als der Mensch begann, im Altertum Tempel, Amphitheater und Aquädukte zu errichten, wagten die Vögel den Sprung vom Felsen in die Siedlungen. Dank dem häuserbauenden Menschen konnten sich die Tierarten, die in den Städten gute Bedingungen vorfanden, von Osteuropa und Asien her in Mitteleuropa ausbreiten. Da ungestörte Lebensräume immer seltener werden, könnten weitere Felsenbrüter in Zukunft zu Kulturfolgern werden. So etwa die ursprünglich in den Alpen und im Jura vorkommende Felsenschwalbe, die in den letzten Jahren zunehmend an Gebäuden brütet und dadurch auch bis ins Mittelland vordringen konnte. Auch einige Fledermausarten profitieren von der Baufreude des Menschen und könnten, gäbe es Städte und Dörfer nicht, in der Natur nur schwer einen geeigneten Lebensraum finden. Dazu zählt das Graue Langohr, das ein strikter Gebäudebewohner ist und ausserhalb von Häusern kaum nachgewiesen werden konnte. Allerdings finden nicht nur Vogel- und Fledermausarten Nistplätze und Lebensräume an unseren Häusern. Auch die kleinsten der Kleinen profitieren vom Siedlungsgebiet. Wildbienen, Töpferwespen, Mauerspinnen und viele andere Wirbellose finden ideale, fast mediterrane Bedingungen an besonnten Fassaden und Fenstern und nutzen Ritzen und Spalten als Rückzugsort für die Überwinterung.

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Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, als lebten Tiere in den Städten in einem Schlaraffenland ohne natürliche Feinde und mit einem unendlichen Nachschub an Nahrung, haben Gebäudebrüter und Fledermäuse doch ernstzunehmende Probleme. Der Verlust von alten Liegenschaften und die neumodische Bauweise, die keine Nischen und Ritzen im Mauerwerk zulässt, tragen zum Verschwinden von Nistplätzen und Quartieren bei. Viele dieser wertvollen Orte werden zudem oft unbeabsichtigt durch unbegleitete Sanierungen zerstört. Das Ziel ist es deshalb, Quartiere und Brutplätze, wenn immer möglich, zu erhalten. Sollte dies nicht umsetzbar sein, muss zumindest Ersatz geschaffen werden. Dies lässt sich durch korrekt angebrachte Fledermaus- und Brutkästen umsetzen.

Tierfreundliche Gebäudesanierung

Die meisten der Gebäudebrüter sind durch das Natur- und Heimatschutzgesetz geschützt und es ist verboten, deren Nester mutwillig zu zerstören oder ohne Bewilligung umzusiedeln. Mit Sanierungen und Renovationen sollte deshalb gewartet werden, bis die Vögel ihr Brutgeschäft abgeschlossen haben. Dies ist bei den meisten Arten von September bis März der Fall. Dabei ist es wichtig, Öffnungen und Nischen am Gebäude nicht zu verändern. An Neubauten können für die Vögel künstliche Nisthilfen geschaffen werden. Da jede Art andere Ansprüche an einen Brutplatz hat, kann man sich bei Birdlife Schweiz, der Vogelwarte Sempach oder bei regionalen Vogelvereinen nach passenden Brutkästen erkundigen und Informationen zum Vogelschutz bei Umbau- oder Neubauprojekten einholen.

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Fledermäuse sind in der Schweiz durch das Gesetz besonders streng geschützt. Es ist heikel, wenn ihr Quartier verändert wird, denn es besteht die Gefahr, dass sie ihr Versteck aufgeben. Fledermauskästen als Alternative nehmen die Tiere nicht so bereitwillig an. Stehen Renovationen oder Umbauten an Gebäuden mit vermuteten oder bekannten Vorkommen der kleinen Säugetiere an, sollte man sich deshalb frühzeitig mit dem Schweizer Fledermausschutz in Verbindung setzen. Eine Fledermausschutz-Fachperson begleitet den Prozess, überwacht die Arbeiten und steht den Handwerkern bei Fragen zur Seite. Stösst man während Renovierungsarbeiten unerwartet auf Tiere oder deren Kot, sind die Arbeiten zu unterbrechen und umgehend der Fledermausschutz zu verständigen.

Die Zukunft der tierischen Untermieter hängt von unserem Verständnis und unserer Toleranz ihnen gegenüber ab. Tierfreundlich sanierte Gebäude schützen die Artenvielfalt in unseren Städten und ermöglichen gewissen Tierarten ein dauerhaftes Zuhause. Wer wie die Familie Schmid Vögel und Fledermäuse als Gäste am Haus hat, kann sich darüber freuen und die Tiere bei ihrem täglichen Leben beobachten.

 

Typische Tiere am Gebäude

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Turmdohle (Corvus monedula)

Der kleine Rabenvogel mit den hellblauen Augen ist äusserst gesellig und lebt paarweise in Gruppen oder Kolonien. Er brütet zwar auch an Felswänden und in Baumhöhlen, ist aber als typischer Kulturfolger mittlerweile häufig in Städten anzutreffen. Dort finden die Dohlen Nistmöglichkeiten an alten Gemäuern, Schlössern und Türmen. Durch die Zerstörung von geeigneten Brutplätzen ist der Bestand in der Schweiz auf mittlerweile 1000 Brutpaare geschrumpft. Die grösste Dohlenkolonie lebt auf der Burg Riom in Graubünden.

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Mauer-Zebraspringspinne (Salticus scenicus)

An warmen und besonnten Wänden und Fassaden kann man die häufig vorkommende Zebraspringspinne beobachten. Sie macht durch ihre weiss-schwarzen Streifen auf dem Hinterleib ihrem Namen alle Ehre. Die kleine und neugierige Spinne baut kein Netz, sondern begibt sich aktiv auf die Suche nach Insekten. Mit ihren acht Augen hat sie ein hervorragendes Sehvermögen und kann die Distanz zur Beute genau abschätzen. Hat sie ein Opfer entdeckt, springt sie darauf, packt es mit ihren Vorderbeinen und lähmt es mit ihrem giftigen Biss.

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Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus)

Die häufigste Fledermausart der Schweiz ist ein wahrer Kulturfolger und bewohnt hauptsächlich den Siedlungsraum. Im Gegensatz zu vielen anderen Fledermausarten stört sie das künstliche Licht der Städte nicht und man sieht sie häufig in der Nähe von Strassenlaternen jagen. Im Sommer nutzt sie Rollladenkästen, Wandverschalungen, Fassadenspalten und weitere Hohlräume an Gebäuden. Auch ihre Winterschlafquartiere und ihre Wochenstuben, in denen Weibchen ihre Jungen zur Welt bringen, finden sich hauptsächlich an und in Häusern.

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Haussperling (Passer domesticus)

Ein Spatz, wie der Haussperling umgangssprachlich genannt wird, kommt selten allein und ist ein geselliger Vogel. Haussperlinge verlassen sich ganz auf den Menschen und das Futter, was mit ihm kommt, und brüten nur in unserer Nähe. Sie leben schon so lange mit uns zusammen, dass man nicht mehr genau weiss, woher sie ursprünglich stammen. Ihre Nester bauen sie verborgen in Nischen am Gebäude, unter Ziegeln und hinter Rollladenkästen, aber auch in den Nestern anderer Vögel. Beim Nistmaterial sind sie nicht wählerisch und nehmen fast alles, was sie finden können.

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Turmfalke (Falco tinnunculus)

Menschen, die in oberen Stockwerken wohnen, haben wohl schon Bekanntschaft mit dem kleinen Falken gemacht. Als ursprüngliche Nischen- und Felsenbrüter bewohnen sie gerne menschliche Siedlungen. Hochgelegene Nischen an Hausfassaden, Nistkästen an Kirchentürmen oder auf Balkonen – die Nistplätze des Vogels sind vielfältig. Turmfalken sind die häufigsten Greifvögel in der Schweiz. Auch wenn man sie häufig in der Kulturlandschaft anzutreffen scheint, ist ihre Dichte in den Städten noch wesentlich höher.

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Mauersegler (Apus apus)

Der Sommerbote trifft oft auf den Tag genau Anfang Mai in den Schweizer Städten ein und verschwindet im August so schnell wieder, wie er gekommen ist. Seine Bindung an Häuser ist äusserst stark. Ursprünglich war der Flugkünstler ein Felsen- und Baumhöhlenbrüter. Sein mit Speichel zusammengeklebtes Nest baut er an Gebäuden, Türmen und Brücken. Haben die Tiere das Nest verlassen, landen sie erst wieder im nächsten Jahr zur Brut. Die Nahrungsaufnahme, die Paarung und selbst das Schlafen finden bei den Vögeln im Flug statt.