Ein Tier zu füttern ist unsere Art, Tierliebe zu zeigen. Was bei Haustieren, die sich nicht selbst versorgen können, sinnvoll ist, ist bei Wildtieren wesentlich komplexer. Wildtiere sind hervorragend an ihre Umwelt angepasst und im Normalfall nicht darauf angewiesen, zusätzlich Nahrung durch den Menschen zu erhalten. Wer nun Füchse, Igel oder Tauben füttert, kann damit zahlreiche Probleme herbeiführen. Wildtiere können ihre natürliche Scheu verlieren und durch ihre Aufdringlichkeit zum Ärgernis werden.

An Futterstellen können Krankheiten übertragen werden. Oft ist das angebotene Futter nicht für ein Wildtier geeignet und kann ihm schaden. Somit spricht wenig dafür, ein Wildtier zu füttern. In sehr seltenen Einzelfällen jedoch kann es Sinn machen, unterstützend Nahrung anzubieten. Anhand einiger Wildtiere schauen wir uns an, wie sinnvoll die Fütterung von Igel, Meise und Co. aus biologischer Sicht ist.

Singvögel

Das Füttern von Singvögeln im Winterhalbjahr ist in vielen Gärten gang und gäbe. Gegen die massvolle Fütterung spricht laut Vogelwarte Sempach auch nichts, vorausgesetzt, man füttert so naturnah wie möglich. Um die Übertragung von Krankheiten zu vermeiden, muss auf Hygiene geachtet und die Futterstellen täglich gereinigt werden. Während das unterstützende Füttern der Vögel in kalten Wintern nicht schadet, raten Naturschutzorganisationen jedoch von der ganzjährigen Fütterung ab.

Warme Temperaturen im Sommer begünstigen die Krankheitsübertragung an der Futterstelle. Zudem finden die Tiere im Frühling und Sommer genügend Futter und können sich am besten selbst mit natürlicher und artgerechter Nahrung versorgen. Aus biologischer Sicht betrachtet, leistet ein Futterhäuschen keinen wirklichen Beitrag zum Artenschutz. Denn an den Futterstellen finden sich nur häufige Vogelarten wie Meisen, Finken oder Sperlinge ein, die auch ohne menschliche Hilfe gut zurechtkommen würden. Bedrohte Arten dagegen profitieren kaum von der angebotenen Nahrung.

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Enten und Schwäne

Wasservögel sind in der Lage, ihr Futter selbst zu finden. Dennoch werden die Tiere immer wieder mit altem Brot gefüttert. Der Magen von Wasservögeln ist jedoch nicht an dieses kohlenhydrathaltige Lebensmittel angepasst und dessen Zusammensetzung ist weit entfernt von der natürlichen Nahrung der Vögel. Die besteht vor allem aus Wasserpflanzen, Samen und Insekten. Brot ist also keine artgerechte Nahrung für Wasservögel.

Zudem verschmutzt das umher schwimmende Gebäck das Gewässer und die Wasserqualität nimmt ab, was Folgen für andere Wassertiere und -pflanzen hat. Dort, wo Wasservögel oft gefüttert werden, kommen viele Tiere zusammen. Das wiederum begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten. Aktuell denke man da zum Beispiel an die Vogelgrippe. Eine Fütterung von Wasservögeln führt zu vielfältigen Problemen und ist aus tierischer Sicht nicht notwendig.

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Statt füttern Lebensräume schaffen Anstatt Wildtiere zu füttern und ihnen dadurch nur kurzfristig zu helfen, ist die bessere Alternative die Förderung von naturnahen Lebensräumen und das Anpflanzen einheimischer Blumen, Stauden und Hecken als Nahrungsgrundlage. Nur wenn wir den Lebensraum der Tiere verbessern und aufwerten, kann ihnen auf lange Sicht geholfen werden.

Igel

Neben den Singvögeln wird wohl kein anderes Wildtier so oft gefüttert wie der Igel. Igel sind Insektenfresser. Katzenfutter, mit dem die Tiere gerne gefüttert werden, enthält dagegen Fleisch, Getreide und andere Zusatzstoffe, die für den Igel nicht oder nur schlecht verdaulich sind. Auch das im Handel erhältliche Igelfutter eignet sich durch seine Zusammensetzung nicht, denn oft enthält es einen hohen Anteil an Getreide und kaum Nährstoffe. Füttert man einen Igel über längere Zeit mit einem Ersatzfutter, kann das zu Mangelerscheinungen und zu einem geschwächten Immunsystem führen.

Von Futterstellen werden oft viele Igel angelockt, die als Einzelgänger durch den engen Kontakt mit ihren Artgenossen sozialen Stress erleiden und Krankheiten und Parasiten übertragen. Auf Dauer kann eine Fütterung durch den Menschen keine gesunde Igelpopulation erhalten. Die einzige Ausnahme zur temporären Fütterung ist laut dem Igelzentrum Zürich, wenn ein Igel im Winter zu früh aus dem Winterschlaf erwacht und der Boden noch gefroren ist oder wenn ein Jungigel im Herbst noch nicht das zur Überwinterung nötige Gewicht von 500 Gramm erreicht hat.

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Bienen und Hummeln

Findet man eine geschwächte Biene oder Hummel, so möchte man dem Insekt gerne helfen. Der Tipp aus dem Internet: Zuckerwasser. Die meisten Bienen, die man ausserhalb des Stockes findet, wurden aus einem bestimmten Grund durch ihre Artgenossen entfernt. Ohne ihre Gemeinschaft hat die Biene keine Chance, zu überleben. Zudem haben Arbeiterbienen eine sehr kurze Lebenserwartung von wenigen Wochen, das auch Zuckerwasser nicht verlängern kann. Eine einzelne Biene aufzupäppeln, tut zwar dem Gewissen gut, das Bienensterben kann man so jedoch nicht verhindern.

Anders sieht es bei den Hummeln aus. Bei geschwächten Tieren im Frühjahr handelt es sich oft um Hummel-Königinnen auf der Suche nach einem geeigneten Nistplatz. Ein halber Teelöffel Zucker in lauwarmem Wasser aufgelöst, kann ihr die nötige Energie zur Weiterreise geben. Einer Hummel im Herbst kann leider auch die energiereiche Nahrung nicht mehr helfen, denn ausser der befruchteten Jungkönigin sterben alle Tiere vor dem Winter. Imker warnen jedoch eindringlich davor, Bienen oder Hummeln Honig anzubieten. Viele der importierten Honige weisen Erreger der amerikanischen Faulbrut auf, ein Bakterium, das Bienenlarven befällt und abtötet.

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