Der Neuguinea-Edelpapagei weiss nicht so recht, was er tun soll. Am Kantholz, das im Durchgang zum Innengehege seiner Voliere liegt, lässt es sich gemütlich nagen. Aber die Menschen da am Gitter sind auch interessant. Zumal sie einen Sack Popcorn mit sich tragen. Da könnte man doch …

Und tatsächlich entscheidet sich der prächtige, dunkelgrüne Vogel gegen das Holz und für die aufgeplatzten Maiskörner. Er flattert gezielt ans Gitter und wartet geduldig, bis eine junge Frau ihm ein Popcorn hinhält. Vorsichtig langt er mit seinem imposanten Schnabel zu – als wüsste er, dass der Mensch bei einer falschen Bewegung den Happen vor Schreck fallen lassen könnte. Es klappt: Schon ist der Leckerbissen im Papageienrachen verschwunden, und die drei Kinder, die hinter der Frau stehen, jubeln vor Begeisterung.

Der Plättli Zoo ist ein Traum für die ganze Familie: Idyllisch oberhalb des Thurgauer Kantonshauptorts Frauenfeld gelegen, bietet er sich für einen Sonntagsausflug mit Kindern richtiggehend an. Nicht nur wegen des vorwitzigen Neuguinea-Edelpapageis: In einem Streichelzoo warten Zwerggeisslein auf mutige Entdecker, am Wochenende dürfen Minicowboys und -girls ein paar Runden auf den Ponys reiten und auf dem Spielplatz stehen Miniscooter, eine Dampfwalze und ein Bagger.

Die Raubtiere machen Siesta
Auch auf Raubtiere müssen die Kinder nicht verzichten. Als Wappentiere des Thurgaus und der Stadt Frauenfeld darf etwa der Löwe im Plättli Zoo nicht fehlen. Die beiden Exemplare im Gehege gleich gegenüber dem Edelpapagei liegen allerdings bloss faul in der Frühlingssonne. Gerade keine Lust auf bewundernde Menschenblicke scheinen die Pumas zu haben, sie haben sich irgendwo im Innenteil ihrer Anlage verkrochen. Auch die lustigen Weissbüscheläffchen machen sich rar: Nur kurz strecken zwei von ihnen ihre Näschen durch die Röhre, die vom Innen- ins Aussengehege führt, um dann gleich wieder zu verschwinden.

Macht nichts, andere Tiere präsentieren sich dafür umso bereitwilliger: Die Rotwangen-Schmuckschildkröten sonnen sich am Ufer ihres Teiches und lassen sich auch von einem weissen Täubchen nicht stören, das zum Trinken ans Wasser fliegt. Und ein paar Schritte weiter sind die Griechischen Landschildkröten aus ihrer Winterruhe erwacht. Einige von ihnen wackeln bereits gemächlichen Schrittes durch ihr grosszügiges Gehege und bedienen sich am Löwenzahn, den ihnen die Tierpfleger hingelegt haben. Andere bleiben lieber noch in der Wärme des kleinen Treibhauses. 

Von da an führt der Rundweg mit einem wunderbaren Panoramablick zum hinteren Zoo­areal. Neben dem Lama-Gehege hat ein kleines Känguru, das Rotnacken- oder Bennett-Wallaby, sein Reich. Auch es geniesst die Frühlingssonnenstrahlen und döst ganz entspannt im Gras. Schläfrig scheinen auch die heimischen Eulen: Vor einer efeubewachsenen Wand sitzt mit zugekniffenen Augen ein Waldkauz und von ihrem hohen Ausguck herab beobachten zwei Uhus eher gelangweilt, wie eine ganze Karawane von Familien mit Kinderwagen an ihnen vorbeizieht. 

Schaf mit Korkenzieher-Hörnern
Deren Ziel sind die Kamele, die bereits am Holzzaun ihres Reiches warten und genau wissen, dass mit den Besuchern auch Leckerbissen für sie im Anmarsch sind. Der Edelpapagei ist nämlich nicht das einzige Tier im Plättli Zoo, das scharf ist auf das Popcorn, das an der Kasse am Eingang verkauft wird. Auch hier müssen meist die Erwachsenen die Fütterung übernehmen, zu furchteinflössend sind die grossen Trampeltiermäuler für die Kinder. Wenn sich dann eines doch getraut, die Popcorns auf der flachen Hand dem Kamel hinzuhalten, merkt es aber rasch, wie behutsam die Riesen vorgehen. «Das hat ja nur etwas gekitzelt», sagt ein Mädchen mit einer Mischung aus Verwunderung und Stolz zu seinem Vater.

Noch eindrucksvoller als die Trampeltiere sind die Schafe, die nur wenige Meter weiter auf einer schönen Wiese weiden. Es sind keine gewöhnlichen Schafe, sondern sogenannte Zackelschafe. Ihre Hörner sind so lang wie die Arme eines ausgewachsenen Menschen. Korkenzieherartig verdreht, bilden sie ein mächtiges V auf dem Schädel der Tiere. Ein kugelrunder Bock legt sich ins Gras und zeigt vor, wozu das Horn nütze ist: Vorsichtig bringt er es in Position und fängt an, sich damit am Unterleib zu kratzen. 

Das Zackelschaf stammt aus Ungarn und war dort einst die typische Rasse der Schäfer im Tiefland. Heute ist es allerdings selten geworden und gilt als geschützt. Gleich vor dem Gehege der Zackelschafe pickt ein Haushuhn nach etwas Fressbarem – mitten auf dem Weg und sehr zur Freude einiger Kinder, die aber vergeblich versuchen, ihm näher als drei Schritte zu kommen. 

Der geprellte Kakadu
Im nächsten Gehege geht die Post ab: Die Berberaffen sind am Spielen. Oder am Streiten, wer weiss das schon genau. Auf jeden Fall jagen sie einander unter wildem Gekreische hinterher, turnen über Baumstrünke und hangeln sich Seilen entlang. Ihr Zuhause wurde vor einigen Jahren neu erbaut – und seit vergangenen Dezember teilen sie es sich mit Gesellen, die es etwas gemächlicher nehmen: den Stachelschweinen.

Etwas älter, genau zehn Jahre alt, ist die Papageienanlage, die den Abschluss des Rundgangs markiert. Hier haben Grünflügelaras, Grosse Soldatenaras, Hellrote Aras und Kakadus ihr Zuhause. Die beiden Letztgenannten teilen sich ein Gehege – und liegen sich gerade in den Federn: Der Zankapfel ist ein unscheinbares, zerrupftes Ästchen. Der Kakadu hält es mit einer Kralle fest und knabbert voller Wonne daran herum, doch der Ara startet einen Angriff nach dem anderen auf den Leckerbissen. Er trippelt von hinten heran, probiert es von links, von rechts, schlägt mit den Flügeln, wild kreischen die beiden Kontrahenten durcheinander.

Zwei ältere Männer schauen dem Durcheinander zu und feuern den armen Kakadu an. Doch es hilft nichts: Schliesslich schnappt sich der Ara das Ästchen und verzieht sich damit in eine sichere Ecke. Der Kakadu bleibt frustriert zurück. Dass einer der Herren ihm zum Trost ein Popcorn ins Gehege geworfen hat, interessiert ihn kein bisschen.