Als Jeannette Schmid aus Maisprach BL die Stückholzheizung ihres Hauses ersetzen sollte, stand für sie ausser Frage, dass die neue Heizung umweltfreundlich sein musste. Sie forderte Offerten an, informierte sich über Holzpellets und Erdsondenbohrungen. Gar nicht infrage kam eine Gasheizung, das war ihr in dem alten Haus mit Holzdecke zu ­riskant. Aber auch die Erdsondenbohrung barg gewisse Risiken. Sollte bei der Bohrung etwas schiefgehen und zu Erschütterungen führen, die umliegende Gebäude beschädigen, würde es schnell sehr teuer. In der Umgebung stehen Häuser, die wie ihres denkmalgeschützt sind. Beim Lesen der Zeitung wurde Schmid dann auf ein neues Heizsystem aufmerksam, das einen Eisspeicher als Wärmequelle einsetzt. 

Heizen durch Eis klingt widersinnig, doch das Solar-Eisspeicher-System beruht auf einem einfachen physikalischen Prinzip: Wenn Wasser gefriert und seine Moleküle in einer festen Eisstruktur erstarren, wird sehr viel Energie frei, die in Form von Kristallisationswärme in die Umgebung abstrahlt. Umgekehrt entzieht Eis seiner Umgebung Energie, um aufzutauen. Deshalb übt tauendes Eis eine kühlende Wirkung aus. So kann ein Speicher für Eis und Wasser, mit der nötigen Technik verbunden, zur Klimatisierung eines Gebäudes zu jeder Jahreszeit eingesetzt werden. 

Ausgangspunkt des Heizungssystems ist ein unterirdischer Stahlbeton-Tank
Jeannette Schmid war fasziniert von diesem bestechend einfachen Prinzip, welches eine umweltschonende, praktisch CO2-neutrale Heizung erlauben sollte. Sie kontaktierte Yves und Günther Plamenig in Münchenstein BL, die das von der deutschen Firma Isocal entwickelte Solar-Eisspeicher-System als bisher einzige Anbieter in der Schweiz vertreiben. Nach einigem Überlegen sollte zu Beginn des Jahres 2011 der Einbau einer Eisspeicher-Heizung in Schmids Liegenschaft beginnen. 

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Bild: Yves Plamenig

«Es war eine aufwendige Sache», erinnert sich die Bauherrin. Der eigentliche Eisspeicher, eine schwere Tonne aus Stahlbeton von gut vier Metern Höhe und drei Metern Durchmesser, wurde aus Deutschland gebracht und mittels Kran über den Gartenzaun hinweg in ein grosses Loch gehievt, das zuvor ausgebaggert wurde. Im Erdboden herrschen ausgeglichene Umgebungstemperaturen von etwa acht Grad, was wichtig ist für das Funktionieren des Systems im Jahresverlauf. Die Umgebungswärme des unterirdischen Tanks wird im Winter als zusätzliche Wärmequelle genutzt. 

Das neue System ist noch wenig bekannt
Ein Eisspeicher für ein Einfamilienhaus fasst etwa 10'000 Liter Wasser. In seinem Inneren verläuft ein Wärmetauscher in Form eines Rohrgeflechts, das mit einer Wärmepumpe im Haus verbunden ist und ein Wasser-Glykol-Gemisch enthält. Es nimmt Wärmeenergie aus dem Wasser des Speichers auf, wobei dieses nach und nach gefriert, und transportiert sie mittels des Wasser-Glykol-Gemisches ins Haus. 

Besonders viel Heizwärme wird aus dem Gefrierprozess selber gewonnen, denn das gefrierende Wasser gibt sehr viel Kristallisationswärme ab: Sie entspricht etwa der Wärme, die benötigt würde, um Wasser von Null auf 80 Grad zu erhitzen. Da der Gefrierprozess im Inneren der Tonne beginnt und nicht an deren Rändern, lässt sich ein starker Druck der sich ausdehnenden Eismasse auf die Speicherwände vermeiden. Gegen Ende der Heizperiode ist das Wasser im Tank grösstenteils gefroren. 

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Grafik: Isocal

Nun kommt der Solar-Luft-Kollektor des Systems zum Zug. Dieser aus einfachen schwarzen Kunststoffrohren bestehende Kollektor «arbeitet» bei jedem Wetter und selbst in der Nacht, da er vor allem auch die Umgebungswärme aus der Luft aufnimmt. Er sammelt ausreichend Wärme, um das Eis im Tank während der warmen Jahreszeit wieder aufzutauen und so für die nächste Heizperiode zu regenerieren. Wärme, die über den Wärmepumpenkreislauf wieder in den Eisspeicher gelangt, kann aber auch dem Gebäudeinneren entzogen werden. Auf diese Weise wird das Hausinnere im Sommer angenehm kühl gehalten. 

Normalerweise wird der Solar-Luft-Kollektor auf dem Dach des Gebäudes montiert, was in Schmids Liegenschaft wegen des Denkmalschutzes nicht infrage kam. In ihrem Fall wurde der Kollektor flach im Garten installiert. 

Das Solar-Eis-Heizungsverfahren nutzt Wärme auf niedrigem Niveau, was Abstrahlungsverluste verringert und hohe Effizienz­werte erlaubt. Es wurde daher mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und erregte Aufmerksamkeit in Fachwelt und Presse. Trotz steigendem Interesse sind es erst vereinzelte Eigenheimbesitzer, die den Schritt zu dieser neuartigen Heiztechnik wagten. Yves Plame­nig weiss von rund 15 Einfamilienhausbesitzern in der Schweiz, die das System eingebaut haben, während weitere 15 bis 20 ein Bauprojekt planen. Dazu kommen sechs realisierte Grossprojekte für Mehrfamilienhäuser und Gewerbeobjekte. In Deutschland sind es bereits über 430 Eigenheimbesitzer, die mit Eisspeichern heizen, plus etliche Grossbetriebe. 

Eine Alternative, die sich längerfristig finanziell und ökologisch auszahlt
In Grossbetrieben kommen Eisspeicher von teils enormen Dimensionen zum Einsatz. Der Eisenbahnbauverein Harburg, eine deutsche Baugenossenschaft, hat in Hamburg für rund fünf Millionen Euro ein System installiert, das mit einem 1,5 Millionen Liter fassenden Eisspeicher 483 Wohnungen beheizen soll. Es ist damit eine der grössten Eisspeicher-Heizungen der Welt.

Jeannette Schmid freut sich derweil auf den zweiten Winter im eisbeheizten Haus. Ihre Heizanlage ist die bisher einzige dieser Art in der Region, weshalb sich auch der Kanton für ihre Energieverbrauchszahlen interessiert. Schmid schätzt, dass der Betrieb der Anlage Elektrizitätskosten von ungefähr 80 Franken pro Monat verursacht. Wenn die Wärmepumpe einmal ganz optimal eingestellt ist, liesse sich der Verbrauch ein wenig weiter senken. So müssten sich die Baukosten der Anlage, die etwa 35 000 bis 40 000 Franken erreichen, in wahrscheinlich weniger als zehn Jahren amortisiert haben. Mit dem Bauprojekt einher ging eine gute Wärmedämmung des Hauses, die für ein solches Heizsystem wichtig ist. Brennstoff muss Schmid nicht mehr kaufen. Ein Ster Holz für den Kachelofen bleibt aber hinter dem Haus, für den Fall, dass die Stromversorgung einmal für längere Zeit ausfällt. 

www.isocal.de und www.p-p-g.ch

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ZDF-Reportage über das «Heizen mit Eis». Quelle: YouTube/SolarEis